D. Donald u.a. (Hgg.): Ordering the World in the Eighteenth Century

Cover
Titel
Ordering the World in the Eighteenth Century. Studies in Modern History


Herausgeber
Donald, Diana; O'Gorman, Frank
Erschienen
Houndmills 2006: Palgrave Macmillan
Anzahl Seiten
251 S.
Preis
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Martina Winkler, Stanford University

Der Titel des Buches ist in seiner Allgemeinheit etwas irritierend, doch das Interesse der Herausgeber wird schnell deutlich: In neun Kapiteln untersuchen die Beiträger dieses Buches die Ordnungs- und Rationalisierungssysteme der gebildeten Eliten im Großbritannien und Frankreich des 18. Jahrhunderts. Dabei stehen Fragen der Wissenschaftsgeschichte im Vordergrund, wenn Costica Bradatan sich mit der Philosophie Berkeleys und deren Bezügen zur Alchemie beschäftigt und Jonathan Simon die Kategorisierungssysteme der Mineraliensammler in Frankreich untersucht; die Welt der Encyclopédie wird in zwei Aufsätzen von David Adams und Judith Hawley analysiert und auf Methoden der Strukturierung und Systematisierung befragt. Barbara Anderman untersucht kunsthistorische Hierarchien bzw. Genreordnungen, Rosemary Sweet beschreibt Modelle und Realitäten von Familienstrukturen, Frank O´ Gorman konzentriert sich auf politische Weltbilder im langen britischen 18. Jahrhundert, und J.C.D.Clark blickt auf das Neben- und Miteinander von theo- und anthropozentrischen Weltbildern.

Dies ist einmal ein Sammelband, dem kein Mangel an Kohärenz nachgesagt werden kann. Alle Autoren verfolgen das gleiche Ziel: es geht ihnen darum, traditionelle, allzu schematische Vorstellungen vom 18. Jahrhundert zu hinterfragen und auf Komplexitäten, Vielfalt und scheinbare Widersprüche hinzuweisen. Genau darin liegt hier, so scheint mir, das Problem: Das Buch ist zu einheitlich. Die These vom gar nicht so ordentlichen 18. Jahrhundert wird in Diana Donalds Vorwort detailliert und grundsätzlich ausgebreitet – und danach in den folgenden Artikel wiederholt und illustriert. Neben den Versuchen, die Welt zu katalogisieren, zu systematisieren und rational zu erfassen, standen andere Ideen und Faktoren wie ästhetisches und religiöses Empfinden sowie soziale Strukturen. Im 18. Jahrhundert existierten Vorstellungen von göttlichen Wundern und festen Naturgesetzen nebeneinander und vertrugen sich dabei durchaus in einheitlichen Denksystemen. Der Wissenschaftler und Philosoph George Berkeley war stark von alchimistischen Ideen beeinflusst. Neben dem Idealmodell der Kernfamilie, die im Übrigen nicht erst im 18. Jahrhundert entstand, gab es weitere Konzepte familiären Zusammenlebens, und andere Netzwerke und Beziehungen konnten durchaus mit der Bedeutung der Kernfamilie konkurrieren. Die dem 18. Jahrhundert unterstellte Hierarchie künstlerischer Genres war im Grunde eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. In ihrer Detailorientiertheit sprechen die einzelnen Texte dabei zuweilen kaum mehr als ein extrem enges Fachpublikum an – die Sortierungssysteme von Mineraliensammlern an und für sich beispielsweise dürften den Allgemeinhistoriker des 18. Jahrhunderts nur insoweit interessieren, als sie etwas über das allgemeine Denken der Epoche aussagen. Da diese Aussage grundsätzlich bereits in der Einleitung und spezialisiert in allen anderen Artikeln des Buches formuliert wurde, wird das Weiterlesen eher mühsam.

So wichtig es für das Verständnis des 18. Jahrhunderts auch ist, die traditionellen Vorstellungen ebenso wie die postmodernen Bilder von Aufklärung zu hinterfragen und in der historischen Forschung mit Komplexitäten zu konfrontieren, so scheint es doch, dass die Autoren hier viele offene Türen einrennen. Die Erkenntnis, dass das 18. Jahrhundert nicht so systematisch, ordentlich, rational war wie gern behauptet wird, ist so neu und überraschend nicht; Grundlagenliteratur wie die Aufsätze von Robert Darnton oder auch die Säkularisationsdebatten sind hier einschlägig. Ebensowenig wird – im Grunde seit Kant – behauptet, das 18. Jahrhundert sei ein aufgeklärtes Jahrhundert; vielmehr ist weitgehend klar, dass das Konzept der Aufklärung als Prozess eine wichtige, sicherlich nicht ausschließliche Rolle spielte. Diese Erkenntnis mag in einem populären Geschichtsverständnis nicht unbedingt verankert sein, wie jeder Leiter eines Proseminars erfahren kann, der seinen Studenten die hartnäckige Überzeugung auszutreiben versucht, dass Aufklärung mit Atheismus gleichzusetzen sei. Doch ein so breites Publikum ist hier ganz offensichtlich nicht die Zielgruppe. Ein methodisches Problem, das mit dieser übertriebenen Darstellung eng zusammenhängt, ist die in einigen Texten zu findende Gleichstellung von 18. Jahrhundert und Aufklärung – wer solche Feindbilder aufbaut, kann sie natürlich leicht angreifen.

Insgesamt sind einzelne Artikel sicher für Spezialisten des jeweiligen Feldes - Gender, Philosophiegeschichte, Wissenschaftsgeschichte etc. - lesenswert, wurden hier doch viele Detailerkenntnisse zusammengetragen. Das gesamte Buch jedoch ist in seiner Aussage über den Charakter des 18. Jahrhunderts deutlich weniger originell und interessant als im Klappentext so vollmundig versprochen.

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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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