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Titel
Im Dienst der Krone. Schwedische Diplomaten im 17. Jahrhundert


Autor(en)
Droste, Heiko
Erschienen
Münster 2006: LIT Verlag
Anzahl Seiten
432 S.
Preis
€ 39,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Joachim Krüger, Lehrstuhl für Nordische Geschichte, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

Bei dem zu besprechenden Buch handelt es sich um die überarbeitete Fassung einer im Jahre 2002 an der Universität in Kiel verteidigten Habilitationsschrift. Der Autor Heiko Droste untersucht darin schwedische Diplomaten mit Sitz in Hamburg im 17. Jahrhundert. Im Verlauf des 17. Jahrhunderts stieg Schweden zu einer Großmacht europäischen Ranges auf. Dieser Prozess ist ein gut untersuchtes Beispiel frühmoderner Staatsbildung, auch wenn der Verfasser zu Recht darauf hinweist, dass diese Entwicklung immer noch nicht befriedigend geklärt ist und fast immer unter dem Vorzeichen des schlussendlichen Scheiterns beurteilt wird (S. 328). Die großen Akteure der schwedischen Großmachtzeit, wie z. B. Axel Oxenstierna und natürlich die Angehörigen des schwedischen Königshauses, sind hinreichend bekannt und Gegenstand zahlreicher Forschungsbeiträge. Anders sieht es jedoch mit den Funktionseliten aus, die für den Staatsbildungsprozess unentbehrlich waren. Die Gruppe der Diplomaten bildet ein typisches Beispiel für eine solche Funktionselite der schwedischen Großmachtzeit (1611-1718).

Das Ziel der Studie ist es, das Geflecht aus kulturellen Mustern, Beziehungen und Institutionen in seinem Einfluss auf das Verhalten der schwedischen Diplomaten als einer besonderen Gruppe von Krondienern zu untersuchen. Dabei betrachtet der Autor das 17. Jahrhundert, eine Periode, in der die Bedingungen des schwedischen Krondienstes massiven Veränderungen unterlagen. Allerdings beschränkt sich Heiko Droste auf die so genannten residierenden Diplomaten. Die zahlreichen diplomatischen Gesandtschaften, die ein wesentliches Merkmal schwedischer Außenpolitik waren, bleiben unberücksichtigt. Von den residierenden Diplomaten in schwedischen Diensten wurden wiederum nur die in Hamburg als einem wichtigen Zentrum der schwedischen Außenpolitik tätigen Diplomaten betrachtet.1 Insgesamt handelt es sich dabei um 115 Männer meist deutscher Herkunft, die prosopographisch erfasst werden.

Die Studie ist in drei Hauptteile gegliedert. Im ersten Hauptteil werden die theoretischen Methoden und Zugänge erläutert. Dabei kommen zunächst Staatsbildungstheorien der Frühen Neuzeit zur Sprache. Der Autor diskutiert eine Doppelfunktion des Hofes als Zentrum der Zentralverwaltung und der barocken Kultur. Er kritisiert die bisherige Vorherrschaft kunstgeschichtlicher Fragestellungen in der barocken Hofforschung als einseitige (S. 24) und misst dem Hof eine zentrale Rolle für die Ausübung frühneuzeitlicher Herrschaft bei. Diskutiert werden zentrale Begriffe wie z. B. der der Patronage für die Institutionalisierung von Herrschaft oder der des höfischen Lebensstils als wichtige Voraussetzung für den diplomatischen Dienst. Darauf erfolgt eine erste Einführung in das von Droste genutzte Quellenmaterial. Anschließend gibt der Autor einen gerafften Überblick über die Großmachtszeit Schwedens sowie über die Entwicklung der schwedischen Diplomatie im 17. Jahrhundert. Heiko Droste bearbeitet die Frage, wer Diplomat in schwedischen Diensten werden konnte anhand einer statistischen Erfassung der Diplomaten nach nationaler Herkunft, Stand, Länge der Dienstzeit usw., wobei er gewisse Karrieremuster nachzeichnet. Abgeschlossen wird der erste Hauptteil mit einer Einführung in die barocke Briefkultur am Beispiel des Hamburger Juristen Georg Schröttering, der letztlich erfolglos mit Hilfe seines Patrons Graf Nils Gyldenstolpe versuchte, Karriere in schwedischen Diensten zu machen. Damit wendet sich der Autor seiner zentralen Quelle zu, dem diplomatischen Briefverkehr als Bestandteil der barocken Briefkultur. Den Brief bezeichnet Heiko Droste als das „alltägliche Medium“ der Diplomaten, denn in den Briefen an den König, den Reichsadel sowie an andere Diplomaten und Krondiener erfüllte der Diplomat seine wichtigste Aufgabe als Korrespondent (S. 103). Briefe boten im 17. Jahrhundert die Möglichkeit, eigene und fremde Interessen in rhetorischer Form zu erörtern. Damit bietet die Briefkultur einen zentralen Schlüssel zum Verständnis der ständischen Lebenswelt. Heiko Droste kritisiert folgerichtig die Zurückweisung der Briefe im Kanzleistil durch die moderne Forschung.

Im zweiten Hauptteil erfolgt eine systematische Betrachtung der Lebenswelt der schwedischen Diplomaten. Damit wird der Stoff, der am Beispiel Schrötterings exemplarisch vorgeführt wird, in einen breiteren Kontext eingebettet. Zuerst werden die Voraussetzungen für den Krondienst analysiert. Diese umfassen zunächst die Ausbildung und Erziehung, die zum diplomatischen Dienst befähigen sollte, darüber hinaus aber auch Konfession, Sprache und Nationalität. Gerade die Konfessionsfrage ist trotz einer in Schweden mit der Staatsräson eng verbundenen lutherischen Orthodoxie weniger eindeutig, als man gemeinhin annehmen könnte. So beschäftigte die schwedische Krone sowohl Calvinisten, Katholiken und auch einzelne Juden außerhalb Schwedens. Die in schwedischen Diensten stehenden Diplomaten waren von religiöser Homogenität weit entfernt. Die Religionsfrage wurde jedoch aktuell, wenn es um die dauerhafte Einreise nach Schweden oder gar um Einheirat in den schwedischen Adel ging. Religiöse Fremdheit war ein wichtiges Argument, das gegen eine Aufnahme in den schwedischen Adel oder gegen eine Annahme bedeutender Hofämter sprach, nicht jedoch gegen die Annahme schwedischer Dienste außerhalb Schwedens. Der Autor kommt dann erneut auf die Korrespondenz der Diplomaten zu sprechen, die er als Investition des Diplomaten interpretiert mit dem Ziel, Teilhabe an den Ressourcen der schwedischen Krone zu erlangen. Hier verwendet Heiko Droste in überzeugender Weise Pierre Bourdieus Begriff des symbolischen Kapitals.2 Der zeitliche Abstand zwischen der Investition und der Entlohnung konnte allerdings viele Jahre umfassen, war also oft mit großen Risiken behaftet. Die Entlohnung konnte in verschiedener Form erfolgen, etwa durch die Auszahlung von Gehältern, durch Güterdonationen oder durch Nobilitierung. Wichtiger war jedoch der durch den Krondienst bestimmte Kredit, der die Ökonomie der Diplomaten geprägt hat und als eine Grundlage der höfischen Tauschkultur angesehen werden kann.

Der dritte Hauptteil ist mit „Institutionen“ überschrieben. Thematisch behandelt werden drei wesentliche Institutionen, die die ständische Lebenswelt ausmachten: Familie, Patronage und Bürokratie. Die Familie galt in diesem Zusammenhang als die am stärksten institutionalisierte Sozialbeziehung. Welche Reichweite verwandtschaftliche Beziehungen von Diplomaten insbesondere im Vergleich zur Patron-Klient-Beziehung hatten, erörtert Heiko Droste am Beispiel der Familienpolitik des bekannten Johan Alder Salvius, der einige Zeit in Hamburg residierte und als schwedischer Legat an den Friedensverhandlungen von Münster und Osnabrück teilnahm. Ungleich wichtiger für das Thema ist jedoch die Patronage, Ausdruck einer höfischen Tauschkultur, die alle Bereiche der Lebenswelt der Diplomaten berührte und sich wie ein roter Faden durch die Studie zieht. Dem Autor geht es primär um die konkreten Erscheinungsformen dieser Tauschkultur, um Patronage als Kulturform, um die Frage, wie das Verhältnis zwischen Patron und Klient in Briefen und Zeremonien gelebt und interpretiert wurde (S. 249). Die Patronage war ein System der Teilhabe am Herrschaftssystem der schwedischen Krone. Und sie nahm darüber hinaus in den entstehenden Staaten des 16. und 17. Jahrhunderts eine wichtige Funktion wahr, weil diese Staaten noch nicht in der Lage waren, vergleichweise stabile Beziehungen in politischen Institutionen zu begründen. Der Autor wirft der bisherigen Patronageforschung vor, dass der Stellenwert der Patronage in der jeweiligen sozialen Ordnung meist unklar bleibt, wofür eine moralisierende Sichtweise verantwortlich sei. Demgegenüber stellt Heiko Droste die These auf, dass die Patronage eine wichtige Stufe des Staatsbildungsprozesses darstelle.

An die Darstellung schließt sich ein biographisches Verzeichnis an, das ungenau als „Verzeichnis der Diplomaten Schwedens“ überschrieben ist (S. 377). Richtiger müsste es heißen „der schwedischen Diplomaten, die in Hamburg residiert haben“. Hier werden in Kurzbiographien die 115 Diplomaten in schwedischen Diensten vorgestellt, die im Bearbeitungszeitraum für eine kürzere oder längere Zeit in Hamburg nachgewiesen werden konnten. Damit liegt ein wichtiges Hilfsmittel vor, das man sich auch für andere Staaten und Städte wünschte.

Kritisch bleibt zu bemerken, dass sich der Autor zunächst schwer damit tut, eine These zu formulieren. Die eigentliche Fragestellung wird verstreut über die recht lange Einleitung (bis S. 56) und über die einzelnen Hauptkapitel entwickelt. Sehr scharfsinnig kritisiert Heiko Droste Theorien und Modelle des frühneuzeitlichen Staatsbildungsprozesses. Damit liefert er wichtige Denkanstöße. Allerdings bleibt er bei der Demontage des theoretischen Begriffs stehen, ohne einen alternativen Vorschlag zu präsentieren. Letztlich betont er, dass Patronage bei den Staatsbildungsprozessen zu berücksichtigen sei, was aber nicht unbedingt bestritten wird. Der Studie zugrunde liegt eine quellennahe historistische Vorgehens- und Betrachtungsweise. Eine besondere Stärke ist die exakte Arbeit mit den Quellen. Der Autor betont mit Recht die Bedeutung des barocken Kanzleibriefs als Quelle für die historische Forschung, die bisher zu wenig Aufmerksamkeit gefunden hat. Insgesamt hat Heiko Droste eine wichtige Studie verfasst, die anschaulich in die Welt der schwedischen Diplomatie einführt und damit ein wichtiges Kapitel der Großmachtszeit Schwedens beleuchtet. Gleichzeitig bietet sie einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über den Staatsbildungsprozess in der Frühen Neuzeit und darüber hinaus zum Verständnis des Netzwerks einer für diesen Prozess sehr wichtigen Funktionselite.

Anmerkungen:
1 Zur Stellung Hamburgs siehe Heiko Drostes Aufsatz: Hamburg – ein Zentrum schwedischer Außenbeziehungen im 17. Jahrhundert, in: Asmus, Ivo; Droste, Heiko; Olesen, Jens E. (Hrsg.), Gemeinsame Bekannte. Schweden und Deutschland in der Frühen Neuzeit (Publikationen des Lehrstuhls für Nordische Geschichte, Bd. 4), Münster 2003, S. 65-82.
2 Vergleiche etwa: Bourdieu, Pierre, Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital und soziales Kapital, in: Kreckel, Reinhard (Hrsg.), Soziale Ungleichheiten, Göttingen 1983, S. 183-198.

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