F. Trommler; E. Shore (Hgg.): Deutsch-amerikanische Begegnungen

Cover
Titel
Deutsch-amerikanische Begegnungen. Konflikt und Kooperation im 19. und 20. Jahrhundert


Herausgeber
Trommler, Frank; Shore, Elliott
Erschienen
Stuttgart u.a. 2001: Deutsche Verlags-Anstalt
Anzahl Seiten
456 S.
Preis
€ 35,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Isabell Cserno, University of Maryland, Department of American Studies

Die Beziehung zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Deutschland blickt auf eine lange und ereignisreiche Geschichte zurück, die vom transatlantischen Austausch in Politik, Wirtschaft, Erziehungswesen und Populärkultur geprägt ist. Der Sammelband ‚Deutsch-Amerikanische Begegnungen’ bietet einen detaillierten Einblick in die Geschichte deutsch-amerikanischer Verbindungen und schildert diesen interkontinentalen Austausch als einen komplexen Prozess von kulturellem und ideellem Austausch. Die zahlreichen Beiträge stammen aus der Feder von sowohl amerikanischen als auch deutschen Akademikern, Journalisten sowie Diplomaten und spiegeln die Vielfältigkeit deutsch-amerikanischer Begegnungen wider.

Die Artikel des Sammelbandes beruhen auf einer Konferenz, die 1999 in Philadelphia als Abschluss eines fünfjährigen Forschungsprojekts stattfand, das zum Ziel hatte, die Quellensammlung der German Society of Pennsylvania (Deutsche Pennsylvania Gesellschaft) zu erhalten. Diese Sammlung von zahlreichen historischen Primärquellen datiert bis in das Jahr 1817 zurück. Bei den einzelnen Texten des Bandes handelt es sich um Übersetzungen aus dem Englischen, da diese Publikation ursprünglich unter dem Titel ‚The German-American Encounter: Conflict and Cooperation between Two Cultures’ im selben Jahr wie die deutsche Übersetzung erschienen ist.

Die Texte in diesem Band sind in drei thematische Bereiche unterteilt. Teil I beschäftigt sich mit den sozialen und kulturellen Beiträgen deutscher Einwanderer zur US- amerikanischen Gesellschaft, während die Artikel in Teil II den Einfluss des amerikanischen Sozialwesens auf die deutsche Kultur behandeln. Im dritten und letzten Teil steht die Diskussion und kritische Analyse einer neuen transatlantischen Ordnung im Mittelpunkt. Im ersten Teil beschäftigen sich die Autoren vorwiegend mit historischen Interpretationen des Zeitabschnittes vom 18. Jahrhundert bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, während im zweiten und dritten Teil überwiegend Themen behandelt werden, die vor allem im späten 20. Jahrhundert von Bedeutung waren.

Der Sammelband wirft eine große Zahl von wissenschaftlichen Fragestellungen bezüglich deutsch-amerikanischer Beziehungen auf. Erfrischend ist, dass die Rolle des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust – Themen, welche die historischen Debatten über deutsche Geschichte und Kultur häufig dominieren – in eine historische und kulturell komplexe Darstellung deutsch-amerikanischer Beziehungen integriert ist. Der Band umfasst eine weite Spanne von Themen, die von einer Untersuchung des Einflusses der Achtundvierziger Revolution auf die deutsch-amerikanische Politik (James M. Bergquist: Die Achtundvierziger Katalysatoren deutsch-amerikanischer Politik) über die Bedeutung des Fordismus auf die deutsche Nachkriegswirtschaft (Volker R. Berghan: Fordismus und westdeutsche Industriekultur 1945-1989) bis zur Rolle von Hollywood Filmen in der deutschen Kultur reichen (Elliott Shore: Übersetzung als Gewinn: Hollywood-Filme und deutsches Publikum).

Trotz der detaillierten Analysen, die im Großteil der Publikation vorgenommen wird, existieren zahlreiche Leerstellen in dieser Sammlung, was bspw. die wissenschaftliche Erörterung von Geschlechterrollen anbetrifft wie auch die kritische Behandlung der Strukturen von Rassismus und Diskriminierung aufgrund von kultureller Herkunft und Zugehörigkeit. Günter H. Lenz und John Carlos Rowe erörtern im letzten Artikel des Bandes (Die Vermittlung kultureller Differenz: Multikulturalismus und die Internationalisierung der Amerikastudien) zwar die Bedeutung des Begriffs „Multikulturalismus,“ doch in vielen der vorhergehenden Essays wird die amerikanische Einwanderungs-Ideologie, welche die Realität einer multikulturellen Gesellschaft quasi voraussetzt, nicht immer kritisch genug hinterfragt. Kurz, die Erörterung der Diskrepanz zwischen Realität von Rassismus bzw. Fremdenfeindlichkeit in den USA und der nationalen Identität des „melting pot“ (oder der „diverse society“) ist in den meisten Beiträgen dieses Bandes nicht Teil der wissenschaftlichen Fragestellung.

Im Bezug auf Geschlechterstudien betreffende Fragestellungen findet sich nur ein Beitrag in diesem Band, in dem die Rolle von ‚gender’ eine zentrale Bedeutung für die Argumentation hat ( Patricia Herminghous: „Wohl auf Schwestern!“ Schnittpunkte der deutschen und der amerikanischen Frauenbewegung im 19. Jahrhundert). Nur wenige Autoren dieser Publikation behandeln Sexismus, wie auch Rassismus, als fundamentale Ideologien amerikanischer und deutscher Kultur und Gesellschaft.

Der Mangel an kritischer Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen schmälert jedoch nicht die Bedeutung dieses Buches. Vor allem in den ersten beiden Teilen leisten die Artikel einen wichtigen Beitrag zur Forschung über die historische Relevanz von Deutsch-Amerikanern und deutschem philosophischen Gedankengut in den Vereinigten Staaten von Amerika. Der Band ist eine exzellente Sammlung wissenschaftlicher Beiträge von einer enormen disziplinären Vielfalt. ‚Deutsch-Amerikanische Begegnungen’ stellen eine zentrale Ressource für jeden Wissenschaftler dar, der sich mit der komparativen Geschichtsschreibung beider Nationen beschäftigt. Die inhaltliche Vielfalt der Beiträge aus zahlreichen akademischen Fachbereichen als auch aus den Medien und politischen Zirkeln zeigt deutlich, dass das Gebiet der komparativen Kulturgeschichte ein wachsender Sektor der sozial- und humanwissenschaftlichen Wissenschaften ist; ein Gebiet, das komplexe Fragestellungen entwickelt und interdisziplinäre Dialoge in das Zentrum sowohl der Forschung als auch der populärwissenschaftlichen Kommunikation stellt.

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