D. Kehoe (Hrsg.): Law and Transaction Costs

Cover
Titel
Law and Transaction Costs in the Ancient Economy.


Herausgeber
Kehoe, Dennis P.; Ratzan, David M.; Yiftach, Uri
Reihe
Law and Society in the Ancient World
Erschienen
Anzahl Seiten
VI, 300 S.
Preis
€ 88,04
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sven Günther, Institute for the History of Ancient Civilizations, Northeast Normal University, Changchun (China)

Betrachtet man den Wissenschaftsmarkt im Feld der Antiken Ökonomie, kann man mit Fug und Recht von einem Boom in der letzten Dekade sprechen. Die Korrelationen mit wirtschaftsrelevanten Fragen unserer Gegenwart sind dabei ebenso nicht zu übersehen wie eine gewisse Tendenz, der Neuen Institutionenökonomie (NIÖ) eine Vorreiterrolle bei der methodischen Herangehensweise an antikes wirtschaftliches Verhalten und Handeln einzuräumen. Selbst wenn alte, aus vielerlei Sicht überkommene primitivistische Sichtweisen in orthodoxer Nachfolge Finleys1 offen oder latent2 weiterhin eine Rolle spielen und weitere Modelle (wie die Netzwerkanalyse, komparatistische Ansätze oder die Marktpreisbildung) vielversprechende Forschungsansätze bieten3, scheint die NIÖ zusammen mit ihren Subtheoremen (Transaktionskosten-Theorie und Prinzipal-Agenten-Theorie) momentan das Nonplusultra für viele Forscher darzustellen; dies wohl auch deshalb, da die NIÖ trotz ihres eigentlich quantitativen Ursprungs die ob der Quellenlage großen Lücken der antiken Überlieferung hinsichtlich ökonomischer Daten aufzufangen vermag, nämlich in Form von Handlungsräumen, innerhalb dessen ein Individuum oder eine Gruppe, gelenkt letztlich durch konkrete oder abstrakte Institutionen, ökonomisch agiert.

Einer spezifischen Fragestellung aus dem Bereich der NIÖ widmet sich nun der zu besprechende Band, nämlich dem Zusammenhang zwischen Recht und Ökonomie unter dem Dach der sogenannten Transaktionskosten. Eine Arbeitsdefinition für diesen terminus technicus unter einer prägnanten Darstellung der Entwicklung der NIÖ liefern die Herausgeber in ihrer Einleitung (S. 1–35). Sie inkludieren dabei ganz konkrete Kosten für eine wirtschaftliche Transaktion (etwa Gebühren), also eine direkte Auswirkung von Transaktionskosten auf wirtschaftliches Handeln, sowie die indirekten Kosten, die in Form von Informationsfriktionen zwischen wirtschaftlichen Akteuren (etwa bei der Herbeiführung eines Kaufs-Verkaufs, der Fixierung sowie späteren Einforderung von Verträgen usw.) auftreten. Dass dabei staatlich gesetztes Recht sowie entsprechende Gesetze, Verordnungen und formale Regeln eine bedeutende Rolle spielen, arbeiten sie ebenso deutlich heraus wie die Tatsache, dass derlei Regelungen bewusst von staatlichen Institutionen zur Vergrößerung respektive Verminderung von Transaktionskosten im Bereich der Wirtschaft eingesetzt werden können, oftmals allerdings ganz unbewusst aufgrund einer völlig anderen Zielsetzung (etwa sozialer Art) auch Auswirkungen auf das ökonomische Subsystem zeitigen und noch dazu neben privaten Initiativen (etwa freie Vereinbarungen in Verträgen) zu stehen vermögen.

Die darauffolgenden zehn Beiträge arbeiten sich an Fallstudien quer durch die Antike mit Schwerpunkt im griechisch-römischen Ägypten ab, wobei letzteres aufgrund der vergleichsweise komfortablen Quellensituation mit einer Vielzahl von Papyri nicht überrascht. Während Gerhard Thür sowohl die konkreten Gerichtsgebühren in athenischen Prozessen als auch die im Vergleich dazu viel höheren Ausgaben etwa für Gerichtsredenschreiber, die Logographen, sowie die sozialen Mechanismen als ebenfalls zu berücksichtigende Kosten in den Blick nimmt (S. 36–50), widmet sich Josiah Ober dem Münzprüfungsgesetz aus dem Jahre 375/74 v.Chr. (S. 51–79). Durch die Zertifizierung auch nicht-athenischen, aber aufgrund des Imitationsgrades und des Silbergehalts als gleichwertig betrachteten Geldes, sogenannter guter Fälschungen, schufen die athenischen Behörden ein den Handel förderndes Vertrauenssystem, das zudem durch den Einsatz von Staatssklaven als Prüfer auch noch durch die rechtlich-soziale Ungleichheit im Falle von Fehlverhalten des staatlichen Beauftragten gestärkt werden konnte.

Mit den Transaktionskosten im vorptolemäischen Ägypten beschäftigt sich sodann Brian Muhs (S. 80–98). Er kann deutlich für die Zeitspanne von etwa 1070 bis 525 v.Chr. zum einen eine Entwicklung von der mündlichen hin zur schriftlichen Fixierung festmachen und zum anderen für letztere signifikante Veränderungen in den Formalia der Dokumentation aufzeigen. Einsichtig verknüpft er dies mit stärkeren Tendenzen zum extra-lokalen, also regionalen oder gar überregionalen Handel. Denn hier hätten die lokalen sozialen Regel- und Restriktionssysteme nicht mehr greifen können und damit „objektive“ Institutionen in Form von Gerichten, angesiedelt an regionalen Tempeln, eingeführt werden müssen.

Den Reigen der Untersuchungen zum ptolemäischen Ägypten eröffnet Joseph G. Manning, indem er die komplexen wie komplizierten Wechselbeziehungen zwischen traditioneller ägyptischer Verwaltungspraxis und neu eingeführten ptolemäisch-hellenistischen Strukturen beschreibt (S. 99–117). Die sich daraus ergebenden Spannungen, etwa bei der unterschiedlichen Anzahl von Zeugen bei privaten Verträgen oder allein schon bei der Auswahl der Abfassungssprache (Griechisch oder Demotisch), beschreibt Manning zwar, allerdings werden entscheidende Fragen, beispielsweise nach der Effektivität der neuen Herrschaft (nicht nur) im Bereich der Ökonomie nicht näher erörtert. Dies bleibt dem Artikel von Alain Bresson zur Geldwirtschaft im ptolemäischen Ägypten anhand P.Cair.Zen. 1 59021 vorbehalten (S. 118–144). Durch eine detaillierte Analyse sowie einen Vergleich mit dem mittelalterlichen Venedig kann er wahrscheinlich machen, dass die von Amts wegen übermittelten Beschwerden auswärtiger Händler über das nicht erfolgte Münzwechseln durch Umschmelzen im „geschlossenen“ Geldkreislauf Ägyptens auf eine verwaltungstechnische Maßnahme, nämlich eine Quotierung der auszumünzenden Golddrachmen, zurückzuführen sind. Diese scheinen „System“ gehabt zu haben, da es sich der Staat als Quasi-Monopolist für bestimmte Waren leisten konnte, die Transaktionskosten (vor allem die Wartezeit) für die ankommenden Händler zu erhöhen, ohne letztlich substantielle Einbußen hinnehmen zu müssen. Da die Händler selbstverständlich ihre höheren Einkaufspreise durch entsprechende Preisanpassungen beim Konsumenten zurückholten, waren sie ebenfalls nicht direkt Betroffene.

Zwei weitere Beiträge konzentrieren sich in der Folge vor allem auf Landveräußerungen: Uri Yiftach untersucht die unterschiedlichen Gebühren, die im ptolemäischen wie römischen Ägypten für die Erstellung von Rechtsdokumenten seitens der Schreiber erhoben wurden (S. 145–161). Da sich diese Gebühren nicht proportional zum Wert des beurkundeten Geschäftes verhielten, vielmehr neben Faktoren wie Tradition und Dokumentgröße vor allem überproportional hohe Kosten bei Urkunden für Landveräußerungen erhoben wurden, zieht er den Schluss, dass gerade letztere mit hohen Transaktionskosten versehen werden sollten und dadurch seitens der Administration auch kontrollierbar wurden. Die Einführung eines Registrierungsarchivs für Besitz seitens der römischen Verwaltung und deren Auswirkung auf den Kreditmarkt ist Gegenstand der Abhandlung von François Lerouxel (S. 162–184). Obschon die eigentliche Intention der Errichtung der bibliothēkē egktēseōn weiterhin in der Forschung umstritten sein wird, kann er klar die Auswirkungen auf den Kreditmarkt aufweisen: So wurden zwar Transaktionskosten in Form der Registrierung erhöht, diese wurden allerdings durch die Rechtssicherheit bei Kreditgeschäften mit realen Sicherheitsleistungen mehr als wettgemacht.

Wie sehr sich rechtliche Sphäre mit sozialen Gegebenheiten verzahnt4, arbeitet anschließend David M. Ratzan an einem Fallbeispiel, dem vertraglich verankerten Verbot der Rückholung von geliehenen Personen (insbesondere Sklaven), heraus (S. 185–230). So kann er beispielsweise zeigen, dass solche Klauseln bei Ammen-Verträgen außerhalb Alexandrias fehlten, da der sozial höhergestellte Sklaveneigentümer in der besseren Verhandlungsposition gegenüber den Ammen war oder, bei höheren Unterhaltungskosten, eine solche Amme gleich kaufte. Ebenfalls macht er darauf aufmerksam, dass solche Vertragsklauseln immer in Zusammenschau mit anderen Klauseln, etwa dem Verbot der Unterbrechung der Säugung seitens der Amme, zu analysieren seien und auf regional unterschiedliche Arbeitsbedingungen und damit Verhandlungsmacht der Vertragspartner hinwiesen; so sei man bei Lehrverträgen regional ganz unterschiedlich mit der Verbotsklausel einer vorzeitigen Rückholung vor dem Ende des Vertragsgegenstandes umgegangen.

Mit „Contracts, Agency, and Transaction Costs in the Roman Economy“ (S. 231–252) begibt sich Dennis P. Kehoe tief in die juristische Literatur der Römischen Kaiserzeit, die bestimmte finanzielle Entschädigungen bei Vertragsbrüchen, allerdings beschränkt auf gewisse vorhersehbare Eventualitäten, vorsah, um diese letztendlich zu vermeiden. Ebenfalls widmet er sich dem Problem des Agentenwesens, da das Römische Recht das stellvertretende Handeln durch (freie) Dritte nicht kannte. Von daher wurden die sozialrechtlichen Bindungen etwa zu Sklaven und Freigelassenen als „Ersatz“ genutzt, um über diese Gruppen „stellvertretend“ ökonomisch agieren zu können, wobei Haftungsfragen intensiv unter den Juristen diskutiert wurden.5

Rudolf Haensch setzt sich sodann mit der alten These auseinander, dass das Sportelwesen, also verschiedene Arten von teils informellen, teils formellen Gebühren im Gerichtswesen, ein Phänomen der Spätantike gewesen sei und von der wachsenden Distanz zwischen Herrschaftsapparat und (darunter leidender) Bevölkerung zeugte (S. 253–272). So kann er aufgrund einer neuen Inschrift aus Caesarea Maritima aus dem 5. Jahrhundert n.Chr. zunächst klarstellen, wie ausdifferenziert und entwickelt das Gebührenwesen in dieser Zeit bereits vorlag. Ausgehend davon kann er durch die Analyse der vergleichsweise marginalen Überlieferung für die ersten drei Jahrhunderte sowie überzeugender Widerlegung der meist vorgebrachten argumentationes ex silentio wahrscheinlich machen, dass sich solcherlei Gebühren bereits in frühester Zeit im Justizwesen finden, womöglich zunächst in informeller Weise eingefordert und erst später „verrechtlicht“ wurden. Eingriffe der späteren Kaiser seien dann nur bei übermäßiger und als ungerecht empfundener Ausnutzung des Systems seitens der profitierenden Offiziellen, nicht aber gegen das System als solches erfolgt.

Auf den inneren Zusammenhang der Einzelstudien aus systematisierender Perspektive weist der letzte, elfte Beitrag aus der Feder von Guiseppe Dari-Mattiacci hin (S. 273–292). So könne sich privates Aushandeln zur Reduzierung von Transaktionskosten, etwa in Verträgen, immer nur bis zu einem bestimmten Grade an Komplexität und Wirkung (etwa auf Dritte) erstrecken; sodann stünden staatlichen Institutionen weiterreichende Mittel zur Verfügung, die diese allerdings nicht immer zum reinen Wohlergehen der Ökonomie einsetzten, sondern auch andere Zielsetzungen, etwa Generierung von kurzfristigen Einnahmen wie im ptolemäischen Ägypten, mit dieser Politischen Ökonomie verfolgen konnten. Die Verfolgung nicht-ökonomischer Zielsetzungen hätte auch hier noch deutlicher herausgestellt werden können, da der Leser ansonsten den Eindruck gewinnt, dass staatliches Handeln stets und primär auf ökonomisch-fiskalische Aspekte ausgerichtet gewesen sei.

Alles in allem liegen in diesem Band einmal nicht nur anregende Einzelfallanalysen wie bei so vielen Sammelbänden vor, sondern die Studien werden auch durch das innere Band der Transaktionskostentheorie, angewendet auf rechtliche Aspekte der Ökonomie, mit entsprechendem Mehrwert miteinander verknüpft. Insofern erhalten die an Antiker Ökonomie Interessierten ein in sich kohärentes Werk an die Hand, das trotzdem noch Raum für weitere Studien, etwa im Bereich anderer hellenistischer Reiche oder der Römischen Republik, bietet. Vorsichtig sollte man allerdings bei einer allzu engen Anwendung der Transaktionskostentheorie sein, da diese zum einen dazu verleitet, alle und jede rechtliche Institution durch die „ökonomische“ Brille zu betrachten, und zum anderen – damit auf Engste verbunden – immer nur das zu beweisen vermag, was innerhalb ihres Ordnungsrahmens auch zu untersuchen ist.

Anmerkungen:
1 Zu einem Überblick über diese Position sowie neuere Ansätze der Wirtschaftsgeschichte der Antike vgl. jetzt Kai Ruffing, Von der primitivistischen Orthodoxie zum römischen Basar. Die Wirtschaft des Römischen Reiches in der Forschung des ausgehenden 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts, in: Renate Lafer / Karl Strobel (Hrsg.), Antike Lebenswelten. Althistorische und papyrologische Studien, Berlin 2015, S. 3–27; ebenso Sadao Ito, Evidence, Theories and the Ancient Economy. A Critical Survey of Recent Work, in: Japan Studies in Classical Antiquity 1 (2011), S. 4–25.
2 Offen: Hinnerk Bruhns, Cambridge, Bordeau ou Heidelberg: à quoi servent les „classiques“?, in: Catherine Apicella / Marie-Laurence Haack / François Lerouxel (Hrsg.), Les affaires de Monsieur Andreau: économie et société du monde romain, Bordeaux 2014, S. 29–41; latent die Positionen Finleys und Polanyis aktualisierend: Sitta von Reden, Antike Wirtschaft, Berlin 2015.
3 Vgl. dazu jetzt beispielsweise die vielseitigen Beiträge in Paul Erdkamp / Koenraad Verboven (Hrsg.), Structure and Performance in the Roman Economy. Models, Methods and Case Studies, Bruxelles 2015; Josiah Ober, The Rise and Fall of Classical Greece, Princeton 2015, der neben der NIÖ auch statistisch-quantitative Methoden sowie Schumpeters „kreative Zerstörung“ für seine These von der Korrelation zwischen demokratischer Entwicklung und wirtschaftlichem Wachstum im antiken Griechenland heranzieht. Zur Analyse antiker Marktsituationen vgl. für den römischen Bereich: Monika Frass (Hrsg.), Kauf, Konsum und Märkte. Wirtschaftswelten im Fokus – Von der römischen Antike bis zur Gegenwart, Wiesbaden 2013; für den griechischen Bereich jetzt: Edward M. Harris / David M. Lewis / Mark Woolmer (Hrsg.), The Ancient Greek Economy. Markets, Households and City-States, Cambridge 2016.
4 Für einen Blick auf die Finanzierungssituation der ägyptischen Städte, deren Honoratioren und Begüterte beispielsweise über Schuldverträge bestimmte öffentliche Leistungen finanzieren konnten, vgl. jetzt Stefanie Schmidt, Stadt und Wirtschaft im Römischen Ägypten. Die Finanzen der Gaumetropolen, Wiesbaden 2014.
5 Zur Exemplifizierung solcher stellvertretender Handlungen durch Sklaven vgl. Leonhard Schumacher, On the Status of Private actores, dispensatores, and vilici, in: Ulrike Roth (Hrsg.), By the Sweat of your Brow. Roman Slavery in its Socio-economic Setting, London 2010, S. 31–47.

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