C. Frey: "Respekt vor der Kreativität der Menschen"

Cover
Titel
"Respekt vor der Kreativität der Menschen". Ilse Arlt: Werk und Wirkung


Autor(en)
Frey, Cornelia
Reihe
Frauen- und Genderforschung in der Erziehungswissenschaft 1
Erschienen
Anzahl Seiten
201 S.
Preis
€ 19,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christa Paulini, Fakultät für Soziale Arbeit und Gesundheit, Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst

Die Autorin beschreibt, dass sie in ihrer Tätigkeit als Dozentin für Methodenlehre der Sozialen Arbeit auf die Texte der österreichischen Fürsorgetheoretikerin Ilse Arlt gestoßen ist und von diesen Texte wichtige Anregungen für die Vermittlung systemischer Modelle und Grundlagen der Ressourcenorientierung erhalten hat. Sie schreibt: „Dies war für mich überraschend, weil Ilse Arlt von 1876-1960 gelebt hat und insofern in keinerlei direkten zeitlichen Zusammenhang mit der Entwicklung der von mir vermittelten Methoden steht“ (S. 9). In ihrem Buch will Cornelia Frey deshalb die Entwicklungslinien nicht nur nachzeichnen sondern auch die Verbindungslinien nachweisen, die von den Veröffentlichungen von Ilse Arlt (z.B. Grundlagen der Fürsorge 1921) bis zu den heute aktuellen Entwicklungen innerhalb der Methodenlehre führen. Motiviert wurde sie auch durch die zentrale Maxime von Ilse Arlt, die immer vertreten hat, dass es Aufgabe der Sozialarbeiterinnen ist „Lebensfreude zu steigern, statt Leiden lindern“. Cornelia Frey stimmt dieser Maxime zu, denn sie selbst ist der Meinung, dass „Sozialarbeiterinnen (....) nicht ‚Verwalterinnen des Elends’ sein, sondern durch engagiertes Arbeiten – auch unter erschwerten Bedingungen – ihren Klientinnen neue Lebensperspektiven eröffnen (sollten)“ (S. 9) und so ihre Gestaltungsmöglichkeiten nutzen, um ihren KlientInnen ein gelingendes Leben zu ermöglichen.

Im ersten Kapitel geht die Autorin der Frage nach, welche Verbindungslinien zwischen den um 1920 entwickelten Ideen Ilse Arlts und bestimmten systemischen Konzepten der Sozialen Arbeit bestehen. Hierbei wird – so die Autorin - deutlich, dass Ilse Arlt eine „herausragende Fürsorgetheoretikerin und Gründerin der ersten Fürsorgeschule Österreichs“ (S. 11) war, die sich genauer mit dem Verhältnis Armut und Gedeihen beschäftigt hat und dies an drei Bezugspunkten genauer ausführt: der Armutsforschung, der Beschäftigung mit den Bedürfnissen von Menschen und den Methoden der Bedürfnisbefriedigung. Anschließend stellt Cornelia Frey den Forschungsstand und die Quellenlage dar, die durch die Situation beeinflusst wird, dass „die umfangreichen Sammlungen aus dem Besitz Ilse Arlts 1938 durch die Nationalsozialisten vernichtet worden sind“ (S. 26). Jedoch kann die Autorin auf andere Quellen (z.B. unveröffentlichte Autobiographie von Ilse Arlt, Archivunterlagen, Protokolle und Arbeiten von Schülerinnen etc.) für ihre Arbeit zurückgreifen.

Im zweiten Kapitel beschäftigt sich Cornelia Frey näher mit Ilse Arlt im Kontext ihrer Zeit. Hier zeigt die Autorin Ilse Arlt und ihren Werdegang im biographischen (Familie, Ausbildung), sozialgeschichtlichen (soziale Situation in Wien, Reformbedarf und Schulgründung) und theoretischen Kontext (zeitgenössische Theorien der Armutsforschung) intensiver auf und schließt das Kapitel mit einer Einschätzung der einzelnen Faktoren, die letztendlich dazu beigetragen haben, dass Ilse Arlt auf dem Gebiet der Armutsforschung anerkannte Expertin in Österreich wurde, die nicht nur als Schulgründerin anerkannt wurde sondern auch vom österreichischen Staat als „Bundesfürsorgerat“ ausgezeichnet wurde, „eine Ehrung, die von ihr als ‚Titel ohne Mittel’ bezeichnet wurde (S.69).

Im dritten Kapitel geht die Autorin näher auf die von Arlt entwickelte Fürsorgetheorie und den aufgezeigten Zusammenhang von Armut und Bedürfnisbefriedigung, die Störungen des „Gedeihens“ und die Konsequenzen, die Arlt für die Armutsforschung sowie für die Ausbildung der von ihr ausgebildeten Volkspflegerinnen zieht. Arlt formuliert als Lehrziele „das Verständnis für die Armut, ihre Ursachen und ihre Wirkungen zu wecken“ (S. 86) sowie sich „Abhilfemaßnahmen anzueignen und Wege zu ihrer Durchführung kennen zulernen“ (S. 86). Hierher gehört für Arlt u.a. der „Respekt vor der Kreativität der Menschen“ (S. 89), der forschende Blick und die Bewusstheit über die eigne Rolle als Beobachtende. Das Kapitel schließt mit den zehn Eckpunkten der Theorie, die die Orientierung an den Bedürfnissen, dem menschlichen Gedeihen, der Lebensfreude ebenso beinhalten wie die Forderung nach Dezentralisierung, Evaluation und Partizipation der Hilfebedürftigen.

Im vierten Kapitel vergleicht Cornelia Frey den Ansatz von Ilse Arlt mit dem ihrer Zeitgenossen/innen am Beispiel von Christian J. Klumker, Alice Salomon, Gertrud Bäumer, Marie Baum und Hermann Nohl. Nach einer kurzen Darstellung des biographischen Hintergrunds der o.g. Personen fokussiert die Autorin den Vergleich auf den Ebenen Problemverständnis, Menschen- und Gesellschaftsbild, Stellenwert von Methoden und Aussagen zur Professionalisierung. Dies ist einerseits interessant zu lesen, jedoch leidet dieses Kapitel darunter, dass die Autorin die Kriterien, die zur unterschiedlichen Gewichtung der einzelnen Personen geführt haben, nicht deutlicher macht.

Im fünften Kapitel geht die Autorin näher auf systemtheoretische Konzepte in der Sozialen Arbeit ein und spannt damit den Bogen zwischen „Vergangenheit und Gegenwart“ (S. 130). Sie vertritt dabei, dass Gemeinsamkeiten zwischen Systemtheorie als auch Arlts Fürsorgetheorie schon dadurch sichtbar werden, „da beide sich nicht der starren Einteilung in Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften unterwerfen, sondern statt der Unterschiedlichkeit den gemeinsamen erkenntnistheoretischen Rahmen betonen“ (S. 131). Nach dieser Darstellung der „systemischen Konzepte in ihren Ausprägungen Ressourcenorientierung, Empoverment und Salutogenese“ zeigt Cornelia Frey im sechsten Kapitel die Verbindungslinien der Systemischen Ansätze und den Hauptelementen des Ansatzes von Ilse Arlt nochmals schlüssig auf und eröffnet damit spannende Schlussfolgerungen.

Das vorliegende Buch von Cornelia Frey stellt eine interessante Verbindung her zwischen dem Werk von Ilse Arlt als bisher vergessene Pionierin der Sozialen Arbeit in Österreich und dem systemischen Ansätzen in der Sozialen Arbeit der Gegenwart. Es ist ein Buch, das von Lehrenden und Beschäftigten in der Sozialen Arbeit und geschichtlich interessierten Fachkräften gelesen werden sollte. Als Kritik ist anzumerken, dass Ilse Arlt leider als Person im Vergleich zur Darstellung ihres Werkes zu sehr im Hintergrund bleibt. Wobei anzunehmen ist, dass dieses Vorgehen der Quellenlage geschuldet ist. Hier hätte ein Hinweis der Autorin Klarheit schaffen können. Teile des Buches – so z.B. im vierten Kapitel - sind für sich interessant aber in sich zu unverbunden. Insgesamt stellt das Buch von Cornelia Frey jedoch eine interessante Lektüre dar.

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