F. Jung (Hg.): Kirchengeschichte Glatz

Titel
Auf dem Weg durch die Jahrhunderte. Beiträge zur Kirchengeschichte der Grafschaft Glatz


Herausgeber
Jung, Franz
Erschienen
Münster 2005: Selbstverlag
Anzahl Seiten
224 S.
Preis
€ 14,02
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Gregor Ploch, Katholisch-Theologische Fakultät, Universität Wien

Es liegt schon lange zurück, dass ein umfassendes Kompendium der Glatzer Kirchengeschichte verfasst wurde, nämlich im Jahre 1841, dem nur vereinzelte thematische Ergänzungen folgten. So ist es nicht verwunderlich, dass sich der Herausgeber, Prälat Franz Jung, den festen Vorsatz nahm, diese Lücke in der Geschichtsschreibung der heute zur polnischen Diözese Schweidnitz gehörenden Grafschaft zu schließen. Nach einigen Redaktionsjahren ist es ihm gelungen, zusammen mit zehn weiteren Autoren ein Buch zu präsentieren, das sich diesen Erwartungen stellt. Freilich kann es sich nicht um ein detailliertes, wissenschaftliches und lückenloses Gesamtwerk handeln. Die Arbeit soll eine allgemeinverständliche Darstellung der Kirchengeschichte dieser Region liefern und Grundlagenwissen vermitteln, das zu einem weiteren vertiefenden Studium anregen könnte. Deshalb wurde eine möglichst knappe Schilderung gewählt und einige „ruhigere Zeiträume“, so z.B. zwischen der Säkularisation und dem Kulturkampf, ausgelassen.

Die Untersuchung setzt um 400 v. Chr. an, bei der der erste Autor, Hans Veit, einen detaillierten völkergeschichtlichen Streifzug durch die Jahrhunderte macht und die besondere Prägung der Glatzer durch böhmische, mährische und schlesische Einflüsse behandelt. Den Beginn der Kirchengeschichte setzt Veit mit den Missionszügen des heiligen Adalbert an. Veit analysiert ausführlich die Folgen der Ströme deutscher Siedler, die alleine im 13. Jahrhundert zu 400.000 gekommen sind. Daher setzte eine Entwicklung ein, die kulturell und kirchlich gesehen zur Blüte führte, wie Horst-Alfons Meißner und Otto Menzel ausführen. An Freiwilligen, die nach Osten auswandern wollten, mangelte es nicht, da die böhmischen Herrscher den Neusiedlern mit Privilegien entgegenkamen. Politische Aufwertung erfuhr Böhmen unter den Luxemburgern, die die Loslösung Prags von Mainz und die Errichtung einer eigenen Erzdiözese durchsetzten.

Diesem Kapitel folgt eine Untersuchung von Arno Herzig über die religiösen Auseinandersetzungen, zunächst in den Hussitenkriegen, dann in Reformation und Konfessionalisierung. Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges war das 1459 zu Grafschaft erhobene Land nahezu vollständig protestantisch, was aber durch gewaltsame Rekatholisierungsversuche geändert wurde. Die Rolle der Gesellschaft Jesu dabei wird sehr genau behandelt, denn die „Geschichte der Jesuiten ist auch eine Geschichte der Grafschaft Glatz“ (S. 79), wie Jung bemerkt. Dies zeigt sich in der bis heute gebliebenen barocken Kirchenlandschaft. Es folgen kurze Bemerkungen zu den Jesuitenmissionaren des 17. und 18. Jahrhunderts (Rudolf Grulich), eine Charakterisierung des bedeutenden Großdechanten Hieronymus Keck (Dieter Pohl) und ein kunsthistorischer Exkurs von Elsbeth Pohl.

Sehr skeptisch beurteilt Johannes Nitsche die Folgen für das kirchliche Leben nach dem Übergang von habsburgischer zu preußischer Herrschaft, da Friedrichs II., summepiskopale Auffassung für den Klerus einen schweren Eingriff in die Autonomie der Kirche bedeutete. Nach einem kurzen Einschub von Georg Jäschke über die Säkularisation überspringt das Buch gezielt mehr als ein halbes Jahrhundert und setzt schwerpunktmäßig am Beginn des Kulturkampfes wieder an. Michael Hirschfeld analysiert sehr ausführlich die Entwicklung des „katholischen Milieus“ und der Entstehung des „politischen Katholizismus“ mit einer Fokussierung auf die Staat-Kirche-Beziehung sowie die Situation der Glatzer Katholiken und beleuchtet die Folgen des Ausbaus des sozialkaritativen Netzes für die Bevölkerung. Auch der Beitrag des Glatzer Klerus für die Wissenschaft und Kultur wird hervorgehoben. Gründlich setzt sich Hirschfeld dabei mit der Situation während der Weimarer Republik und mit dem Problem auseinander, das durch die Gründung der Tschechoslowakei entstanden ist, da es die Tendenz gab, die Grafschaft in dieses Land einzugliedern.

In einem zweiten Artikel beschäftigt sich Hirschfeld mit der seelsorglichen Sammlung der vertriebenen Glatzer in der Bundesrepublik. So baute Großdechant Monse eine gut funktionierende Vertriebenenseelsorge für die Glatzer auf, die sich in unterschiedlichen Betätigungsfeldern auszeichnete. Dazu gehörten die Unterstützung des Priesternachwuchses, Aufbau einer Jugendorganisation, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und schließlich Wallfahrten. Hirschfeld untersucht den Verlauf bis in die gegenwärtige Zeit und streift nur kurz die Situation der in der Heimat verbliebenen deutschen Glatzer. Das ist bewusst so gehalten, da sich das Buch nach 1945 auf die vertriebenen deutschen Grafschafter konzentriert und lediglich den Hinweis gibt, dass das Glatzer Land nach 1972 ein Teil der polnischen Erzdiözese Breslau / Wrocław wurde und 2004 dem neu entstandenen Bistum Schweidnitz unterstellt wurde.

Dieter Pohl gibt am Ende einen Überblick über die in der Grafschaft tätigen katholischen Würdenträger, dem ein Nachtrag über das Verhältnis von Schlesien und der Grafschaft Glatz folgt.

Fazit: Das Buch besticht durch seinen knappen Umfang und gibt dennoch einen guten und fundierten Überblick über die wichtigsten kirchenhistorischen Epochen. Die klare Sprachform und der Verzicht auf Fußnoten sowie die Auflistung weiterführender Literatur über die jeweilige Zeit gewähren einen leicht lesbaren Einblick. Auch wenn die Publikation den Eindruck erweckt, populärwissenschaftlich geschrieben worden zu sein, so präsentieren die Autoren ihre recherchierten Ergebnisse nach tiefgründiger Arbeit, wodurch diese auch für den Historiker von Interesse sein dürfte. So lässt sich letztendlich sagen, dass das vom Herausgeber gestellte Ziel, Grundlagenwissen zu vermitteln, gut erreicht wird.

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