J. W. Harris: The Making of the American South

Cover
Titel
The Making of the American South. A Short History, 1500-1877


Autor(en)
Harris, J. William
Reihe
Problems in American History
Erschienen
Oxford 2006: Wiley-Blackwell
Anzahl Seiten
295 S.
Preis
€ 28,37
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Simon Wendt, Historisches Seminar, Universität Heidelberg

Eine konzise Überblicksdarstellung zur Geschichte des amerikanischen Südens fehlt bislang in der Historiographie. Das kurze und flüssig geschriebene Werk von J. William Harris, der Professor für amerikanische Geschichte an der University of New Hampshire ist und seit Jahrzehnten zu diesem Thema forscht, schließt nun diese Lücke. Auf nur 248 Seiten skizziert Harris nicht nur die Entwicklung des Südens in den Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik vom 16. Jahrhundert bis zum Ende der Wiederaufbauphase nach dem Bürgerkrieg, sondern bettet seine Interpretation zudem in den Kontext der wichtigsten Forschungsdebatten zum Thema ein. Harris steckt solch einen breiten chronologischen Rahmen nicht ohne Grund, tritt er doch traditionellen Interpretationen der Region entgegen, die deren Geschichte allzu oft nur im Hinblick auf den amerikanischen Bürgerkrieg untersucht haben. Dies, so Harris, führe zu einer verzerrten Sichtweise, die den Süden als zu einheitlich wahrnimmt und die Unterschiede zwischen Norden und Süden überbetont. Diesen Interpretationen stellt Harris die These entgegen, dass man bis zum frühen 19. Jahrhundert kaum von einer gemeinsamen Geschichte des Südens sprechen könne. In der Region, die geographisch vom Atlantik, den Flüssen Ohio und Mississippi sowie dem Golf von Mexiko eingegrenzt wird, habe es bis ins 18. Jahrhundert hinein weder eine einheitliche Entwicklung noch eine klar erkennbare regionale Identität gegeben. Erst im Zuge der politischen Kontroversen über die Sklavenfrage nach 1819 hätten weiße Südstaatler erstmals zu einer gemeinsamen regionalen Identität gefunden, die aber selbst am Vorabend des Bürgerkrieges noch nicht vollständig entwickelt war. Ohne das Fortbestehen der Sklaverei im 19. Jahrhundert, so Harris, hätte sich die Entwicklung des Südens nur wenig von der des Nordens unterschieden.

Die Studie ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil beschreibt Harris zunächst die ersten Versuche Englands, Spaniens und Frankreichs, profitable Kolonien im Süden Nordamerikas zu errichten. Kontakte und Konflikte mit verschiedenen indianischen Stämmen werden ebenso thematisiert wie die Anfänge der Sklaverei. Harris betont die wichtige Rolle der indianischen Bevölkerung im Prozess der europäischen Expansion, die trotz ihrer Dezimierung durch Krankheit und Krieg eine gewisse Machtposition beibehalten konnte. Auch das Leben afrikanischer Sklaven und deren Widerstand gegen rassistische Unterdrückung werden vergleichsweise ausführlich beschrieben. Das auf Sklaven angewiesene Plantagensystem des Südens war einer der ersten Aspekte, so Harris, der die Region langfristig vom Norden unterschied, schufen die Nordstaaten die Sklaverei nach der amerikanischen Revolution doch allmählich ab. Die Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika war auch Anlass für Beobachter, erstmals von „dem Süden“ zu sprechen. Laut Harris war die Region allerdings so unterschiedlich in Bezug auf Kultur, Bevölkerung und Wirtschaft, dass von einem einheitlichen Süden nicht gesprochen werden könne. Zudem trug die amerikanische Revolution durch die Stärkung einer nationalen Identität zu einer gewissen Schwächung regionaler Unterschiede bei. Obwohl der Süden im Jahr 1819 durch die Expansion der USA und die Gründung neuer Bundesstaaten geographisch erkennbare Form angenommen hatte, stellte er laut Harris jedoch nach wie vor keine gesellschaftliche oder kulturelle Einheit dar. So war die Sklaverei z.B. je nach Bundesstaat unterschiedlich ausgeprägt und die weiße Bevölkerung bestand aus Gruppen unterschiedlicher ethnischer Abstammung.

Der zweite Teil der Studie konzentriert sich auf den durch die Sklavenfrage ausgelösten Prozess der Identitätsstiftung, der die weiße Bevölkerung zu einer klarer identifizierbaren Einheit werden ließ. Trotz dieser Entwicklung mahnt Harris an, die Komplexität der Region nicht aus den Augen zu verlieren, wobei seine Beispiele hierfür seit langem in allgemeinen Überblickswerken zur amerikanischen Geschichte zu finden sind. So besaßen z.B. nur wenige Farmer oder Plantagenbesitzer eine große Anzahl an Sklaven. Etwa ein Drittel der männlichen weißen Südstaatler besaß weder Land noch Sklaven. Und trotz ihrer paternalistischen Einstellung gegenüber ihren Sklaven waren Plantagenbesitzer durchaus an Profit interessiert und verstanden sich als Teil eines kapitalistischen Wirtschaftssystems. Wie schon im ersten Teil des Werkes betont Harris wiederholt die Ähnlichkeiten zwischen weißen Amerikanern im Süden und Norden. So hätten sich z.B. Religion, Familienleben sowie Geschlechterverhältnisse im Süden und Norden wenig unterschieden. Es war laut Harris in erster Linie die Politisierung der Sklavenfrage zwischen 1820 und 1860, die in der Wahrnehmung von Zeitgenossen und Historikern die Südstaaten zu einer „distinct civilization“ (S. 133) werden ließen. Die Studie schließt mit einer guten Zusammenfassung des Krieges und einem kurzen Ausblick auf die Phase der Reconstruction nach der Niederlage der Konföderation der Südstaaten. Obwohl er etwas zu knapp geraten ist, sollte der historiographische Anhang besonders für Studenten hilfreich für eine ausführlichere Recherche über das Thema sein.

Trotz seiner forschungsnahen Zusammenfassung der Geschichte des Südens ist Harris’ Interpretation bestimmter Phasen der Entwicklung der Region nicht immer schlüssig. Die Betonung der Komplexität der Region und der Gemeinsamkeiten zwischen Südstaaten und Nordstaaten ist angesichts der von der Historiographie teilweise zu stark hervorgehobenen Binaritäten durchaus zu begrüßen. Die Studie läuft jedoch ab und an Gefahr, Ähnlichkeiten zu suchen, wo eigentlich Unterschiede überwiegen. Wenn Harris z.B. versucht, die in der Forschungsliteratur vielfach beschriebene Südstaatenkultur der Ehre und Gewalt zu relativieren, indem er behauptet, dass es Duelle auch im Norden gegeben habe und Nordstaatler und Südstaatler einfach nur „different dialects of the language of honor“ (S. 133) gesprochen hätten, dann ist dies nur ein Beispiel für den teilweise zu gezwungen anmutenden Versuch, den Süden als Teil einer gesamtamerikanischen Kultur darzustellen. Während es durchaus gesellschaftliche und kulturelle Ähnlichkeiten zwischen Süden und Norden gab, waren Südstaatler tatsächlich gewalttätiger als ihre Landsleute im Norden und auch Vorstellungen von Männlichkeit, Weiblichkeit und Ehre unterschieden sich oft stärker, als Harris es wahrhaben will.

Ein kleinerer Kritikpunkt bezieht sich auch auf Harris’ Bewertung der Situation der afroamerikanischen Bevölkerung nach dem Bürgerkrieg. Wenn Harris behauptet, dass das so genannte „sharecropping“ – ein Farmpachtsystem, das weiße Plantagenbesitzer nach dem Bürgerkrieg einführten – als Chance für Afroamerikaner zu verstehen ist, in die amerikanische Mittelklasse aufzusteigen, ignoriert er die brutalen Folgen der mit diesem System verbundenen Schuldenspirale. Die meisten schwarzen Farmpächter kämpften im späten 19. Jahrhundert ums Überleben, nicht um den Einzug in die Mittelklasse. Trotz dieser Kritikpunkte hat Harris eine beeindruckende und empfehlenswerte Überblicksdarstellung geschrieben, die besonders für die Lehre von großem Nutzen sein sollte.

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