Cover
Titel
On the Way to Whiteness. Christianization, Conflikt and Change in Colonial Ovamboland, 1910-1965


Autor(en)
Miettinen, Kari
Reihe
Bibliotheca Historica 92
Anzahl Seiten
370 S.
Preis
€ 29,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Hanna Sonkajärvi, Europäisches Hochschulinstitut Florenz

Die Geschichte Namibias hat in den letzten Jahren verstärkt öffentliche Aufmerksamkeit erfahren, als anlässlich des hundertsten Jahrestags des Herero-Krieges (1904) mehrere Publikationen erschienen, die sich mit dem Völkermord befassten. Wenigen Nicht-Experten der Kolonialgeschichte dürfte jedoch bekannt sein, dass finnische lutherische Missionare im Ovamboland tätig waren. Sie arbeiteten auf Einladung der Rheinischen Missionsgesellschaft seit 1870 in dem von der Kolonialverwaltung kaum erschlossenen Gebiet im Norden des damaligen Deutsch-Südwest-Afrika.

Vornehmlich aufgrund sprachlicher Barrieren ist die Geschichte der finnischen Missionsgesellschaft vor allem durch finnische ForscherInnen untersucht worden.1 Während es zu den verschiedensten Aspekten dieser Präsenz eine Vielzahl von Magister- und Doktorarbeiten in finnischer und schwedischer Sprache gibt, sind Arbeiten in anderen Sprachen äußerst rar geblieben.2 In dieser Hinsicht ist die englischsprachige Studie von Kari Miettinen, entstanden als Dissertation an der ostfinnischen Universität Joensuu, sehr zu begrüßen.

Das Interesse Miettinens gilt dem Christianisierungsprozess in der Periode von 1910 bis 1965. Er fragt danach, warum die Ovambo zum lutherischen Glauben konvertierten und welche Konsequenzen die Konversion nach sich zog. Ziel ist es, die Interaktionen zwischen den Missionaren und den Ovambo darzulegen. Angesichts dieser Zielsetzung überrascht es, dass sich Miettinen, neben der quantitativen Analyse der Gemeinderegister, auf die Auswertung der Korrespondenzen zwischen den Missionaren und der Helsinkier Missionsleitung sowie auf die Jahresberichte der Missionare beschränkt. Begründet wird diese Auswahl damit, dass die Arbeit der Missionare vor Ort in Ovamboland stärker durch die aus dem offiziellen Austausch ersichtlich werdenden Leitideen beeinflusst gewesen sei, als durch die persönlichen, womöglich „dissidenten“ (S. 27) Ideen der jeweiligen Missionare. Gerade aus der nicht an die Missionsleitung gerichteten Korrespondenz wäre jedoch ersichtlich geworden, dass nicht nur zwischen der Leitung der Missionsgesellschaft in Helsinki und den Missionaren auf dem Feld, den finnischen Missionsangestellten und der Kolonialverwaltung, zwischen den einzelnen Missionaren, als auch zwischen den Predigern und dem übrigen Missionspersonal (z.B. Lehrerinnen und Krankenhauspersonal) erhebliche Spannungen bestanden. Es ist daher zu bezweifeln, dass diese Konflikte durch den offiziellen Diskurs zu erschließen sind. So ist etwa bekannt, dass das Direktorat in Helsinki die öffentlichen Äußerungen der Missionare in den damaligen Medien zu kontrollieren versuchte.3 Aufgrund der Beschränkung auf die offizielle Rhetorik müssen die Bemühungen Miettinens, den Konversionsprozess zu erklären, an der Oberfläche bleiben.

Einer allgemeinen Einleitung, die eine knappe Erörterung des Forschungstands und der Untersuchungsziele und -methoden beinhaltet, folgt im zweiten Kapitel ein ausführlicher Bericht über das Ovamboland und die lokalen Gesellschaften. Betrachtet werden geografische und demografische Aspekte der Untersuchungsregion, das soziale und politische Gefüge der lokalen Bevölkerungsgruppen, die Rolle der Gewalt in diesen Gemeinschaften, religiöse Vorstellungen und Kontakte mit den ersten Europäern sowie die Anfänge der Arbeitsmigration. Im dritten Kapitel untersucht Miettinen zunächst die Ziele der Missionare. Gefragt wird, welches Bild die Missionare von der Ovambo-Kultur hatten und welche Aspekte dieser Kultur die Christen ablehnen sollten. Der Autor zeichnet das von den Missionaren entwickelte Idealbild des christlichen Ovambo nach und untersucht die Mittel, mit denen diese Verwandlung vollgebracht werden sollte. Überdies geht er auf die gegenseitigen Wahrnehmungen der Missionare und der lokalen Bevölkerung ein. Miettinen zeigt einerseits, wie die Missionare Synkretismus ablehnten und das Idealbild eines finnischen Lutheraners als Maßstab für religiöses und moralisches Benehmen eines Ovambo-Christen nahmen. Andererseits trugen Vorstellungen rassistischer und kultureller Überlegenheit dazu bei, die innere Überzeugung der Konvertiten in Zweifel zu ziehen und die Neuchristen als nicht gleichwertig zu betrachten. Die Sicht der Ovambo auf die Missionare wird fast ausschließlich auf der Grundlage von Missionsberichten beleuchtet. Miettinen sucht hier nach Belegen für Vertrauen oder Misstrauen gegenüber dem Missionspersonal.

Im vierten Kapitel kommt Miettinen auf sein Hauptthema, die Analyse der Konversionen, zu sprechen. Anfang der 1960er-Jahre war etwa die Hälfte der Bevölkerung konvertiert, wobei die Konversionen in zwei Wellen (die erste in den 1920er-Jahren und die zweite in den 1940er und 1950er-Jahren) verliefen. Miettinen beschränkt sich hier auf die Diskussion einiger weniger Theorien aus den 1970er-Jahren und fährt dann mit einer quantitativen Auswertung der Gemeinderegister fort. Er lehnt die Interpretation ab, wonach die erste Welle der Konversionen in den 1920er-Jahren mit den schweren Hungersnöten der Jahre 1915/16 zu erklären sei. Stattdessen betont Miettinen die Bedeutung der Niederschlagung eines Aufstandes in Uukwanyama durch die Südafrikanischen Truppen im Jahr 1917. Die Tatsache, dass der König von Uukwanyama bei dieser Angelegenheit umgekommen war, hätte die Konversionsbereitschaft gerade in diesem Herrschaftsgebiet deutlich gesteigert. Damit werden die Konversionen als Teil einer Überlebensstrategie begriffen. Interessant ist der Befund, dass die Konversionsbereitschaft nach der ersten Konversionswelle in den 1920er-Jahren in den 1940er und 1950er-Jahren nochmals anstieg, vermutlich weil einheimische Missionare seit den 1930er-Jahren eingesetzt wurden. Die paternalistisch eingestellten finnischen Missionare hatten sich lange Zeit gegen diesen Schritt gewehrt, da viele von ihnen der Ansicht waren, dass die Ovambo aufgrund ihrer kulturellen Disposition keine guten Christen sein könnten. Weiterhin diskutiert werden hier Faktoren wie Bevölkerungswachstum, Schulbildung, Arbeitsmigration 4 sowie die Vorbildfunktion der Ovambo Könige.

Das fünfte Kapitel behandelt die Auswirkungen der Konversionen auf die lokale Bevölkerung. Der Autor betrachtet, wie sich das Verhältnis zwischen Christen und Nichtchristen gestaltete, wie sich der christliche Glaube zu den traditionellen Geschlechterverhältnissen verhielt und wie das Verhältnis von Missionaren zu den lokalen Eliten war. Im Licht dieser Untersuchung erscheinen die finnischen Missionare viel weniger tolerant gegenüber den lokalen Praktiken als die seit 1924 mit Erlaubnis der südafrikanischen Administration ebenfalls im Ovamboland tätigen Anglikaner und Katholiken.

Insgesamt bietet das Buch eine detailreiche, jedoch wenig innovative Darstellung der Geschichte finnischer Missionare im Ovamboland. Aufgrund der missionarsbetonten Perspektive erscheint die Untersuchung etwas statisch und vermag analytisch nicht immer zu überzeugen. Der Missionar, dieser Eindruck entsteht, agiert eher über der Gesellschaft als in der Gesellschaft. Damit geraten in der Analyse des Christianisierungsprozesses die Aktionen und Interessen der zu christianisierenden Bevölkerung aus dem Blick.

Anmerkungen:
1 Zu den finnischen Quellen siehe den finnisch-englischen Archivführer von: Eirola, Martti, Namibiana in Finland I: Opas suomalaisiin Namibiaa ennen vuotta 1938 koskeviin arkistolähteisiin / Guide to the Finnish Archival Sources Concerning Namibia before 1938, Joensuu 1985.
2 Vor allem Eirola, Martti, The Ovambogefahr. The Ovamboland Reservation in the Making. Political Responses of the Kingdom of Ondonga to the German Colonial Power 1884-1910 (Studia Historica Septentrionalia 22), Rovaniemi 1992; Siiskonen, Harri, Trade and Socioeconomic Change in Ovamboland, 1850-1906 (Societas Historica Fennica. Studia Historica 35), Helsinki 1990.
3 Miettinen (S. 33) erwähnt diesen Sachverhalt ebenfalls.
4 Es empfiehlt sich, die Lektüre dieses Buches mit der der Arbeit von M. McKittrick zu verbinden: McKittrick, Meredith, To Dwell Secure. Generation, Christianity, and Colonialism in Ovamboland, Portsmouth 2002. Der Autorin gelingt es in einer vorwiegend auf Oral History basierenden Arbeit, den Christianisierungsprozess im Verhältnis zu dem Massenphänomen Wanderarbeit und im Kontext des Generationenkonflikts zu betrachten und auf eine überzeugende Weise darzulegen.

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