Titel
Die Krupps. Durch fünf Generationen Stahl


Autor(en)
Rother, Thomas
Erschienen
Frankfurt am Main 2001: Campus Verlag
Anzahl Seiten
247 S.
Preis
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Barbara Wolbring, Historisches Seminar, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main

Um es gleich zu Beginn zu sagen: Thomas Rothers „Die Krupps. Durch fünf Generationen Stahl“ ist ein Ärgernis. Das Buch ist, grob zusammengefasst, schlampig recherchiert, schlecht strukturiert und miserabel geschrieben. Dabei sind Absicht und Ansatz zunächst viel versprechend. Mit einer journalistischen Herangehensweise will der langjährige Redakteur der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ keine wissenschaftliche Forschungsarbeit präsentieren, sondern einem breiten Publikum die Geschichte der Stahlfirma Krupp als die einer Familie erzählen. Die Familie gibt es nicht mehr, zumindest nicht mit dem berühmten Namen, auch eine Verbindung der Nachkommen zum Unternehmen besteht nicht mehr. Und so beginnt das Buch mit einem Rundgang über den Essener Friedhof. Anhand der Monumente werden die Personen aus fünf Generationen vorgestellt und zugleich in groben Umrissen der Gang der Krupp-Geschichte skizziert.

Nach diesem „Prolog auf dem Friedhof“ setzt Rother neu an. Noch einmal, ausführlicher, wird die Familie vorgestellt, die Rother zweiteilt, denn die „eigentliche“ Familie Krupp ende mit dem Tod Friedrich Alfred Krupps 1902. Die zweite Familiengeschichte beginne mit der Heirat seiner Tochter und Erbin Bertha mit Gustav von Bohlen und Halbach 1906. Von da an „lässt sich die Familiengeschichte in zwei Richtungen lesen, rückwärts und vorwärts: Einmal hin zu den Wurzeln der Krupps, dann wieder nach vorne bis zu ihrem Ende im Juli 1967“ (S. 29; am 30.7.1967 starb der letzte Firmeninhaber, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, Anm. d. Verf.). Was Rother mit diesem Satz sagen will, bleibt undeutlich. Meint er tatsächlich, dass Familie nur in der männlichen Linie mit der Kontinuität des Familiennamens fortgeschrieben werden kann, dass Gene ebenso wie Traditionen von weiblichen Erben nicht weitergegeben werden können? Natürlich war der vorzeitige Tod des Firmeninhabers, der nur eine noch dazu minderjährige weibliche Erbin hinterließ, eine einschneidende Zäsur für die Firma. Sie wurde daraufhin in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, wenn auch Bertha Krupp fast Alleinbesitzerin der Aktien war. Die Verbindung zwischen dem Unternehmen und der Familie endete dann mit dem Tod ihres Sohnes Alfried 1967, der seinen einzigen Sohn Arndt – gegen eine großzügige Apanage - zum Erbverzicht hatte bewegen können und die Firma ebenso wie sein gesamtes Privatvermögen in die nach ihm benannte Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung einbrachte. Auch dieses Datum bedeutet damit für das Unternehmen eine entscheidende Zäsur1, beendet jedoch keineswegs die Geschichte der Familie. Diese zieht vielmehr, angeführt von Alfreds Nichte Diana Maria Friz, seither gegen das Testament und vor allem gegen den Testamentsvollstrecker Berthold Beitz zu Felde2, hat sich vor Gericht jedoch nicht durchsetzen können. Rother hingegen folgt der Familiensicht, was er allerdings nicht durch Argumente begründet.

Das hat auch ein breites Publikum jedoch verdient, ebenso wie ein akzeptables sprachliches Niveau. Rother hingegen wechselt ständig das Tempus, und das manchmal sogar innerhalb eines Satzes. Durch häufige Satzellipsen entsteht zudem ein gehetzter Stakkatoton, der nach Boulevardpresse klingt. Verstärkt wird dieser Eindruck durch eine Vielzahl von Adjektiven und allzu flapsige Wendungen, so zum Beispiel die Bezeichnung Wilhelms II. als „Wilhelm Zwo“ (S. 189). Und schließlich ist noch nicht einmal bezüglich der Fakten auf Rother Verlass. Zweigeteilt ist nämlich nicht so sehr die Familiengeschichte als vor allem der Kenntnisstand des Autors.
Für die von ihm als „eigentliche Familiengeschichte Krupp“ (S. 29) bezeichnete Zeit bis 1902 bezieht er sich ausschließlich auf die bisherige Literatur, ist dabei aber weder originell noch geistreich, sondern ungenau und immer wieder schlicht falsch. Das Firmenarchiv von Krupp mit seinen umfangreichen Beständen hat er nicht benutzt und auch die Hilfestellung der dortigen Historiker offenbar verschmäht. Vor allem stört die ständige Parallelisierung und Gegenüberstellung der Krupp-Vorfahren seit dem 16. Jahrhundert mit dem eigentlichen Firmengründer Alfred Krupp und dem Aufstieg der Firma seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Dass Essen in der Frühen Neuzeit als Büchsenmacherstädtchen bekannt war, dass der erste Essener Vorfahr der Krupps neben vielem anderen auch mit Eisenwaren handelte, dass die geschäftstüchtige Großmutter des Firmengründers Friedrich Krupp, Helene Amalie, eine Zeit lang Besitzerin der Gute-Hoffnungs-Hütte war, all das wird als beschwörende Vorboten und Anzeichen für den viel späteren Erfolg der Stahlfirma angeführt. Tatsächlich gibt es hier jedoch kaum Zusammenhänge. Sie werden auch nicht wirklich gesucht, und so bleibt das Mitgeteilte anekdotisch, ohne analytische Aussage.

Mühsam ist dann der Aufbau des Buches, das aus mehreren Einzelartikeln zusammengesetzt zu sein scheint. Jedenfalls setzt der Autor immer wieder neu an, zentriert um die Stadt Essen, die Firma, das Haus oder die Politik. Es entstehen ermüdende Erzählschleifen, wenn der gleiche Bogen des Aufstiegs immer wieder neu gezeichnet, auf den Kontrast des kleinen Beginns mit dem späteren Reichtum immer wieder hingewiesen wird. Auf S. 143 ist es auch nicht mehr nötig mitzuteilen, dass Friedrich Alfred der Sohn des eigentlichen Firmengründers Alfred Krupp war (was der Leser im Übrigen, falls er es vergessen haben sollte, in der Ahnentafel nachschlagen könnte).

Was Rother über die Bohlen und Halbachs zu berichten hat, ist demgegenüber dann durchaus in vielem interessant. Hier erfährt man Persönliches, das Rother in Interviews zusammengetragen hat, zum Beispiel über die Atmosphäre, in der die Kinder von Bertha und Gustav Krupp von Bohlen und Halbach auf Villa Hügel aufwuchsen. Zudem hat er das umfangreiche, heute im Ruhrlandmuseum befindliche Archiv des Essener Heimatforschers Ernst Schmidt ausgewertet, der über Jahrzehnte alles gesammelt hat, was in Zeitungen und Zeitschriften über Krupp und die Familie von Bohlen und Halbach erschien. Dadurch erfährt man manches, das die Akten des Firmenarchivs nicht bewahren. Anmerkungen gibt es allerdings nicht, und so ist leider nichts nachvollziehbar. Statt abzuwägen und zu argumentieren, übermittelt Rother durch die Nebeneinanderstellung an sich unzusammenhängender Fakten und durch die Art der Formulierung seine Botschaft: Dass nämlich Gustav Krupp von Bohlen und Halbach sich den Nationalsozialisten mindestens angebiedert habe, dass auch sein Sohn Alfried mit ihnen gemeinsame Sache gemacht habe, um dann mit Hilfe von Berthold Beitz die Familie um ihren Anteil an der Firma und damit um ihre Geschichte zu bringen. So simpel gestrickte Geschichten mögen einen Skandalartikel hergeben, in Buchform sind sie nur: ein Ärgernis.

Anmerkungen:
1 Hierzu Lothar Gall: Von der Entlassung Alfried Krupp von Bohlen und Halbachs bis zur Errichtung seiner Stiftung 1951 bis 1967/68, in: Ders. (Hgg.): Krupp im 20. Jahrhundert. Die Geschichte des Unternehmens vom Ersten Weltkrieg bis zur Gründung der Stiftung, Berlin 2002, 473-589, hier 579ff.
2 Vgl.: Diana Maria Friz, Die Stahlgiganten. Alfried Krupp und Berthold Beitz, Frankfurt a.M., Berlin 1990.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension