H. James: Die Deutsche Bank und die "Arisierung"

Titel
Die Deutsche Bank und die "Arisierung".


Autor(en)
James, Harold
Erschienen
München 2001: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
266 S.
Preis
€ 17,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Beate Schreiber, Facts & Files

1998 beauftragte die Deutsche Bank fünf Historiker, Avraham Barkai, Gerald D. Feldman, Lothar Gall, Jonathan Steinberg und Harold James mit der Bildung einer Kommission, die die Geschichte der Deutschen Bank im nationalsozialistischen Deutschland untersuchen sollte. Die 2001 erschienene Studie von Harold James "Die Deutsche Bank und die Arisierung" ist nach der Untersuchung von Jonathan Steinberg zu den Goldtransaktionen während des Zweiten Weltkrieges der zweite Bericht dieser Kommission.

Harold James hatte sich mit der <Arisierung> in dem 1995 publizierten Sammelband zur Geschichte der Bank befasst. Nun legt er in der aktuellen Studie neue Ergebnisse der Forschung vor, die auf umfangreicherem Material beruhen. "Die in dem Buch von 1995 getroffenen Aussagen zur <Arisierung> müssen nicht revidiert, sondern allenfalls zugespitzt werden. Wirklich neue Geschichte wird hier nicht geschrieben" (S. 19), stellt James im ersten Kapitel fest. In James' Focus der Untersuchung steht die Deutsche Bank als Beteiligte an der Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben Deutschlands. Die Deutsche Bank hat - so James - im Nationalsozialismus zwei "grundlegend konträre Anpassungsstrategien" (S. 23) entwickelt: die eine Strategie bestand im Schutz und der Verteidigung gegen Aktionen der NSDAP und des Staates, die andere verfolgte Anpassung, Konformität und Kompromissbereitschaft.

Zentral für die Fragestellung in der Studie ist für James die Beurteilung der Deutschen Bank in ihrem Aktionsfeld. Beginnend mit einer Beschreibung der antisemitischen Attitüde in der Wirtschaftselite Deutschlands ab Beginn der 30er Jahre, diskutiert James die sogenannte "Säuberung" der Leitungsetagen der Deutschen Bank von jüdischen Aufsichtsrats- und Vorstandsmitgliedern nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Erst nachdem deutlich geworden war, dass es sich bei Hitler und Konsorten nicht um vorübergehende Erscheinungen handelte, entschieden sich die Repräsentanten der Bank zu einer Entlassung jüdischer Filialdirektoren. Jedoch scheint hier kein einheitliches Vorgehen erkennbar: so blieb der Direktor der Filiale Mannheim, der nach den rassischen Definitionen der Nationalsozialisten Jude war, bis 1935 in seiner Position. Inwiefern die unterschiedliche Verfahrensweise mit der Anwendung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums zu tun hatte, bleibt ungeklärt.

Die Forschung hat die <Arisierung> und Enteignung lange Zeit in den Kontext der Vernichtung der europäischen Juden gestellt und damit eine funktionale Verbindung zwischen der Ausschaltung aus dem Wirtschaftsleben, der Enteignung und der "Ausrottung" hergestellt. Helmut Genschel hat - als erster - in seiner Studie 1966 1 den <Arisierung>sprozeß zum Thema der Forschung gemacht und kam zu dem Schluss, dass dieser keineswegs linear und konsequent verlief. Er entwickelte ein Verlaufsmodell, das sich am Verhalten der Reichsbehörden orientierte. Avraham Barkai dagegen nahm die Perspektive der Beteiligten ein und beschrieb in der 1987 publizierten Untersuchung 2 gerade die "Arisierungen" der "frühen Jahre" des nationalsozialistischen Deutschland als äußerst radikal und fortgeschritten. Frank Bajohr 3 hat am Beispiel Hamburgs gezeigt, dass in regionalen Studien durchaus unterschiedliche Perspektiven beachtet und in die Analyse einfließen können. Bajohr definiert 4 die <Arisierung> "als politisch-gesellschaftlichen Prozess", in welchem verschiedene Optionen und Spielräume für die Beteiligten bestanden.

James ist dieser Einschätzung mit seiner Anwendung des Begriffs recht nahe. Bei der <Arisierung> des Ullstein-Verlags korrespondierten mehrere Komponenten miteinander: ein Verlag in jüdischer Hand erschien den nationalsozialistischen Machthabern gefährlich und drohte ihre propagandistische Stellung zu untergraben. Unter direkter Einflussnahme Hitlers wurde 1933 die "Gleichschaltung" des Verlages verhandelt, an deren Ende eine neue Vermögensstruktur unter Majorität einer "arischen" Aktionärsgruppe stehen sollte. Entgegen der ursprünglichen Planung, der jüdischen Familie Ullstein ein Minderheitenrecht und einen Vorstandsposten zu belassen, radikalisierte sich die Ansicht der NSDAP 1934 und führte zu einer Übernahme des Verlagshauses durch den Zentralverlag der NSDAP Franz Eher Nachf. in München. Finanziert wurde es durch öffentliche Gelder und gemanagt durch die Treuhandgesellschaft "Cautio", die die Aktien bei der Deutschen Bank hinterlegte. 1935 wurde durch die "Amann-Anordnungen" 5 die Übernahme von jüdischen Verlagen durch verschiedene Treuhänder des Franz-Eher-Verlages vorbereitet. Ob bei diesen Transaktionen die Deutsche Bank beteiligt war, bleibt unklar.

Seit Ende 1935 wurden die Filialen durch Rundschreiben der Zentrale der Deutschen Bank vor der Kreditvergabe an "nichtarische" Firmen gewarnt. Eine systematische Erfassung der "nichtarischen Engagements" erfolgte erst 1938, nachdem durch Gesetze weiterer Druck auf jüdische Unternehmen ausgeübt wurde und Umsatzeinbußen durch die Benachteiligung bei der Drosselung der Einfuhrquoten zu erwarten waren. Insofern reagierte die Bank auf staatliche Entwicklungen und Entscheidungen.

Neben der <Arisierung> von Unternehmen war die Deutsche Bank als international tätiges Finanzinstitut in die Abwicklung der Auswanderung von verfolgten Juden involviert. So war den Banken bekannt, welcher Kunde von ihnen Vorbereitungen zur Auswanderung traf, indem die Devisenstelle eine Sicherungsanordnung erließ oder der Kunde selbst die Bank als Mittler von Verkäufen von Grundstücken, Unternehmen und Wertpapieren beauftragte oder zu Rate zog.

Neben der Tätigkeit der Deutschen Bank im "Altreich" untersucht James die Übernahme der Creditanstalt-Bankverein in Wien und der Böhmischen Union-Bank (BUB) in Prag. Vor allem die Umgestaltung des Bankwesens im Sudetenland und die "Akquise" der BUB durch die Deutsche Bank lassen erkennen, wie sich die Manager der Bank die Politik zunutze machten und alle sich bietenden Möglichkeiten ausschöpften. Zu diesem Urteil gelangt auch Harald Wixforth, der in seinem kürzlich erschienenen und lesenswerten Buch die Dresdner Bank und das Bankwesen im Sudetenland in den Jahren 1938/39 untersucht hat. 6 Als schärfste Konkurrentin der Dresdner Bank hatte die Deutsche Bank ihre Interessen gegenüber Bankenkommissar und Reichswirtschaftsministerium formuliert und ihre Mitarbeit angeboten. Von der ursprünglichen Überlegung, die Filialen Prager Banken im Sudetenland zu übernehmen, wich sie ab, als erkennbar wurde, dass sowohl der Reichskommissar für Kreditwesen als auch der Generalreferent Görings die Bildung einer Regionalbank bevorzugen würden.

Eine der drei deutschen Großbanken spielte bei den Verhandlungen um ein Stück vom Kuchen keine Rolle: die Commerzbank. Sie verfolgte mit der Absicht, eigene Niederlassungen zu gründen, eine völlig andere Strategie. "Die Commerz- und Privatbank wollte sich bei ihren Aktivitäten im Sudetenland nur auf die Gebiete konzentrieren, die sich mit ihrer Geschäftstätigkeit im sächsischen Industriegebiet ergänzten. Nicht Expansion in das gesamte annektierte Gebiet, sondern Konzentration auf geschäftspolitisch wichtige Standorte", so beschreibt Harald Wixforth die Motivation der Commerzbank. 7

Die Banken agierten in Bezug auf die <Arisierung> von Unternehmen und die Ausnutzung von Notlagen durchaus unterschiedlich. Die letzten Untersuchungen zu Banken als Akteuren im Nationalsozialismus haben wichtige Ergebnisse geliefert. Sicher, James hat Recht: Neue Geschichte wird nicht geschrieben, schon die Untersuchungen der OMGUS über die deutschen Banken analysierten das zentrale Material, dennoch ist es für die Forschung möglich, detaillierter als zuvor aufgrund des jetzt zugänglichen Quellenmaterials Verantwortlichkeiten, Handlungsspielräume und das Ausmaß der Beteiligung zu beschreiben und einzuschätzen.

Gerade die Möglichkeit, Akten einzusehen, die im Rahmen der <Arisierung> und Enteignung der Juden entstanden, und diese mit dem Material aus den Unternehmen und Entschädigungs- und Wiedergutmachungsverfahren nach 1945 in Beziehung zu setzen, eröffnet neue methodische Zugänge und Perspektiven, die der Analyse des Prozesses der <Arisierung> als einem gesamtgesellschaftlichen gerecht werden könnten.

Anmerkungen:
1 Helmut Genschel, Die Verdrängung der Juden aus der Wirtschaft im Dritten Reich, Göttingen 1966.
2 Avraham Barkai, Vom Boykott zur <Entjudung>. Der wirtschaftliche Existenzkampf der Juden im Dritten Reich 1933-1943, Frankfurt 1987.
3 Frank Bajohr, <Arisierung> in Hamburg. Die Verdrängung der jüdischen Unternehmer 1933-1945, Hamburg 1997.
4 Frank Bajohr, <Arisierung> als gesellschaftlicher Prozeß. Verhalten, Strategien und Handlungsspielräume jüdischer Eigentümer und <arischer> Erwerber, In: Fritz-Bauer-Institut [Hrsg.], <Arisierung> im Nationalsozialismus. olksgemeinschaft, Raub und Gedächtnis, Frankfurt, 2000.
5 Max Amann war der Direktor des Zentralverlages der NSDAP, Verlag Franz Eher Nachf., und außerdem Reichsleiter der Presse.
6 Harald Wixforth, Auftakt zu Ostexpansion. Die Dresdner Bank und Umgestaltung des Bankwesens im Sudetenland 1938/39, Dresden 2001.
7 Wixforth, S. 83.

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