M. Hartmann: Mittelalterliche Geschichte studieren

Titel
Mittelalterliche Geschichte studieren.


Autor(en)
Hartmann, Martina
Erschienen
Konstanz 2004: UVK Verlag
Anzahl Seiten
272 S.
Preis
€ 14,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Martin Clauss, Institut für Geschichte, Universität Regensburg

‚Mittelalterliche Geschichte studieren’ ist ein Lehrbuch und möchte Starthilfe ins Studium und Einführung in die Welt des Mittelalters und der mittelalterlichen Geschichte sein. Martina Hartmann wollte ein Buch schreiben, das „vielen Studienanfängern von Nutzen ist“ (S. 8), und das ist ihr gelungen.

Das Buch gliedert sich in fünf große Abschnitte: die Praxis des Geschichtsstudiums, Mittelalterliche Geschichte: Grundzüge der Epoche, Grundlagen des historischen Arbeitens, die Grund- oder Hilfswissenschaften und Wege der Forschung: Teildisziplinen und Nachbarwissenschaften. Der Text ist in verhältnismäßig kurze Abschnitte unterteilt und durch etliche farbig abgesetzte Einschübe und Abbildungen ergänzt. Diese Einschübe beinhalten Zusatzinformationen zu im Text angesprochenen Details, stellen Quellenbeispiele vor, liefern Literaturangaben zur weiteren Lektüre, geben Tipps zu speziellen Problemen und bieten anhand von ‚Aufgaben zum Selbsttest’ die Möglichkeit, das angelesene Wissen zu überprüfen. Im Text selbst sind wichtige Begriffe farbig hervorgehoben und zahlreiche Wörter in Randglossen etymologisch und inhaltlich erklärt. Die vielen Einschübe und Hervorhebungen lassen das Ganze mitunter sehr unruhig erscheinen und erschweren eine zusammenhängende Lektüre eher als dass sie diese erleichtern.

Im ersten Kapitel (Die Praxis des Geschichtsstudiums) erläutert Hartmann die Grundbegriffe eines Studiums an einer deutschen Universität. Begriffe wie Übung, Proseminar und Vorlesung werden erörtert, ein Beispiel für einen Stundenplan und Anleitungen zur Erstellung einer Vorlesungsmitschrift gegeben. Diese Teile richten sich offenbar an AbiturientInnen, die am Anfang des Studiums stehen. Auch für etwas fortgeschrittenere Studierende von Interesse sind die Abschnitte über das wissenschaftliche Schrifttum und das Bibliografieren. Hinzu kommen Überlegungen zu Sinn und Zweck des Geschichtsstudiums und zum Nutzen der Mittelalterlichen Geschichte. Ein interessanter Abschnitt über ‚Das „Mittelalterliche“ im Studienalltag’, der auf die mittelalterlichen Wurzeln der modernen Universität rekurriert, beschließt das erste Kapitel.

Das zweite Kapitel widmet sich den Grundzügen der Epoche Mittelalter; in geraffter Form werden Probleme der Periodisierung, des mittelalterlichen Weltverständnisses und der Lebensbedingungen vorgestellt. Es folgen Abschnitte zu Wirtschaft, Kirche, Gesellschaft, Herrschaft und Recht und Bildung und Wissenschaft. Die Informationen werden hier sehr komprimiert präsentiert und gleichzeitig eine Fülle von Begriffen und Fakten eingeführt. Dabei ist Hartmann um eine der avisierten Leserschaft adäquate Ausdruckweise bemüht und meidet komplizierte Wissenschaftssprache, wodurch der Text über weite Strecken gut lesbar wird, aber gelegentlich zu sehr lockeren Formulierungen neigt: „Der König kam natürlich nicht von selbst auf die Idee, diesem oder jenem in seinem Reich etwas zu schenken oder zu verleihen, sondern es musste ein Vermittler (Intervenient) an den König herantreten und sich dafür verwenden.“ (S. 104)

Die zweite Hälfte des Buches bilden drei Abschnitte, deren Inhalt auch in Proseminaren zur mittelalterlichen Geschichte vermittelt wird. Zunächst führt Hartmann in die Grundlagen des historischen Arbeitens ein. Die historische Methode wird - sehr knapp und weitgehend von wissenschaftstheoretischen Überlegungen befreit - ebenso dargelegt, wie die Einteilung der mittelalterlichen Quellen. Hier werden für jede Quellengattung ein oder mehrere Beispiele genannt, wodurch die Darstellung facettenreicher und gleichzeitig für den Laien unüberschaubarer wird. Anschließend werden die gängigen Hilfsmittel zur Erschließung mittelalterlicher Quellen kurz und präzise vorgestellt und deren Aufbau und Funktionsweise anhand von Abbildungen erläutert. Ein geraffter Überblick über Nachschlagewerke und Zeitschriften beschließt diesen Abschnitt.

Die historischen Hilfswissenschaften werden im vierten Kapitel behandelt. Im Einzelnen wird ein Einblick gegeben in: Paläografie, Diplomatik, Chronologie, Genealogie als „große“ und Epigrafik, Sphragistik, Heraldik, Numismatik und Insignienkunde als „kleine“ Hilfswissenschaften (S. 211). Anhand von meist illustrierten Beispielen wird die Methode und der Nutzen der einzelnen Hilfswissenschaften vorgestellt.

Zum Abschluss dieses Lehrbuches wird in Teil- und Nachbardisziplinen der mittelalterlichen Geschichte eingeführt. Kirchengeschichte, Rechts- und Verfassungsgeschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Landes- und Stadtgeschichte werden dabei behandelt. Als neue Forschungstendenzen wird auf die Alltagsgeschichte, die Mentalitätsgeschichte und die Frauengeschichte verwiesen; Hinweise auf eine mediävistische Anthropologie und andere kulturwissenschaftliche Ansätze unterbleiben. Als Nachbarwissenschaften stellt Hartmann das Mittellatein, die Mittelaltergermanistik, die Kunstgeschichte, die Mittelalterarchäologie und die Historische Geografie vor. Bei der Präsentation dieser Teilgebiete wird immer wieder betont, wie sehr diese untereinander verbunden sind und wie wichtig sie alle für die mittelalterliche Geschichte sind. Literaturempfehlungen, ein ausführliches Glossar und ein Register beschließen den Band.

Worin liegt nun der Wert dieses Buches? Über weite Strecken decken andere Publikationen die hier präsentierten Inhalte ab; so wird in den Literaturverweisen etwa insgesamt nicht weniger als 17 Mal auf die Einführung von Hans-Werner Goetz verwiesen.1 Neuartig ist, dass dieses Buch sich explizit an StudienanfängerInnen wendet und versucht, all das zusammenzutragen, was den Einstieg in das Studium der mittelalterlichen Geschichte erleichtert. Die Auswahl der dabei behandelten Themen ist zwangsweise subjektiv und von den persönlichen Eindrücken und Erfahrungen der Autorin geleitet, was Hartmann in der Einleitung explizit einräumt (S. 7f.). Der Schwierigkeit, die darin liegt, abzuschätzen, was man bei AbiturientInnen als Grundwissen voraussetzen kann und was eigens erklärt werden muss, wird Martina Hartmann durch die präzise Sprache und die klare Gliederung gerecht, die eine schnelle Orientierung auch ohne Lektüre von der ersten bis zur letzten Seite erlaubt. Besonders hervorzuheben ist das in allen Teilen des Buches gegenwärtige Bestreben, auf die mittelalterlichen Wurzeln moderner Begebenheiten und die Aktualität des Mittelalters hinzuweisen. Für FachwissenschaftlerInnen ist dieses Buch nicht geschrieben und hat für sie auch wenig Nutzen; für alle an der Universität Lehrenden ist es insofern interessant, als dass Lehrveranstaltungen zur mittelalterlichen Geschichte sehr viel effizienter wären, wenn alle TeilnehmerInnen ‚Mittelalterliche Geschichte studieren’ gelesen hätten.

Anmerkung:
1 Goetz, Hans-Werner, Proseminar Geschichte: Mittelalter, Stuttgart 2001.

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