J. Falcke: Studien zum diplomatischen Geschenkwesen

Cover
Titel
Studien zum diplomatischen Geschenkwesen am brandenburgisch-preußischen Hof im 17. und 18. Jahrhundert.


Autor(en)
Falcke, Jeannette
Erschienen
Anzahl Seiten
361 S.
Preis
€ 89,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jörg Ulbert, Université de Bretagne Sud

Jeannette Falckes Buch ist die Druckfassung ihrer von Notker Hammerstein betreuten und 2003 in Frankfurt am Main angenommenen Dissertation. Darin beschäftigt sie sich mit der Theorie und Praxis des diplomatischen Geschenkwesens. Als Untersuchungsobjekte dienen der Autorin dabei die vom brandenburgisch-preußischen Hof zwischen der Mitte des 17. und des Endes des 18. Jahrhunderts gemachten und erhaltenen Geschenke.

Falcke gliedert ihre Arbeit in drei Teile und elf Abschnitte. Die ersten vier dieser Abschnitte leiten die Untersuchung allgemein ein (S. 13-90). Hier werden Forschungsstand, Entstehung, Institutionalisierung, Finanzierung und Prachtentfaltung des frühneuzeitlichen Gesandtschaftswesens, dann die Bedeutung des Schenkens in der fürstlichen Tugendlehre und in der politischen Praxis und schließlich die Modalitäten der diplomatischen Geschenkpraxis erläutert. Danach folgt der Kern der Abhandlung. Anhand von sieben, chronologisch geordneten Beispielen – etwa einer Eisenschnittskulptur für den sächsischen Kurfürsten Johann Georg II., einem Bernsteinstuhl für Kaiser Leopold I., einem Bernsteinrahmen für Ludwig XIV. oder einem Porzellanservice für Katharina II. – erläutert die Verfasserin Anlass, Intention, Auswahl, Beschaffung und Überreichung des jeweiligen Geschenks (S. 91-200). Dabei richtet sie ihr besonderes Augenmerk auf die subtilen Botschaften, die dem Empfänger des Geschenks übermittelt werden sollten und die dieser nur dann verstehen konnte, wenn er über die gleichen kulturellen Referenzen wie der Sender verfügte. Die verbleibenden Abschnitte befassen sich mit der Bedeutung von Kunstgegenständen im höfischen Geschenkwesen im Allgemeinen (S. 244-254) und ihrer Instrumentalisierung im Dienste der Diplomatie im Besonderen (S. 255-306).

Die Arbeit liegt „im Schnittbereich historischer, soziologischer und kunsthistorischer Betrachtungsweisen“ (S. 15). Ausgehend von der aus der Soziologie entlehnten Annahme, Geschenke seien „Beziehungszeichen“, und unter Zuhilfenahme des neuen Analyseansatzes der historischen Bilderkunde werden hier künstlerische Erzeugnisse als Quelle für die seit einigen Jahren aufblühende Kulturgeschichte der Politik erschlossen. Dabei entsteht Erkenntnisgewinn für alle beteiligten Disziplinen. So wird jedes der von Falcke untersuchten Fallbeispiele von allen Seiten ausgeleuchtet.

Über einen Bernsteinstuhl (S. 108-122), den der Große Kurfürst 1678 Kaiser Leopold I. schenkte, erfährt der Leser nicht nur, warum die Wahl gerade auf dieses Geschenk fiel und weshalb eben jener Künstler mit der Ausführung betraut wurde, sondern bekommt ebenfalls Einblicke in die kurfürstliche Steuerung der Gestaltung des Kunstwerks. Dabei entschlüsselt die Autorin das ikonographische Programm, diese versteckte Grammatik der gestalterischen Elemente, mit der dem Empfänger eine ausgeklügelte Nachricht übermittelt werden sollte – in diesem Falle die Anerkennung der kaiserlichen Autorität bei gleichzeitig demonstrierter Unabhängigkeit des brandenburgischen Kurfürsten. Nachdem Leopold das Geschenk in Empfang genommen und seine Zufriedenheit durch Aufnahme in die kaiserliche Kunst- und Raritätenkammer bekundet hatte, ging es an der Wiener Hofburg nun an die Vorbereitung des Gegengeschenks. Bevor dieses – nämlich Reitpferde aus dem kaiserlichen Marstall – dem Großen Kurfürsten überreicht werden konnte, musste erst eine angemessene „Latenzzeit des In-der-Schuld-Stehens“ verstreichen (S. 121). Diese Zeitspanne zwischen Gabe und Gegengabe durfte nicht zu kurz ausfallen. Denn dann hätte der Eindruck entstehen können, der Empfänger des Geschenks wolle möglichst schnell eine ihm lästige Schuld abtragen. Eine Verzögerung der Gegengabe diente dazu, die „Fiktion der Einmaligkeit“, den Eindruck, dass das Erwiderungsgeschenk keine Bezahlung des ursprünglich erhaltenen Geschenks darstellte, aufrecht zu erhalten. Es durfte aber auch nicht zu viel Zeit verstreichen, denn dies hätte unhöflich wirken können. So verging letztlich ein halbes Jahr bis die kaiserlichen Reitpferde am brandenburgischen Hofe eintrafen. Dass die Wiener Hofburg damit nicht nur den Geschmack des Empfängers, sondern auch „den richtigen Zeitpunkt“ zur Überreichung gewählt hatte, zeigt die ebenfalls wohlwollende Aufnahme des Präsents durch den Großen Kurfürsten. Der Geschenkaustausch erfüllte zwar alle Anforderungen an den herrschenden Komment, erreichte das angepeilte Ziel jedoch nicht (S. 121), hatte sich der Brandenburger von seinem Geschenk doch ursprünglich erhofft, vom Kaiser mit Vorpommern belehnt zu werden (S. 118-119).

An diesem Beispiel zeigt sich die Fruchtbarkeit von Falckes Herangehensweise. Denn obwohl es sich bei ihrem Buch um eine Verlängerung jüngerer Studien zum Zeremoniell und diplomatischen Geschenkwesen und damit um eine stark kulturhistorisch geprägte Arbeit handelt, erliegt sie nie der Versuchung, die diplomatischen Aktivität auf ihre Repräsentationsdimension zu reduzieren. Wann immer nötig, bezieht sie den politischen Kontext mit ein. Das Ergebnis ist eine ausgewogene, immer interessante und äußerst innovative Studie.

Kritik kann allenfalls an Kleinigkeiten geübt werden. So ist die Behandlung einiger besonders anschaulichen Beispiele methodologisch zwar zweifellos angebracht, doch wäre, so die Quellen dies überhaupt zulassen, ein vollständiges Inventar aller in der betreffenden Zeit vom brandenburg-preußischen Hofe erhaltenen und gemachten Geschenke – auf das die Autorin explizit verzichtet (S. 18) – wünschenswert gewesen. Ein solches hätte das Ausmaß des Phänomens wohl besser greifbar machen können. Auch gibt es einige Ungereimtheiten bei französischen Quellenzitaten, die wohl auf Transkriptionsfehler zurückzuführen sind (z.B. S. 115, 130, 170, 177, 198, 253, 272, 279, 306). Zudem wird der Lesefluss zuweilen durch Länge und Frequenz der Zitate behindert. Hier erliegt die Autorin, wie sie selbst freimütig zugibt, immer wieder „dem Charme der Quellen“ (S. 20).

Doch trotz dieser kleinen Abstriche und trotz ihres gewaltigen theoretischen Unterbaus bleibt die Arbeit immer gut lesbar. Das lässt sich sowohl auf die treffende Formulierung als auch darauf zurückführen, dass Falcke mit 300 Seiten Text auskommt und damit unter Beweis stellt, dass auch komplexe Themen in einem leserfreundlichen Umfang behandelt werden können. Ein rundum gelungenes Buch also, in dem die Autorin ihrem selbst formulierten Anspruch, einen Beitrag „zu der immer noch ‚in statu nascendi‘ befindlichen Disziplin der historischen Bildkunde als Grundlagenwissenschaft einer modernen Kulturgeschichte“ zu leisten (S. 17), jederzeit gerecht wird. Für Brandenburg-Preußen im 17. und 18. Jahrhundert ist das Thema durch Falckes Arbeit wohl abgehandelt, doch für das Fach eröffnet Falcke ein weites Feld, das nicht nur geographisch sondern auch chronologisch ausgedehnt werden sollte.

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension