C. Hruschka: Kriegsführung und Geschichtsschreibung im Spätmittelalter

Titel
Kriegsführung und Geschichtsschreibung im Spätmittelalter. Eine Untersuchung zur Chronistik der Konzilszeit


Autor(en)
Hruschka, Constantin
Reihe
Kollektive Einstellung und sozialer Wandel im Mittelalter 5
Erschienen
Köln u.a. 2001: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
445 S.
Preis
€ 51,-
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Malte Prietzel, Institut für Geschichtswissenschaften der HU Berlin

Die vorliegende Dissertation reiht sich in eine Anzahl von Arbeiten ein, die in den letzten Jahren im Umfeld eines Würzburger DFG-Projekts entstanden sind. Das generelle Ziel der Forschergruppe wie der aus ihr hervorgegangenen Schriften geht prägnant aus dem Namen des Gesamtvorhabens hervor: Es geht um das „Bild des Krieges im Wandel vom späten Mittelalter zur Frühen Neuzeit“. Hruschka konzentriert sich in seinem Buch darauf, die Veränderungen in den Auffassungen vom Krieg anhand von vier Chroniken zu untersuchen, die drei Gemeinsamkeiten aufweisen: Zum Ersten waren ihre Autoren Geistliche, zum Zweiten entstanden die Werke im 15. Jahrhundert, zum Dritten wurden sie zunächst auf Lateinisch abgefasst und dann in die Volkssprache übersetzt. Es handelt sich erstens um die „Chronica pontificum et imperatorum Romanorum“ des Andreas von Regensburg und deren Übersetzung von Leonhard Heff; zweitens um die ebenfalls von Andreas verfasste und übersetzte „Chronica de principibus terrae Bavarorum“; drittens um die „Chronica novella“ des Lübeckers Hermann Korner und die vom Autor selbst stammende Übertragung; viertens um die „Chronica episcoporum Monasteriensium“ eines anonymen Verfassers und deren zwei Übersetzungen, deren Urheber ebenfalls nicht bekannt sind.

Die Darstellung beginnt mit einleitenden Ausführungen zu Zielsetzung und Vorgehen sowie der quellenkritischen Einordnung der Autoren und ihrer Werke. Es folgen drei Kapitel, die sich jeweils einem Kriegstyp widmen: den „spätmittelalterlichen Kreuzzügen, den „regionalen Konflikten“ und dem „großen Krieg“, überregionalen Konflikten, an denen ganze Königreiche oder die Hanse beteiligt waren. Ein weiterer Abschnitt beschäftigt sich mit den Anschauungen der Autoren über die mittelalterliche Gesellschaft, z. B. jenen über die Rolle des Klerus und der Herrscher. Eine Zusammenfassung beschließt die Darstellung. Im Anhang beigefügt sind Materialien. Es handelt sich dabei vor allem um bislang ungedruckte Passagen aus den Werken von Leonhard Heff und Hermann Korner. Diese sind aber in keiner Weise kommentiert, auch die erwähnten Personen sind nicht identifiziert, ihre Namen finden sich ferner nicht im Register.

Wie aus dieser Gliederung ersichtlich, sortiert Hruschka unter die drei Kriegstypen und die im Zusammenhang damit behandelten Einzelfragen jeweils die ihn interessierenden entsprechenden Aussagen der einzelnen Autoren. Er entscheidet sich mithin gegen eine Möglichkeit, die es grundsätzlich gegeben hätte, nämlich diejenige, die Werke jeweils einzeln für sich im Hinblick auf die interessierenden Aspekte abzuhandeln und dann erst miteinander zu vergleichen. Dieser Entschluss ist methodisch durchaus zu verteidigen. Doch darstellerisch wird er zum Problem. Die Leser/innen stolpern verwirrt zwischen Detailaussagen herum, die bald dem einen, dann einem anderen Chronisten gelten. Denn es mangelt dem Buch an sprachlicher und gedanklicher Präzision.

Immer wieder sind Ausdrücke schief oder unglücklich gewählt. Huizingas „Herbst des Mittelalters“ z. B. will Hruschka offensichtlich loben, nennt es aber „genialisch“ statt „genial“ (S. 14, Anm. 3). Auch findet man Sätze wie: „Das heißt im Rahmen ihrer Anlage werden alle Chronisten gegen Ende des Erzählzeitraums breiter.“ (187f.) Oder: „Die Gewalt hat in den kriegerischen Auseinandersetzungen des Spätmittelalters große Bedeutung.“ (S. 196).

Die Gedankenführung ist immer wieder umständlich. Hruschka überlegt z. B., wie denn ein Chronist rechtfertigen könne, dass ein Geistlicher wie der Bischof von Münster Krieg führen dürfe. Er erwähnt das biblische „Auge um Auge“ und Augustinus, blickt voraus auf Grotius, um dann zu konstatieren, dass sich münstersche Chronisten über das Recht des Bischofs zur Kriegführung keine Gedanken machten – eine Feststellung, welche die Erörterung theologischer und philosophischer Konstruktionen doch zumindest wenig dringlich erscheinen lässt. Dann untersucht Hruschka kurz die Wortwahl der Chronisten, kommt darüber zum Krieg als Herrenrecht und von diesem zu den Kreuzzügen. Erst dann kommt ein kurzer Hinweis, dass die Bischöfe auch weltliche Fürsten waren – was doch für die Praxis des späten Mittelalters und mithin für die Einstellungen des Chronisten von größter Bedeutung war (S. 156f.); aber dieser Sachverhalt wird dann gar nicht weiter ausgeführt.

Die Einordnung von Textstellen erfolgt häufig recht schematisch. Kleine Textstellen werden mit großen Ideen verknüpft; die Analyse bleibt dabei oft insofern textimmanent, als Hruschka die Kommunikationssituation wenig beachtet. Er argumentiert häufig nur mit dem Wortlaut der Quelle, setzt diesen nicht in Relation dazu, was denn wirklich passiert war, was der Chronist davon überhaupt wissen konnte, was und wie er davon berichten wollte. Nur ein Beispiel: Hruschka verweist auf eine Erwähnung in Korners Chronik, die Holsteiner seien in einem Gefecht gegen die Dänen wegen deren Übermacht unterlegen. Diese Äußerung des Chronisten kommentiert Hruschka damit, hier finde sich statt des biblisches Topos von David und Goliath die Beobachtung, „daß eine größere Menschenmenge im Krieg, wenn sie sich denn taktisch klug verhält, oft das bessere Ende für sich hatte.“ Er schlussfolgert: „Dies ist ein Fall, der schon renaissancehafte Züge aufweist in der Ausschaltung christlicher Glaubensmuster durch empirische Beobachtungen“ (S. 172). Doch musste nicht erst die Renaissance anbrechen, damit die Kriegsführenden zur Erkenntnis gelangten, dass Unterlegenheit an Zahl einen militärischen Sieg zumindest erschwerte. Auch blieb den Zeitgenossen nicht die Einsicht verschlossen, dass (tatsächliche oder angebliche) numerische Unterlegenheit eine gute Entschuldigung für eine Niederlage war. Auch wenn also die Holsteiner wirklich an Zahl unterlegen waren und mithin die Äußerung des Chronisten auf „empirischen Beobachtungen“ beruht, so bleibt doch die Tatsache bestehen, dass Korner die Niederlage implizit entschuldigt. Wollte er das oder übernahm er ohne Überlegung die Wertung seiner Gewährsleute? In jedem Fall sagt diese Passage der Quelle nichts über David, Goliath und die Renaissance, sondern sie zeigt schlicht Parteinahme des Chronisten.

Angesichts dieser Schwächen bietet dieses Buch nur geringen Ertrag, was den Krieg im 15. Jahrhundert und die Auffassungen der Zeitgenossen über ihn angeht. Zu beachten ist es hingegen insofern, als es zur Analyse einer Reihe nicht unbedeutender Chroniken manches beiträgt.

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