Ph. Matyszak: Geschichte der Römischen Republik

Cover
Titel
Geschichte der Römischen Republik. Von Romulus zu Augustus


Autor(en)
Matyszak, Philip
Erschienen
Stuttgart 2004: Theiss Verlag
Anzahl Seiten
240 S.
Preis
€ 39,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Daniel Schlaak, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

Der Gedanke, ein weiteres Überblicks- und Einstiegswerk zur römischen Republik zu schreiben, ist angesichts des Forschungsstandes und der Vielzahl von bereits erhältlichen Überblicksdarstellungen mutig zu nennen. Dieses 2003 im englischen Original erschienene Buch von Philip Matyszak ist nun, wie vom Verlag angegeben, als eine Mischung aus spannendem Lesebuch und fundiertem Nachschlagewerk gedacht.1 Hier stellt sich sicher bereits die Frage nach der methodischen Machbarkeit eines solchen Misch-Werkes.

Schon bei der Lektüre der ersten Seiten schleichen sich Zweifel ein, ob es Matyszak wirklich gelungen ist, ein brauchbares Einstiegswerk vorzulegen. Bereits im Vorwort finden sich Äußerungen wie: "eigensinnige Männer - prüde, abergläubisch, brutal und absolut kompromisslos" oder "[...] von gewählten Volksvertretern, deren Macht durch eine Verfassung kontrolliert wurde" (S. 6), die unwissenschaftlich anmuten und Einsteigern in die Republik ein irreführendes Bild der römischen Geschichte und Mentalität vermitteln. Die völlige Missachtung antiker Mentalitäten zeigt sich im Vorwort noch häufiger und über ein erträgliches Maß hinaus. So spricht Matyszak von den schlimmsten und besten Vertretern der römischen Führung: als Beispiele führt er M. Licinius Crassus und M. Porcius Cato an: Der eine sei ein treusorgender Familienvater gewesen, ließ aber dennoch tausende Sklaven kreuzigen, der andere sei unbestechlich und aufrecht, jedoch frauen- und fremdenfeindlich gewesen (S. 6). Allein aufgrund dieser Charakterzüge können sie jedoch schwerlich weder zu den schlimmsten noch zu den besten Vertretern gezählt werden. Zudem sind die aufgeführten charakterlichen Eigenheiten in der römischen Antike alles andere als widersprüchlich. Diese Äußerungen machen es somit problematisch, das Buch Studienanfängern und Interessierten an der römischen Republik zu empfehlen. Die Kreuzigung von Sklaven im Zuge des Spartacusaufstandes ist kein Zeichen von Inhumanität, sondern nach römischem Verständnis gerechte Strafe und bloße Zerstörung von Sachwerten, auch wenn uns das heutzutage eher befremdlich erscheinen mag. Auch ist zweifelhaft, dass Cato frauen- und fremdenfeindlich war; nach unserem Toleranzbild mag dies vielleicht zutreffend sein, nicht jedoch nach antikem Verständnis. Matyszak begeht im gesamten Vorwort den Fehler, mit modernen moralisierenden Ansichten zu arbeiten, die das Verständnis für die römische Antike erschweren.

Der darauffolgende Abschnitt stellt eine Einführung in römische Namenskunde, Gründungsmythos, Quellenlage und cursus honorum dar. Doch auch diese Seiten des Buches kommen nicht ohne moralisierende, polemisierende, unwissenschaftliche und teils sachlich falsche Ausführungen aus. So wird aus der Epigrafik die "Epigraphie", die mit Schriftenanalyse übersetzt wird (S. 12); oder es heißt weiterhin, Plutarch habe sich mehr für den Charakter als die Taten seiner Zeitgenossen interessiert (S. 12) - nur sind die Personen, die Plutarch in seinen Parallelbiografien behandelt, alles andere als seine Zeitgenossen. Zudem gehöre ein gewichtiger Teil seiner Biografien ins Reich der Phantasie (S. 12). Hier wäre es hilfreich zu erfahren, auf welche Teile der Biografien sich diese Kritik bezieht. Über Cicero sagt der Autor, er wäre "eitel, unsicher und ein Angeber" gewesen (S. 12). Dies mag vollkommen berechtigt sein, reicht als Quellenkritik jedoch nicht aus. Generell scheint dieser Abschnitt über die Quellen die sonst nicht vorhandene Quellenkritik im Buch zu ersetzen, denn Anmerkungen wie "Offenbar ist die Geschichte weitgehend ein Mythos" (S. 18), "Die Zeit hat die Geschichte natürlich verzerrt" (S. 33) oder "Die Geschichte hat einige Schwachpunkte" (S. 45) können kaum als quellenkritisch bezeichnet werden; insbesondere da der Umgang mit Quellen sich sonst so darstellt, dass sie einfach nur ab- und ausgeschrieben werden. Auch erscheint die Auswahl der Quellen zur römischen Republik, die als die "wichtigsten Quellen" bezeichnet werden, mehr als nur unvollständig. Cassius Dio und Appian werden zum Beispiel völlig unterschlagen. Die Äußerungen, dass ein Tribun wie Gaius Gracchus den Staatsapparat neu organisieren konnte oder dass die römische Verfassung für ihre Ausgewogenheit zwischen Kaiser, Aristokratie und Volk berühmt geworden sei (S. 13), muten wenig wissenschaftlich an. Auch wäre die Frage zu stellen, welche Rolle der Kaiser im politischen System der im Buch behandelten römischen Republik einnehmen soll.

Nach dieser kleineren Einleitung beginnt Matyszak mit der eigentlichen Geschichte der römischen Republik, die anhand von 57 Biografien bedeutender Persönlichkeiten dargestellt wird. Die Geschichte der Republik lässt Matyszak bereits mit den mythischen Königen beginnen. Die ersten beiden Könige sind bei ihm Romulus und Remus. Doch damit nicht genug: Ihnen werden sogar feste Regierungs- und Lebensdaten verpasst, die mythische Gründung Roms um 753 v.Chr. avanciert dabei zum festen chronologischen Fixpunkt (S. 16). Was dann folgt, erweckt eher den Eindruck, als würde man eine moderne Zusammenstellung antiker Sagen lesen. Wie vom Autor mehrfach selber betont, werden mythische Begebenheiten aneinandergereiht, so dass der Anspruch, ein spannendes Lesebuch vorzulegen, vollends erfüllt wird. Unklar bleibt bis zum Ende des Buches, aus welchen Quellen Matyszak seine Geschichten und Begebenheiten zieht. Konkrete Quellenstellen werden lediglich zu Beginn einer jeden Kurzbiografie gegeben; am Ende findet sich eine kurze Quellenpassage mit illustrierendem Charakter.

Brauchbar machen das Buch eher die kleinen Themenkästen mit weiterführenden Informationen zum täglichen Leben in Rom, zur römischen Architektur, Literatur, Religion, Politik und Gesellschaft, zu römischen Familien oder zum römischen Heer. Am Ende einer spannenden Lektüre von Mythen, Anekdoten und Episoden steht eine Auswahlbibliografie mit Quellen und Literatur zum Thema. Diese ist jedem Einsteiger zu empfehlen, natürlich handelt es nur um eine kleine, jedoch gut recherchierte und jeden Teilbereich der römischen Republik umfassende Bibliografie.

Aus all dem resultiert folgender Gesamteindruck des Buches: als spannendes Lesebuch ist es gut geraten; gleichzeitig auch eine fundierte Einführung zum Thema zu verfassen, ist Matyszak jedoch nicht gelungen. Als Einstieg für den Studienanfänger oder Laien ist dieses Buch kaum zu empfehlen, dazu ist es zu plakativ und populärwissenschaftlich gehalten; letztlich stellt es nicht mehr als eine Sammlung der schönsten und bekanntesten Geschichten zu den berühmten Persönlichkeiten der römischen Königszeit und Republik dar. Es ist daher wohl angebrachter, sich an die herkömmlichen und bekannten Überblicksdarstellungen zu halten.

Anmerkungen:
1 Chronicle of the Roman Republic. The rulers of ancient Rome from Romulus to Augustus, London 2003.

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