A. Buckow: Zwischen Propaganda und Realpolitik

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Titel
Zwischen Propaganda und Realpolitik. Die USA und der sowjetisch besetzte Teil Deutschlands 1945-1955


Autor(en)
Buckow, Anjana
Reihe
USA-Studien 13
Erschienen
Stuttgart 2003: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
697 S.
Preis
€ 90,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Manfred Berg, Zentrum für USA-Studien, Stiftung Leucorea der Universität Halle-Wittenberg

Der Stellenwert der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) bzw. der DDR für die Politik der USA im Kalten Krieg wird von der historischen Forschung einhellig als eher gering veranschlagt. Ostdeutschland wurde von den amerikanischen Entscheidungsträgern als Satellit der Sowjetunion betrachtet und nur als solcher kam ihm politische Bedeutung zu. Diplomatische Beziehungen nahmen die USA bekanntlich erst 1974 zur DDR auf und auch danach blieb das Interesse am zweiten deutschen Staat in jeder Hinsicht gering. Das Verhältnis zur DDR, so das Fazit der einschlägigen Publikationen, blieb eine abhängige Variable der amerikanischen Beziehungen zur Sowjetunion und zur Bundesrepublik.

Die von Hermann-Josef Rupieper betreute Dissertation Anjana Buckows untersucht nun erstmals auf breiter Quellenbasis die Perzeption der SBZ/DDR durch die amerikanischen außenpolitischen Entscheidungsträger sowie die politischen und propagandistischen Aktivitäten der Amerikaner gegenüber Ostdeutschland für das erste Jahrzehnt des Kalten Krieges. Dabei betrachtet Buckow vier große Themenbereiche: die politische Umgestaltung der SBZ gemäß den sowjetischen Vorgaben, die Haltung der ostdeutschen Bevölkerung gegenüber der Sowjetisierung und dem SED-Regime, die Errichtung der sozialistischen Planwirtschaft und die Remilitarisierung Ostdeutschlands. Auf die Darstellung der Perzeptionen und Analysen der SBZ/DDR durch die US-Offiziellen folgt die Schilderung der propagandistischen Aktivitäten durch Rundfunk (RIAS), Printmedien, Flugblätter, humanitäre Hilfe wie Lebensmittelpakete, teils aber auch durch Unterstützung antikommunistischer Widerstandsgruppen.

Allerdings revidiert Buckow mit ihrer quellennahen und detaillierten Darstellung und Analyse nicht das oben skizzierte Bild von der „relativ geringen Wichtigkeit“ Ostdeutschlands (S. 489) für die amerikanische Europapolitik im Kalten Krieg. Im Gegenteil, im Text finden sich zahlreiche Urteile, die beinahe – und gewiss unbeabsichtigt – darauf hinaus laufen, die Relevanz des Themas infrage zu stellen. So sei die SBZ/DDR außerhalb des großen Rahmens der „doppelten Eindämmung“ Deutschlands und der Sowjetunion für die Amerikaner gar nicht in Erscheinung getreten, ja „sie existierte ganz einfach nicht“. In den Akten finde sich keine einzige Quelle, welche die SBZ/DDR als „eigenständigen Akteur“ mit „separater Existenzberechtigung“ ernst nehme (Zitate S. 91). Und schon in der Einleitung formuliert Buckow, anschließend an ein Diktum Geir Lundestads, das freilich in einen anderen Zusammenhang gehört, die These, man könne auch von einer „Nicht-Politik“ sprechen. Perzeption und Politikansatz seien schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt festgelegt gewesen und hätten sich allenfalls noch in „Nuancen“ verändert (S. 12ff.).

Dann jedoch stellt sich die Frage, warum dieses Ergebnis auf rund siebenhundert, eng bedruckten Seiten dargelegt werden muss. Anjana Buckow hat ungeheuer akribisch die einschlägigen amerikanischen Quellen recherchiert, sich mit großem Engagement in die kaum überschaubare Literatur zum Kalten Krieg eingearbeitet und breitet nun die ganze Fülle ihrer Studien vor dem Leser in unzähligen Zitaten, Rückblicken, Exkursen und kommentierenden Fußnoten aus. Der zweifelhafte Quellenwert von Geheimdienstberichten wird ebenso ausführlich diskutiert wie die Perzeptionstheorie. Das alles ist richtig, differenziert und inhaltlich meist überzeugend, aber eben auch sehr redundant und einfach viel zu lang. Die Rezeption der Arbeit wird erheblich darunter leiden, dass der Leser Mühe hat, aus der Fülle der Details die wesentlichen sachlichen und empirischen Kernaussagen zu destillieren.

Inhaltlich ist das Buch über weite Passagen eine Geschichte der Sowjetisierung Ostdeutschlands aus amerikanischer Perspektive. Dabei gingen die amerikanischen Beobachter, wie Buckow kritisiert, von einem relativ undifferenzierten Bild eines monolithischen, total von den Direktiven aus Moskau abhängigen Ostblocks aus. In einem diplomatischen Bericht wird die vermeintlich souveräne DDR gar als Kolonie der UdSSR bezeichnet (S. 112). Gleichwohl war diese Sicht, auch wenn sie Differenzen und Machtkämpfe innerhalb der kommunistischen Machtapparate unterschätzte, wohl nicht völlig abwegig, denn tatsächlich lagen die US-Experten, wie auch Buckow konzediert, mit vielen ihrer Prognosen durchaus richtig.

Das Kerndilemma war natürlich, wie der Untertitel der Arbeit andeutet, das Lavieren zwischen antikommunistischer Rhetorik, die der Bevölkerung Mut machen und die Stabilisierung des Regimes verhindern sollte, und der realpolitischen Notwendigkeit, keine gefährlichen Unruhen zu provozieren. Die Stunde der Wahrheit kam bekanntlich am 17. Juni 1953, als den Amerikanern ihre Machtlosigkeit gegenüber einer gewaltsamen Stabilisierung der kommunistischen Herrschaft schmerzlich bewusst wurde. Dass die USA die Existenzberechtigung der DDR nicht anerkannten, bedeutete freilich nicht, dass die deutsche Wiedervereinigung ein vordringliches Ziel der US-Politik dargestellt hätte. Da die Amerikaner davon überzeugt waren, dass die Sowjetunion ein kommunistisches Gesamtdeutschland anstrebte, erschienen die Stabilisierung und Westintegration Westdeutschlands als vordringlich. Natürlich wahrte man die eigenen Rechtspositionen hinsichtlich der alliierten Hoheit über Gesamtdeutschland und pflegte, schon um die Deutschen in Ost und West nicht den Sowjets in die Arme zu treiben, Einheitsrhetorik. Die naheliegende und in der Literatur breit erörterte Frage, ob eine Teilung Deutschlands nicht auch dem amerikanischen Ziel der „doppelten Eindämmung“ entsprach, wird jedoch von Buckow nur gestreift.

Angesichts der Tatsache, dass die Amerikaner nur in Berlin direkten Kontakt zur ostdeutschen Bevölkerung herstellen konnten, blieben ihre Einflussmöglichkeiten immer begrenzt. Der RIAS, einmal als „Gift für die Kommunisten“ (S. 566) gefeiert, war sicher das wirksamste Medium, aber gegenüber genuin subversiven Aktivitäten wie der Unterstützung antikommunistischer Aktionsgruppen in Westberlin blieben die Amerikaner durchaus skeptisch. Von einer Infiltration der DDR durch „imperialistische Agenten“, wie sie die östliche Propaganda behauptete bis hin zum berühmt-berüchtigten „Ami-Käfer“, der angeblich eine Missernte bei Kartoffeln herbeigeführt hatte, kann keine Rede sein. Anjana Buckow erwähnt kurz die Versuche, die ostdeutsche Jugend durch Kulturangebote nach Westberlin zu locken, geht aber nicht näher auf die spannende Frage nach der Attraktivität des American Way of Life für die Ostdeutschen ein, zu der in den letzten Jahren doch einiges geschrieben worden ist.

Letztlich bleibt die Studie einer engen Binnenperspektive verhaftet, die allein nach der Perzeption eines relativ kleinen Kreises professionell mit der SBZ/DDR befasster amerikanischer Diplomaten, Militärs und Politiker und nach den Folgen dieser Perzeption für die Planung und Implementierung der amerikanischen Politik fragt. Die Frage, ob diese Perspektive erweiterungsfähig gewesen wäre, wird in einer einzigen Fußnote (S. 10, Fn. 8) kurz aufgeworfen, bleibt aber folgenlos. Dabei kann es natürlich nicht um die Suche nach einem fiktiven „DDR-Bild“ der amerikanischen Bevölkerung oder der Medien gehen. Aber dass Diskurse über fremde Nationen auch sehr viel über das Selbstbild einer Gesellschaft bzw. ihrer Eliten aussagen können, ist von einer stärker kulturwissenschaftlich inspirierten Historiografie doch seit längerem zum Thema gemacht worden, so kürzlich von Andreas Daum in seiner Studie über „Amerikas Berlin“. Anjana Buckows Buch ist vor allem wegen seiner empirischen Forschungsleistung sehr verdienstvoll, aber man hätte sich gewünscht, dass die Ergebnisse in geraffterer Form und in größere Kontexte eingebettet präsentiert worden wären.

Der Stellenwert der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) bzw. der DDR für die Politik der USA im Kalten Krieg wird von der historischen Forschung einhellig als eher gering veranschlagt. Ostdeutschland wurde von den amerikanischen Entscheidungsträgern als Satellit der Sowjetunion betrachtet und nur als solcher kam ihm politische Bedeutung zu. Diplomatische Beziehungen nahmen die USA bekanntlich erst 1974 zur DDR auf und auch danach blieb das Interesse am zweiten deutschen Staat in jeder Hinsicht gering. Das Verhältnis zur DDR, so das Fazit der einschlägigen Publikationen, blieb eine abhängige Variable der amerikanischen Beziehungen zur Sowjetunion und zur Bundesrepublik.

Die von Hermann-Josef Rupieper betreute Dissertation Anjana Buckows untersucht nun erstmals auf breiter Quellenbasis die Perzeption der SBZ/DDR durch die amerikanischen außenpolitischen Entscheidungsträger sowie die politischen und propagandistischen Aktivitäten der Amerikaner gegenüber Ostdeutschland für das erste Jahrzehnt des Kalten Krieges. Dabei betrachtet Buckow vier große Themenbereiche: die politische Umgestaltung der SBZ gemäß den sowjetischen Vorgaben, die Haltung der ostdeutschen Bevölkerung gegenüber der Sowjetisierung und dem SED-Regime, die Errichtung der sozialistischen Planwirtschaft und die Remilitarisierung Ostdeutschlands. Auf die Darstellung der Perzeptionen und Analysen der SBZ/DDR durch die US-Offiziellen folgt die Schilderung der propagandistischen Aktivitäten durch Rundfunk (RIAS), Printmedien, Flugblätter, humanitäre Hilfe wie Lebensmittelpakete, teils aber auch durch Unterstützung antikommunistischer Widerstandsgruppen.

Allerdings revidiert Buckow mit ihrer quellennahen und detaillierten Darstellung und Analyse nicht das oben skizzierte Bild von der „relativ geringen Wichtigkeit“ Ostdeutschlands (S. 489) für die amerikanische Europapolitik im Kalten Krieg. Im Gegenteil, im Text finden sich zahlreiche Urteile, die beinahe – und gewiss unbeabsichtigt – darauf hinaus laufen, die Relevanz des Themas infrage zu stellen. So sei die SBZ/DDR außerhalb des großen Rahmens der „doppelten Eindämmung“ Deutschlands und der Sowjetunion für die Amerikaner gar nicht in Erscheinung getreten, ja „sie existierte ganz einfach nicht“. In den Akten finde sich keine einzige Quelle, welche die SBZ/DDR als „eigenständigen Akteur“ mit „separater Existenzberechtigung“ ernst nehme (Zitate S. 91). Und schon in der Einleitung formuliert Buckow, anschließend an ein Diktum Geir Lundestads, das freilich in einen anderen Zusammenhang gehört, die These, man könne auch von einer „Nicht-Politik“ sprechen. Perzeption und Politikansatz seien schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt festgelegt gewesen und hätten sich allenfalls noch in „Nuancen“ verändert (S. 12-15).

Dann jedoch stellt sich die Frage, warum dieses Ergebnis auf rund siebenhundert, eng bedruckten Seiten dargelegt werden muss. Anjana Buckow hat ungeheuer akribisch die einschlägigen amerikanischen Quellen recherchiert, sich mit großem Engagement in die kaum überschaubare Literatur zum Kalten Krieg eingearbeitet und breitet nun die ganze Fülle ihrer Studien vor dem Leser in unzähligen Zitaten, Rückblicken, Exkursen und kommentierenden Fußnoten aus. Der zweifelhafte Quellenwert von Geheimdienstberichten wird ebenso ausführlich diskutiert wie die Perzeptionstheorie. Das alles ist richtig, differenziert und inhaltlich meist überzeugend, aber eben auch sehr redundant und einfach viel zu lang. Die Rezeption der Arbeit wird erheblich darunter leiden, dass der Leser Mühe hat, aus der Fülle der Details die wesentlichen sachlichen und empirischen Kernaussagen zu destillieren.

Inhaltlich ist das Buch über weite Passagen eine Geschichte der Sowjetisierung Ostdeutschlands aus amerikanischer Perspektive. Dabei gingen die amerikanischen Beobachter, wie Buckow kritisiert, von einem relativ undifferenzierten Bild eines monolithischen, total von den Direktiven aus Moskau abhängigen Ostblocks aus. In einem diplomatischen Bericht wird die vermeintlich souveräne DDR gar als Kolonie der UdSSR bezeichnet (S. 112). Gleichwohl war diese Sicht, auch wenn sie Differenzen und Machtkämpfe innerhalb der kommunistischen Machtapparate unterschätzte, wohl nicht völlig abwegig, denn tatsächlich lagen die US-Experten, wie auch Buckow konzediert, mit vielen ihrer Prognosen durchaus richtig.

Das Kerndilemma war natürlich, wie der Untertitel der Arbeit andeutet, das Lavieren zwischen antikommunistischer Rhetorik, die der Bevölkerung Mut machen und die Stabilisierung des Regimes verhindern sollte, und der realpolitischen Notwendigkeit, keine gefährlichen Unruhen zu provozieren. Die Stunde der Wahrheit kam bekanntlich am 17. Juni 1953, als den Amerikanern ihre Machtlosigkeit gegenüber einer gewaltsamen Stabilisierung der kommunistischen Herrschaft schmerzlich bewusst wurde. Dass die USA die Existenzberechtigung der DDR nicht anerkannten, bedeutete freilich nicht, dass die deutsche Wiedervereinigung ein vordringliches Ziel der US-Politik dargestellt hätte. Da die Amerikaner davon überzeugt waren, dass die Sowjetunion ein kommunistisches Gesamtdeutschland anstrebte, erschienen die Stabilisierung und Westintegration Westdeutschlands als vordringlich. Natürlich wahrte man die eigenen Rechtspositionen hinsichtlich der alliierten Hoheit über Gesamtdeutschland und pflegte, schon um die Deutschen in Ost und West nicht den Sowjets in die Arme zu treiben, Einheitsrhetorik. Die naheliegende und in der Literatur breit erörterte Frage, ob eine Teilung Deutschlands nicht auch dem amerikanischen Ziel der „doppelten Eindämmung“ entsprach, wird jedoch von Buckow nur gestreift.

Angesichts der Tatsache, dass die Amerikaner nur in Berlin direkten Kontakt zur ostdeutschen Bevölkerung herstellen konnten, blieben ihre Einflussmöglichkeiten immer begrenzt. Der RIAS, einmal als „Gift für die Kommunisten“ (S. 566) gefeiert, war sicher das wirksamste Medium, aber gegenüber genuin subversiven Aktivitäten wie der Unterstützung antikommunistischer Aktionsgruppen in Westberlin blieben die Amerikaner durchaus skeptisch. Von einer Infiltration der DDR durch „imperialistische Agenten“, wie sie die östliche Propaganda behauptete bis hin zum berühmt-berüchtigten „Ami-Käfer“, der angeblich eine Missernte bei Kartoffeln herbeigeführt hatte, kann keine Rede sein. Anjana Buckow erwähnt kurz die Versuche, die ostdeutsche Jugend durch Kulturangebote nach Westberlin zu locken, geht aber nicht näher auf die spannende Frage nach der Attraktivität des American Way of Life für die Ostdeutschen ein, zu der in den letzten Jahren doch einiges geschrieben worden ist.

Letztlich bleibt die Studie einer engen Binnenperspektive verhaftet, die allein nach der Perzeption eines relativ kleinen Kreises professionell mit der SBZ/DDR befasster amerikanischer Diplomaten, Militärs und Politiker und nach den Folgen dieser Perzeption für die Planung und Implementierung der amerikanischen Politik fragt. Die Frage, ob diese Perspektive erweiterungsfähig gewesen wäre, wird in einer einzigen Fußnote (S. 10, Fn. 8) kurz aufgeworfen, bleibt aber folgenlos. Dabei kann es natürlich nicht um die Suche nach einem fiktiven „DDR-Bild“ der amerikanischen Bevölkerung oder der Medien gehen. Aber dass Diskurse über fremde Nationen auch sehr viel über das Selbstbild einer Gesellschaft bzw. ihrer Eliten aussagen können, ist von einer stärker kulturwissenschaftlich inspirierten Historiografie doch seit längerem zum Thema gemacht worden, so kürzlich von Andreas Daum in seiner Studie über „Amerikas Berlin“. Anjana Buckows Buch ist vor allem wegen seiner empirischen Forschungsleistung sehr verdienstvoll, aber man hätte sich gewünscht, dass die Ergebnisse in geraffterer Form und in größere Kontexte eingebettet präsentiert worden wären.

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