B. Hausberger u.a. (Hgg.): Comercio y Poder en América Colonial

Cover
Titel
Comercio y Poder en América Colonial. Los consulados de comerciantes, siglos XVII-XIX


Herausgeber
Hausberger, Bernd; Ibarra, Antonio
Reihe
Bibliotheca Ibero-Americana 93
Erschienen
Frankfurt am Main 2003: Vervuert/Iberoamericana
Anzahl Seiten
238 S.
Preis
€ 49,60
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Niels Wiecker, Historisches Seminar, Universität Hamburg

Die spanischen Consulados de Comerciantes stellten seit dem Mittelalter Vereinigungen der Fernhändler dar, die unter anderem der Interessenvertretung und der Rechtsprechung in Fragen des Handelsrechts dienten. Die spanische Krone übertrug die Institution im 16. Jahrhundert nach Hispanoamerika, doch blieben die Consulados in Mexiko (1593) und Lima (1593/1613) für rund 200 Jahre die einzigen Einrichtungen dieser Art. Erst zum Ende des 18. Jahrhunderts, nachdem die spanische Krone den Transatlantikhandel zwischen überseeischen Besitzungen und den Häfen des Mutterlandes Stück für Stück liberalisiert hatte, wurden eine Reihe weiterer Consulados in hispanoamerikanischen Handelszentren eingerichtet. Zu den einzelnen Consulados liegen schon seit den 1950er-Jahren Untersuchungen vor, darunter übrigens auch einige, die in Deutschland entstanden. Bernd Hausberger und Antonio Ibarra ordnen nun den von ihnen herausgegebenen Band in eine neu belebte Institutionengeschichte ein, die ihr Interesse auf das Spannungsfeld zwischen einem formal-juristischen Rahmen und dem Verhalten von Akteuren in Bezug auf diesen Rahmen richtet. Die Beiträge des Bandes erfüllen dieses Versprechen, in dem sie sich anhand verschiedener Beispiele auf die immer wieder neue Aushandlung von politischer Macht innerhalb der Consulados einerseits und gegenüber kolonialen Institutionen andererseits konzentrieren. Mit der Zusammenschau verschiedener hispanoamerikanischer Consulados in einem Band knüpfen sie an vergleichbare Darstellungen für Spanien an.1

Systematisch zeichnet Héctor Noejovich in seinem Beitrag die Entwicklung des Handelsrechts von der Antike bis zur Gegenwart nach und bietet damit gleichzeitig eine gute Einführung in die Rechtsgeschichte der Consulados. Er arbeitet – gestützt auf Max Weber – die wichtige Unterscheidung zwischen Zunft und Consulado heraus. Anschließend zeigt Noejovich den Wechsel von subjektivem, auf die Gruppe der Händler ausgerichtetem Recht hin zu objektivem, am verhandelten Gegenstand orientierten Recht auf, wie es bei den bourbonischen Consulado-Gründungen am Ende des 18. Jahrhunderts Anwendung fand. Die Consulados verfügten über eine spezialisierte Gerichtsbarkeit, die aufgrund der Komplexität der Materie auch nur von ihnen ausgeübt werden konnte.

Das Consulado von Mexiko-Stadt kann als am besten erforscht gelten.2 Guillermina del Valle Pavón und Bernd Hausberger untersuchen anhand der Wahlen zum Vorstand des Consulado die äußere Einflussnahme durch die Vizekönige und die Entstehung von Fraktionen innerhalb des Consulado. Im 17. Jahrhundert übernahm das Consulado die Erhebung der Alcabala-Steuer (eine Art Umsatzsteuer), die es gegen Zahlung eines Vorschusses von der Krone pachtete. Von diesem Zeitpunkt an versuchten die Vizekönige regelmäßig, auf die Wahl des Consulado-Vorstands Einfluss zu nehmen, um sicherzustellen, dass die Steuerpacht zuverlässig entrichtet wurde. Eine entsprechende Modifikation des Wahlrechts führte schließlich dazu, dass Absprachen innerhalb eines kleinen Teils der Händleroligarchie den Vorstand bestimmten, womit sich, so Valle Pavón, die Auseinandersetzung um die Leitung der Korporation in die Sphäre des Privaten verlagerte. An diesem Punkt setzt Hausberger an, der die Bildung von zwei Fraktionen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Zusammenhang mit dem Wahlprozess untersucht. Die Gruppe der Montañeses (aus der Region um Santander kommend) stand den Basken vor allem in der Frage gegenüber, wer überhaupt als Wähler zugelassen werden solle. Diese Frage barg einigen Konfliktstoff. Zur Befriedung der Lage etablierte die Krone ab 1743 ein System, bei dem die Fraktionen abwechselnd die Spitzenfunktionen besetzten. Am Ende seines kurzweilig zu lesenden Aufsatzes formuliert Hausberger mehrere Thesen. Die bemerkenswerteste lautet, dass die Händler ihrer jeweiligen Beziehung zur Administration des Vizekönigs mehr Bedeutung beimaßen als ihrer Bindung an die Kaufmannskorporation.

Der dritte dem Consulado de México gewidmete Beitrag von Clara Elena Suárez Argüello zeigt, wie die Geltung der Handelskorporation gegen Ende des 18. Jahrhunderts langsam verfiel. Nach einer recht ausführlichen Beschreibung des neu-spanischen Handels im 18. Jahrhunderts auf Basis der Literatur zieht Suárez Argüllo die Stellungnahmen von Kaufleuten aus Mexiko-Stadt zur Situation des Handels nach Ende des Flottenverkehrs heran. Die Mehrzahl der Händler des Consulado beklagte vor allem, dass es zu einem Verfall der Preise gekommen sei. Sie forderten die Rückkehr zum alten Flottensystem. Suárez Argüello kommt zu dem Ergebnis, dass die Händlerschaft in Mexiko-Stadt trotz ihrer schwindenden Kontrolle über die atlantischen Geschäfte seit der letzten Ankunft einer Flotte im Jahr 1776 weiterhin darum gekämpft habe, den vormaligen Einfluss wiederzuerlangen. Hier wäre eine Vertiefung etwa der Frage, warum insbesondere die alt gedienten Händler dem Ende des Flottenverkehrs positiv gegenüberstanden, sehr wünschenswert gewesen.

Im Gegensatz zu den Kaufleuten in Mexiko-Stadt profitierten die Händler in Veracruz vom Aufschwung durch die Liberalisierung des spanischen Kolonialhandels. Ihr kontinuierlicher Protest gegen das Monopol der Hauptstadt hatte 1795 schließlich Erfolg, als die Krone in Veracruz ein eigenständiges Consulado einrichtete. Vor diesem Hintergrund beschreibt Antonio García de León die wirtschaftliche Entwicklung der Region im Vorfeld der Consulado-Gründung. Er geht dabei von drei interagierenden Ebenen aus. Der interne Markt sei in Ringen um das Zentrum Veracruz angeordnet gewesen, so García de León mit Bezug auf die Theorie der Landnutzung nach von Thünen. Die zweite Ebene habe der Handel dieser Güter mit den benachbarten Regionen gebildet. Auf der dritten Ebene habe sich der überseeische Fernhandel befunden. Diese Konstellation habe einen beschleunigten Aufschwung der Stadt gegen Ende des 18. Jahrhunderts ermöglicht, der vielleicht zu drastisch gewesen sei und so schon den Keim des späteren Niedergangs im unabhängigen Mexiko in sich getragen habe. Die Anwendung wirtschaftsgeografischer Ansätze in der Wirtschaftsgeschichte ist sehr zu begrüßen und hätte ausführlicher bearbeitet werden sollen; die einführenden Abschnitte hätten dafür mit Verweis auf die einschlägige Literatur kürzer ausfallen können.3

Antonio Ibarra skizziert zunächst die Gründung und den inneren Aufbau des Consulado in Guadalajara und betont dabei die Umwandlung privater in nunmehr korporative Transaktionskosten als Vorteil für die Mitglieder. Ibarra nutzt anschließend die erhaltenen Rechnungsbücher mit den Steuereinnahmen des Consulado, um Warenaufkommen und -distribution exemplarisch für das Rechnungsjahr 1795/96 zu verfolgen. Waren im Wert von rund 2,9 Mio. Pesos erreichten die Region. Drei wesentliche Ziele lassen sich identifizieren: die lokale Nachfrage verteilt entlang der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Handelswege, die Bergbaugebiete und schließlich die Messe von San Juan. Weitere Details lassen sich den angefügten Tabellen entnehmen (bei Tabelle 4 sind die sonstigen Ziele nicht summiert worden, anschließend wurde aber auf die nicht ausgewiesene Gesamtsumme prozentuiert; der dadurch entstandene Fehler ist aber zu vernachlässigen).

In Havanna waren Kaufleute und Plantagenbesitzer in der Junta Económica y de Gobierno zusammengeschlossen, einem Komitee, das gemeinsam mit dem Handelsgericht das Consulado bildete. Gocalvès fragt nach der Rolle der Junta in der Beziehung zwischen lokaler Oligarchie und königlicher Verwaltung zwischen 1795 und 1807. Dafür blickt er zunächst auf die Zusammensetzung der Junta und stellt fest, dass zwischen Händlern und Plantagenbesitzer kaum familiäre Verbindungen bestanden. Die Verhandlungen der Junta mit dem spanischen König liefen über den Generalkapitän Kubas, der als königlicher Beamter die Sitzungen der Junta leitete. Es ergab sich ein Wechselspiel aus steuerlichen Sonderrechten, Handelserleichterung und der Verleihung von Titeln von Seiten der Krone gegen den Kauf von Anleihen oder die Finanzierung der militärischen Verteidigung von Seiten der Junta. Im Ergebnis habe dieses System funktionieren können, weil die lokale Elite ungeachtet einiger Reformprojekte zur Förderung von Infrastruktur und Wissenschaft auf der Insel letztlich einer Mentalität des Ancien Régime (S. 198) verhaftet gewesen sei, auf die sich der König habe stützen könne. Auf die viel diskutierte Frage, warum sich in Kuba in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts keine Unabhängigkeitsbewegung wie in nahezu ganz Hispanoamerika durchsetzen konnte, liefert Goncalvès damit tragfähige Antworten.

Das Ende der Kolonialzeit stellt gleichsam den Abschluss des Bandes dar. Christina Mazzeo weist anhand des Consulado de Lima zwischen 1806 und 1821 nach, dass die spanische Krone ausgesprochen anpassungsfähig auf die Veränderungen im Welthandel reagierte, während die Händler auf Beibehaltung des status quo beharrten. Der Handel mit anderen Nationen, im Handelsrecht der Kolonialzeit zumindest formal verboten, wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts von der Krone insbesondere für Großbritannien schrittweise gelockert. Das Consulado engagierte sich dessen ungeachtet für die Wiedereinführung des alten Monopolhandels, obwohl es selbst in einen regen Schmuggelhandel vor allem mit Asien involviert war. Um seine Position zu verbessern, war das Consulado bereit, immer neuen Steuerforderungen der Krone nachzukommen, doch konnte es seinen Einfluss nicht mehr zurückgewinnen. Der Übergang zur Republik bestätigte nur die Ohnmacht des Consulado, denn die Händlerschaft war gezwungen, auch der neuen Regierung in Lima Geld zur Verfügung stellen, während der liberalisierte Handel bestehen blieb.

Den Herausgebern ist es gelungen, erstmals einen geografisch weit gefassten Überblick über die Consulados in Hispanoamerika zusammenzustellen. Eine der Stärken des Bandes ist zweifellos sein systematischer Aufbau, bei dem jeder Artikel hervorragend an den vorangehenden anknüpft – eine Seltenheit bei den meisten Sammelbänden. Das erlaubt es dem Leser, chronologisch voranzuschreiten und sich anhand der verschiedenen Fallstudien immer tiefer in die Komplexität des Themas einzuarbeiten. Alle Beiträge basieren zum überwiegenden Teil auf Archivstudien, was allerdings manchmal etwas zu Lasten der Einbettung in den Forschungsstand geht. Indes geben die meisten Autoren sehr detaillierte Einblicke in die Entscheidungsstrukturen innerhalb der Consulados. Die Leitfrage nach der Aushandlung von Macht innerhalb und zwischen den Institutionen des kolonialen Hispanoamerika bleibt dabei fast immer bestehen. Lediglich die Beiträge von García de León und Ibarra haben einen etwas anderen Schwerpunkt, doch ergänzen ihre Untersuchungen zum wirtschaftlichen Einfluss der Consulados in einzelnen Regionen den Band sehr gut.

Anmerkungen:
1 Smith, Robert Sidney, The Spanish Guild Merchant. A History of the Consulado, 1250-1700, Durham 1940 (Nachdruck New York 1972); Vila Vilar, Enriqueta; Kuethe, Allan J. (Hgg.), Relaciones de poder y comercio colonial, Nuevas perspectivas, Sevilla 1999. 2 Vgl. Valle Pavón, Guillermina del, El consulado de mercaderes de la ciudad de México, 1594-1827. Historiografía y fuentes sobre su historia, in: América Latina en la Historia Económica, Boletín de Fuentes 17 (2002)18, S. 11-21.
3 Souto Mantecón, Matilde, Mar abierto. La política y el comercio del consulado de Veracruz en el ocaso del sistema imperial, Mexiko 2001; Booker, Jackie R., Veracruz Merchants, 1770-1829. A Mercantile Elite in Late Bourbon and Early Independent Mexico (Dellplain Latin American Studies 29), Boulder 1993; Ortiz de la Tabla Ducasse, Javier, Comercio extrerior de Veracruz, 1778-1821, Sevilla 1978.

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