B. Wunder: Europäische Geschichte im Zeitalter der Französischen Revolution

Titel
Europäische Geschichte im Zeitalter der Französischen Revolution 1789-1815.


Autor(en)
Wunder, Bernd
Erschienen
Stuttgart, Berlin, Köln 2001: Kohlhammer Verlag
Anzahl Seiten
Preis
€ 25,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dr. Anja Victorine Hartmann, Institut fuer Europaeische Geschichte

Die historische Literatur zur Französischen Revolution, zur Napoleonischen Herrschaft und zu deren Auswirkungen auf das übrige Europa füllt Bibliotheken. Unter den unzähligen Titeln mangelt es auch nicht an wissenschaftlich fundierten und lesbaren Überblicksdarstellungen, von denen viele allerdings mittlerweile ein wenig betagt erscheinen, wie etwa - um nur zwei deutschsprachige Werke zu nennen - die "Klassiker" von Ernst Schulin 1 oder Elisabeth Fehrenbach 2 aus den 1980er Jahren. Eine neuere Überblicksdarstellung - und um eine solche handelt es sich bei Bernd Wunders Buch mit dem ambitionierten Titel "Europäische Geschichte im Zeitalter der Französischen Revolution" - ist deshalb prinzipiell zu begrüßen. Leider aber wird der Leser, der über die (politische) Ereignisgeschichte hinaus eine überzeugende Gesamtdeutung, eine Übersicht über aktuelle Forschungstendenzen oder eine eindringliche Darstellung erwartet, in jeder Hinsicht enttäuscht.

Der "Verlauf der Französischen Revolution und die Auswirkungen des Zeitalters Napoleons auf das damalige Europa" (10) stehen im Zentrum des Buches, und "die Revolution in Frankreich, der Export revolutionärer Errungenschaften durch Napoleon und die Reformen der siegreichen Mächte des Ancien Régime" (11) bilden die Trias, an der auch die Struktur der Darstellung orientiert ist. Auf einen knappen Einleitungsteil, in dem Sozialstruktur, Wirtschaft, Staatensystem und Innenpolitik der europäischen Staaten präsentiert werden, folgt eine gut 50-seitige (Kurz-) Geschichte der Französischen Revolution. Die beiden folgenden Teile behandeln die europäischen Kriege und die nachfolgenden staatlichen Restrukturierungs- und Reformprozesse, und den Abschluß bilden ein Abschnitt über "Das konstitutionelle Europa der Restauration von 1814/15" sowie eine dreiteilige Zusammenfassung, die erneut die drei Themen Revolution, Export der Revolution und Konstitutionalismus aufnimmt.

Die Trias von Revolution, Export der Revolution und Reform ist für Wunder allerdings mehr als nur ein Mittel zur Strukturierung der Darstellung, sie bildet vielmehr "eine Einheit, die der Modernisierung Europas zum Durchbruch verhalf" (11). In dieser Dreieinigkeit wird die Französische Revolution für Wunder zum "einheitlichen Prozeß" (211), der von "Lösung der zugrundeliegenden Finanzkrise im Sinne der aufklärerischen Freiheit" (212) über die "von Napoleon erzwungene Verbindung von starkem Staat und bürgerlicher Gesellschaft" (213 f.) zur konstitutionellen Monarchie führte, die ihrerseits als Wegbereiterin der parlamentarischen Demokratie vorgestellt wird. Die explizite Erläuterung dieser teleologischen Interpretation, mit der sich Wunder selbst in der doppelten Tradition von Jean Jaurès und Karl Marx positioniert, ist jedoch auf Einleitung und Zusammenfassung beschränkt und in den vorwiegend ereignisgeschichtlich strukturierten Kapiteln des Buches kaum verankert. Der "einheitliche Prozeß" bleibt damit im Stadium eines interpretatorischen Ansatzes stecken und gerinnt nicht zu einer überzeugenden Gesamtdeutung der Epoche.

Mit Ausnahme der genannten Erwähnung von Jaurès und Marx verzichtet Wunder weitgehend auf Verweise auf andere Historiker und deren Werke. Damit enthält er dem Leser einerseits die überaus interessante Geschichte der Geschichtsschreibung der Französischen Revolution vor, andererseits befreit er sich auch selbst von der Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit anderen Interpretationsansätzen und kann beispielsweise erklären: "Die Ereignisse von 1789-1815 liefen vor weitgehend gleichbleibenden ökonomischen, sozialen und mentalen Strukturen ab, die daher in dieser Epoche in den Hintergrund treten können" (10). Der gesamte Bereich der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, aber auch der Kultur- und Mentalitätsgeschichte der "Sattelzeit" wird damit ausgeblendet, obwohl gerade hier in den vergangenen Jahrzehnten viele neue Forschungsansätze verfolgt worden sind. Auch wer hofft, wenigstens im Bereich der Politikgeschichte hier neue und neueste Literatur rezipiert zu sehen, wird enttäuscht: Das immerhin 150 Titel umfassenden Literaturverzeichnis weist nicht mehr als vier Arbeiten auf, die nach 1996 erschienen sind. Dabei fehlen zudem auch ältere Standardwerke wie etwa die Darstellung von François Furet und Denis Richet von 1965 3.

Ärgerlich ist schließlich die Nachlässigkeit, mit der Autor und Verlag die sprachliche Gestaltung des Buches behandelt haben. "Ephemäre Neugründungen" (214), die "verratende Freiheit" (9) und die "traditionellen Geiseln der vorindustriellen Gesellschaft" (13) sind nur einige der zahlreichen Fehler, die eine flüssige Lektüre erheblich beeinträchtigen.

Anmerkungen:
1 Ernst Schulin, Die Französische Revolution, München 1988.
2 Elisabeth Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongress, 4. Auflage München 2001 (Oldenburg Grundriß der Geschichte Bd. 12).
3 François Furet, Denis Richet, La Révolution, Paris 1965 [deutsch u.d.T. Die Französische Revolution, Frankfurt am Main 1987].

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