Cover
Titel
Karriere nach der Wissenschaft. Alternative Berufswege für Promovierte


Autor(en)
Müller, Mirjam
Erschienen
Frankfurt am Main 2017: Campus Verlag
Anzahl Seiten
227 S.
Preis
€ 24,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Karin Orth, Historisches Seminar, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Im Jahre 2014 erschien von Mirjam Müller, Personalentwicklerin an der Universität Konstanz und Coach bei „Coachingnetz Wissenschaft e.V.“1, das Buch „Promotion - Postdoc - Professur“2, ein Ratgeber für Nachwuchswissenschaftler/innen, die in der Wissenschaft Karriere machen wollen und eine Universitätsprofessur anstreben. Müllers neuer Band ergänzt das erste Buch in idealer Weise. Es ist für jene wissenschaftlichen Nachwuchskräfte geschrieben, die die akademische Welt nach der Promotion verlassen wollen – oder müssen. Ihre Zahl ist nicht klein, vielmehr stellen sie inzwischen die große Mehrzahl aller Promovierten. In Deutschland kann zurzeit nur eine/r von zehn Promovierten auf eine frei werdende Universitätsprofessur berufen werden – andere Studien gehen sogar von einem Verhältnis von 1:20 aus. Gleichwohl streben viele Nachwuchswissenschaftler/innen nach der Promotion einen Platz innerhalb der akademischen Welt an - während der Wechsel in ein anderes Berufsfeld als wenig attraktiv, als bedrohlich oder als persönliches Versagen wahrgenommen wird. Die Angst vor der Zukunft ist groß und ebenso die Unsicherheit, ob ein solcher Wechsel überhaupt gelingen kann. Hier setzt der Ratgeber an.

Einleitend macht Müller anhand der vorliegenden Daten deutlich, dass der Ausstieg aus der Wissenschaft nach der Promotion heute nicht die mehr die Abweichung, sondern der (statistische) Normalfall ist (S. 9). Belegbar ist zudem, dass trotz aller gängigen Klischees vom promovierten Taxifahrer, Bademeister oder Kneipenwirt ein erheblicher Teil der Promovierten außerhalb der Wissenschaft gute – und vor allem der Qualifikation angemessene – Berufschancen hat (S. 11). Dies trifft auf alle Fächer zu. Doch während der Arbeitsmarkt etwa für promovierte Chemiker, Bauingenieure oder Juristen vergleichsweise klar konturiert ist, ist es für Absolvent/innen der Geistes- und Sozialwissenschaften in der Regel schwierig einzuschätzen, wo ihre Qualifikationen außerhalb der wissenschaftlichen Zunft gebraucht werden - und worin die Kompetenzen überhaupt bestehen. Daher stehen die Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen bzw. ihre beruflichen Optionen außerhalb der Wissenschaft im Zentrum des Buchs.

Zunächst geht es um Strategien und Motivationen für den beruflichen Wechsel. Müller skizziert unterschiedliche Typen von ausstiegswilligen oder -genötigten Nachwuchswissenschaftler/innen, für die sie jeweils andere Handlungsempfehlungen formuliert. Im anschließenden Kapitel wird ausgeführt, wie es in einem ersten Schritt gelingen kann, sich ein Bild von den eigenen Kompetenzen und Interessen, aber auch den eigenen Zielen und Werten zu machen. Es geht also darum, bislang erworbene Qualifikationen zu identifizieren (vor allem, aber nicht nur durch die Promotion), und individuelle Werte und Ziele zu bestimmen. Auf diese Weise kann das eigene Berufsprofil geschärft werden, und zugleich zeichnet sich meist ab, wie man in den nächsten Jahren arbeiten will – und wo, das heißt in welchen Berufsfeldern.

Erst im zweiten Schritt rückt der Arbeitsmarkt in den Fokus. Müller zeigt, wie durch eine gezielte und systematische Recherche alle relevanten Informationen zu den vorher identifizierten Branchen bzw. potentiellen Arbeitgebern zusammengetragen werden können. Die Zusammenstellung der Daten kann zudem durch ein Praktikum, eine Hospitation, die freie Mitarbeit oder ein ehrenamtliches Engagement in den entsprechenden Feldern ergänzt werden, um so durch erste praktische Erfahrungen einen Einblick in den angestrebten Berufszweig und die dort vorherrschenden Routinen zu gewinnen. Im dritten Schritt können dann erste Bewerbungen geschrieben werden. Im entsprechenden Kapitel gibt Müller hilfreiche Hinweise und Tipps zu erfolgversprechenden Bewerbungsstrategien, zu aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen und zum Gelingen eines persönlichen Vorstellungsgesprächs.

Dass und wie der Wechsel gelingen kann, illustrieren biografische Porträts. Insgesamt 13 Akademiker/innen berichten im letzten Abschnitt von ihrem beruflichen Werdegang bis zur Promotion, ihren Gründen für den Wechsel in ein nichtwissenschaftliches Feld, von ihrem neuen Berufsalltag bzw. worin sich dieser von der Tätigkeit in der Wissenschaft unterscheidet. So geraten vier Berufsfelder in den Blick, die für Absolvent/innen der Geistes- und Sozialwissenschaften durchaus Chancen bieten: Wissenschaftsmanagement; Politik und Verwaltung; Kultur, Medien und Bildung sowie Wirtschaft und Beratung. Auch eine FH-Professorin und ein selbstständiger Trainer kommen zu Wort. Am Ende fasst Müller zusammen und fügt dem Schlusswort einen umfangreichen Anhang hinzu, der für jedes Kapitel eine ausführliche Liste mit weiterführender Literatur und/oder entsprechende Adressenverzeichnisse bereit stellt.

Das Buch bietet einen sehr guten Einblick in Berufsfelder, in denen die Fähigkeiten von promovierten Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen gebraucht und nachgefragt werden. Darüber hinaus beschreibt es kundig und konkret, wie es gelingt, einerseits die eigenen Qualifikationen zu bestimmen und andererseits diejenigen Branchen zu identifizieren, die zum eigenen Können und zu den eigenen Interessen passen. Nicht zuletzt zeigt es anschaulich, wie das Matching zwischen eigenem Profil und potentiellen Arbeitgebern funktionieren kann. Dabei ist der Ratgeber so aufgebaut, dass ihn alle, die wechseln wollen oder müssen, selbstständig durcharbeiten können. Ob es – wie die im Buch vorgestellten Werdegänge suggerieren – dann wirklich so einfach ist, die Universität zu verlassen und einen Arbeitsplatz zu finden, der den eigenen Kompetenzen und Wünschen entspricht, sei dahingestellt. Beispiele von Akademiker/innen, denen dies nicht gelang, sucht man in Müllers Buch vergebens. Denn die Autorin bzw. die Porträtierten rücken aus naheliegenden Gründen nicht das Scheitern, sondern den Erfolg in den Mittelpunkt. Aber natürlich ist das Buch auch keine soziologische Studie, die Laufbahnverläufe von Promovierten außerhalb der akademischen Welt wissenschaftlich untersucht, sondern ein Ratgeber, der Mut machen will, den Wechsel zu gestalten, der für die überwiegende Mehrzahl der promovierten Akademiker/innen ohnehin unausweichlich ist. Für die Gestaltung des Übergangs stellt Müllers Buch eine äußerst hilfreiche und wertvolle Unterstützung dar.

Anmerkungen:
1http://www.coachingnetz-wissenschaft.de (22.06.2017).
2 Mirjam Müller, Promotion – Postdoc – Professur. Karriereplanung in der Wissenschaft, Frankfurt am Main 2014.

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