S. Nowicki (Hrsg.): "They Called Me to Destroy the Wicked and the Evil”

Cover
Titel
"They Called Me to Destroy the Wicked and the Evil”. Selected Essays on Crime and Punishment in Antiquity


Herausgeber
Nowicki, Stefan
Reihe
Kārum - Emporion - Forum 1
Erschienen
Münster 2016: Ugarit-Verlag
Anzahl Seiten
IX, 315 S.
Preis
€ 98,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefan Bojowald, Institut für Archäologie und Kulturanthropologie, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Die Publikation führt interdisziplinäre Beiträge zu Verbrechen und Strafe im Altertum zusammen. Die Aufmerksamkeit wird dabei auf das alte Ägypten, den Alten Orient, Griechenland und Rom gerichtet. In alphabetischer Anordnung diskutieren Althistoriker, Archäologen, Altorientalisten, Ägyptologen, Rechtswissenschaftler und Philologen die unterschiedlichsten Aspekte von Verbrechen und ihrer Bestrafung in diesem breiten geographischen und zeitlichen Rahmen.

Kim Beerden nimmt sich der Bestrafung von Göttern durch Menschen in griechisch-römischer Zeit an. Das aggressive Vorgehen richtete sich gegen Kultstatuen, wobei zwischen Schlagen (S. 3f.), Fesseln (S. 4f.), Entfernen (S. 5f.), physischer Beschädigung und verbaler Beschimpfung (S. 6) unterschieden wird. Idan Breier geht der Frage der Kriminalität in den Amarnabriefen nach. Die widerrechtliche Expansionspolitik der Kleinfürsten auf Kosten des Königs kommt als häufigstes Delikt vor (S. 18). Die Kollaboration der ägyptischen Beamten mit Rebellen ist als weiterer Anklagepunkt zu nennen (S. 18f.). Der Viehdiebstahl lässt sich als weiteres Verbrechen beobachten (S. 20).

Tomasz Dziurdzik befasst sich mit der weiblichen Kostümierung als Strafe für römische Soldaten. Die einzige antike literarische Quelle zu Helmen mit Gesichtsmasken ist bei Arrian von Nicomedia im 2. Jahrhundert n.Chr. zu finden (S. 29). Die disziplinarische Maßnahme wird als Angriff auf die Bürger- und Soldatenehre der Betroffenen gewertet (S. 35). Renata Kamińska weiht den Leser in den Missbrauch des öffentlichen Wassers im antiken Rom ein. Die Hauptinformationsquelle stellt die Schrift De aquaeductu urbis Romae des Sextus Iulius Frontinus aus der frühen Kaiserzeit dar (S. 41). Die illegalen Methoden wie Anzapfen der Leitungssysteme und Verschmutzungen sind sowohl bei Privatleuten als auch bei Staatsbeamten zu finden (S. 42). Die Verstöße wurden mit hohen Geldbußen geahndet (S. 49). Der Anstieg der Straftaten in der Kaiserzeit wird registriert und mit der Bevölkerungszunahme erklärt (S. 51).

Michaela Knollová denkt über Ungleichheiten im hethitischen und ägyptischen Kriminalrecht nach. Die Teilunterschiede der ägyptischen Regelungen für Mann und Frau bei Ehebruch werden bekannt gemacht (S. 61). Knollová erörtert zudem die Klasse der Halbfreien in der hethitischen Gesellschaft, deren genaue Charakterisierung allerdings offen bleibt (S. 63). Schließlich erörtert Knollová den partiellen Rechtsschutz der hethitischen Sklaven (S. 64f.). Agata Kubala bietet Überlegungen zum Motiv der Bestrafung in der hellenistischen Plastik: Die Darstellung der Verwandlung der Piraten durch Dionysos in Delphine auf dem Choregenmonument des Lysikrates dient als erstes Beispiel. Danach diskutiert Kubala die Skulpturen mit der Tötung der Niobiden durch Apollo/Artemis, die Darstellung der Schindung des Marsyas, die Laokoongruppe, die plastische Darstellung der Bestrafung der Dirke, die bildhauerische Darstellung der Befreiung des Prometheus sowie die Statuengruppe der Aphrodite mit Pan und Eros.

Janek Kucharski bringt Aspekte der Strafe in der klassischen griechischen Rhetorik näher. Kucharski betont insbesondere den großen Reichtum des Rechtsvokabulars (S. 97). Die Bedeutungsverschiebung bei timēma von „estimation, value“ zu „punishment“ wird diskutiert (S. 98). Zudem notiert Kucharski den marginalen Unterschied zwischen „punishment“ und „compensation“ im griechischen Rechtsverständnis (S. 101). Elzbieta Loska diskutiert Rechtsfolgen bei politischen Anspielungen im römischen Theaterwesen. Die persönliche Verantwortung der Schauspieler wird für gering gehalten. Das juristische Nachspiel für die Autoren der Werke bewertet sie als gravierender (S. 116f.). Die Zeit vor Naevius wird für die Literaten als relativ gefahrlos bezeichnet (S. 119).

Konstantin Vladimirovich Markov führt einen Vergleich zwischen der Fassung des Tacitus und Cassius Dio zum Prozess des Senators Libo durch. Der Schwerpunkt liegt bei Cassius Dio auf der Persönlichkeit des Kaisers Tiberius, während bei Tacitus die Senatoren im Zentrum stehen (S. 122). Dobromila Nowicka steuert Überlegungen zur schriftlichen Defamierung im klassischen römischen Recht bei. Das staatliche Interesse an der Konfiszierung und Verbrennung der Schriften wird hoch eingestuft (S. 132). Nowicka erörtert die erstmalige Verfolgung der Rufschädigung von Kaiser und Angehörigen der Oberschicht auf Grundlage der lex de maiestate unter Augustus sowie die Förderung des Informantentums durch finanzielle oder andere Anreize in der Kaiserzeit (S. 148f.).

Katarzyna Ochman wertet Kapitel VII 14 der Attischen Nächte des Aulus Gellius aus, dessen Inhalt sie als philosophische Auseinandersetzung mit drei Strafarten nebst Fragen zur Grammatik charakterisiert (S. 164). Ochman bemerkt zudem den halbfertigen Zustand des Kapitels (S. 164). Der Einfluss von Platons Gorgias auf das Kapitel wird für wahrscheinlich erachtet (S. 165). Efi Papadodima untersucht den Gerechtigkeitsbegriff in der attischen Tragödie am Beispiel der Prozesse im Haus des Atreus. In seiner Oresteia legt Aischylos besonderen Wert auf das Vergeltungsprinzip (S. 172). Die Tötung des Agamemnon in Aischylos’ Agamemnon wurde als Teil eines göttlichen Planes stilisiert (S. 174). Papadodima hebt sodann die Verbindung des apollinischen Verständnisses der dikē mit sozial-religiösen Institutionen und der Heiligkeit der Ehe in den Eumeniden hervor (S. 178). Die unterschiedliche Haltung der Akteure zu Muttermord und Apollon-Orakel in Elektra und Orestes des Euripides wird dargelegt (S. 185). Im Orestes wurde der Abschreckungseffekt der Tötung der Klytaimnestra stärker betont (S. 188).

Joanna Pieczonka durchmustert die Komödien Epidicus, Pseudolus, Vidularia und Rudens des Plautus nach Beispielen für die Todesstrafe des „Einnähens in den Sack“. Die Vierergruppe wird als erster literarischer Nachweis für jene Methode betrachtet (S. 196). Die etymologische Ableitung des Wortes parricida als juristischer terminus technicus für „Elternmord“ durch Priscian und Isidor von parenticida lehnt Pieczonka indes ab (S. 197). Aneta Skalec beschäftigt sich mit Verstößen gegen das Bewässerungssystem im römischen Ägypten. Die einzigen offiziellen Dokumente liegen mit den Passagen in Buch 9 der Schrift „Über das Amt des Prokonsuls“ des Ulpian und der Konstitution des Theodosius und des Honorius vor; dieses Gesetz sieht bei Vergehen unter anderem den Feuertod vor (S. 215). Das wichtigste Dokument zu Wasserstreitigkeiten stellt P. Sakaon 33 aus den Jahren 318–320 n.Chr. mit dem Kleinkrieg zwischen zwei Dörfern dar (S. 222). Die häufige Ersetzung des römischen Strafrechts durch lokale Regelungen in Ägypten vor dem 4. Jahrhundert n.Chr. wird festgehalten (S. 224).

Anna Tarwacka erörtert Details zur Piraterie im antiken Rom. Der Begriff pirata wurde promiscue mit praedo, latro und latrunculus gebraucht (S. 230). Das Strafregister für Seeräuber schloss Enthauptung und Kreuzigung ein (S. 235–237). Die Bekämpfung der Piraterie wurde außerhalb Italiens in die Hände der Provinzstatthalter gelegt (S. 241). Christoffer Theis zählt Todesstrafen im antiken Nahen Osten auf: Die Verbrennung kann er für Israel, Ägypten und Mesopotamien plausibilisieren (S. 249–251). Die Pfählung ist für Israel, Ägypten, Mesopotamien und bei den Hethitern gesichert (S. 251–253). Erschießen, Erstechen und Steinigung schließlich sind in Israel bezeugt (S. 253–255).

Andrzej Wypustek analysiert ein Epigramm aus Arkesine auf Amorgos, das aus dem 2.–1. Jahrhundert v.Chr. stammt und den tragischen Tod eines Jünglings namens Diotimos im Gymnasion schildert. Die genauen Motive für den Vorgang sind im Dunkeln geblieben. Die Auseinandersetzung der Bewohner der Stadt mit Ausländern wird ergründet (S. 273–275). Die Dämonisierung des Täters durch den Autor könnte eine Spur zu überspitzt sein. Petr Zemánek stellt statistische Ergebnisse zu Verbrechen und Strafe in arabischen Texten vom Mittelalter bis zur Neuzeit vor. Der Ausdruck jarīma („Verbrechen“) schließt in eher technischem Sinn mehrere Straftaten wie Mord, Diebstahl und Ehebruch ein (S. 282). Die dortige Seltenheit der Erwähnung Gottes wird bemerkt (S. 282). Das Wort ʿuqūba („Strafe“) taucht in der ganzen arabischen Literaturgeschichte auf (S. 282). Die Einbindung Gottes in das Konzept tritt bis zum späten 19. und 20. Jahrhundert prononcierter hervor, bis sie schließlich verlorengeht (S. 282f.). Die häufigste Kollokation von ʿuqūba wird mit muʿāfā („Vergebung“) gebildet. Die direkte Verbindung von jarīma und ʿuqūba wird erst für das 20. Jahrhundert namhaft gemacht (S. 287). Ein Sach- und ein Quellenregister beschließen den Band.

Der Sammelband kann abschließend überwiegend positiv bewertet werden. Die einzelnen Interpretationen sind mehrheitlich gut nachvollziehbar, die meisten Argumente leuchten auch dem Nichtfachmann ein. Die Vielfalt und thematische Breite der einzelnen Beiträge hätte vielleicht noch durch eine zusammenfassende Betrachtung verbunden werden können. Auch hätte der englische Text teilweise sprachlich etwas geglättet werden müssen.

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