O. Pfeiffer (Hrsg.): Das Tagebuch des Cajetan Graf von Spreti

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Titel
Das Tagebuch des Cajetan Graf von Spreti (1770–1807). Aufzeichnungen eines bayerischen Artilleriemajors aus dem Vierten Koalitionskrieg 1806/07


Herausgeber
Pfeiffer, Oliver
Reihe
Spreti-Studien 3
Erschienen
München 2015: Herbert Utz Verlag
Anzahl Seiten
152 S.,12 schw.-w. Ill., 5 farb. Ill.
Preis
€ 44,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dieter Langewiesche, Historisches Seminar, Eberhard Karls Universität Tübingen

Nach einer Einleitung, welche in die historische Situation Bayerns und in die Geschichte der Familie von Spreti einführt, wird der Tagebuchtext vom 15. Oktober 1806, als Cajetan den Befehl erhielt, mit bayerischen Truppen unter dem Oberkommando von Napoleons Bruder Jérôme in den Krieg zu ziehen, bis zum 5. Februar 1807 geboten. Am Tag danach fiel Cajetan, als er die Beschießung der preußischen Festung Cosel befehligte.

Das Tagebuch bietet einen Einblick in den Kriegsalltag im schlesischen Kampfgebiet. Als Artilleriekommandeur kam Cajetan von Spreti vor allem bei den Belagerungen von befestigten preußischen Städten zum Einsatz. Wenn er eine Verteidigung angesichts der Überlegenheit der Angreifer für zwecklos hielt, wie im Falle von Breslau, bedauerte er die Menschen und die Zerstörung der Gebäude. Plünderungen durch die eigenen Truppen lastete er der militärischen Führung an, die „schmutzige und ganz ungeeignete Requisitionen aller Art“ durchführe und ein schlechtes Vorbild sei (S. 100). Seine Kritik war jedoch nicht national motiviert. Die französischen Offiziere, mit denen er zusammentraf, beurteilte er nach ihren Funktionen und ihrem Verhalten. Die Offizierselite schätzte sich über die Fronten hinweg unabhängig davon, mit wem man gerade verbündet war und gegen wen man zu kämpfen hatte. So machten Cajetan und etliche Offiziere mit ihrem General bei einem pensionierten preußischen Kollegen ihre „Visite“ (S. 101). Wenn eine adlige Quartiergeberin von ihrem Ehemann, der wie ihr Bruder als Offizier auf preußischer Seite stand, keine Nachricht hatte, zeigte sich Cajetan betrübt. Als Offizier wurde er zumeist bei bessergestellten Familien einquartiert. Er genoss es, abends am Familienleben teilhaben zu dürfen, dachte wehmütig an die eigene Familie und bedauerte es, wenn er unter beengten Verhältnissen die Quartiersfamilie nötigen musste, sich in eine „Nebenkammer“ (S. 109) zurückzuziehen. Für Cajetan von Spreti war es ein Krieg zwischen Herrschern und ihren Staaten, nicht zwischen Nationen. In seinem Kriegstagebuch gibt es keinen Hinweis auf nationale Einstellungen – weder bei den Offizieren noch in der städtischen Bevölkerung, wenn er von ihr berichtet.

Als Major – an seinem Todestag war er zum Oberstlieutenant befördert worden – hatte er keinen Überblick über das Kriegsgeschehen. „Siege über Siege!“ notierte er am 4. November, doch er hörte nur davon. Er wurde in Dresden „bey Hof zum Mittagsmahl eingeladen“, und die „Hohen Herrschaften“ erkannten ihn und ließen Grüße an seinen Vater ausrichten (S. 90), doch er blieb im Unklaren, wo sein nächster Einsatzort liegen würde. Er klagte über die schnellen und langen Märsche – eine Grundlage für die militärischen Erfolge der napoleonischen Armeen -, und er beobachtete die Landschaft, durch die er reiten musste, und die Menschen, mit denen er in Kontakt kam. Wenn die „polnische und jüdische Einwohnerschaft“ von Kalisch dem französischen Oberbefehlshaber mit „gefärbten und reich gestickten Fahnen“ entgegen zog (S. 104), so knüpfte er daran keine politischen und keine religiösen Überlegungen. Der Tod war für ihn Übergang „in eine bessere Welt“ (S. 103 und 122: Brief an seine Frau). Andere Hinweise auf seine Religiosität gibt es nicht. Cajetan von Spreti tat seinen Dienst und legte Wert darauf, dies als ein „Offizier von Ehre“ (S. 101) zu tun. Dazu gehörte es, Zivilisten nicht unnötig in Not zu bringen und auch den militärischen Kampf möglichst auf das Notwendige zu begrenzen.

Die Publikation ist aus einer Examensarbeit hervorgegangen. Der Reihenherausgeber nennt sie ein „kleines Lesebuch zur Geschichte Bayerns“ (S. 8), keine historisch-kritische Edition. Sie wäre hier auch nicht angemessen gewesen. Immerhin werden die zahlreichen Personen, die das Tagebuch oft in ungewohnter Schreibweise nennt, soweit möglich ermittelt, auch die vielen Ortsnamen, mit denen von Spreti offensichtlich nicht vertraut gewesen war, werden eruiert, und heute nicht mehr geläufige Bezeichnung werden ebenfalls in den Anmerkungen erläutert. Was Pfeiffer als „altertümliche“ Handschrift empfindet (S. 13), ist die damals übliche deutsche Kurrentschrift, wie die als Anhang beigefügten Kopien von vier Seiten des handschriftlichen Tagebuchtextes zeigen. Von Spreti schrieb gut lesbar, so dass auch die wenigen Lesefehler auf den vier Seiten („Schicksall“ – der Hg. will buchstabengetreu wiedergeben; „vor“, nicht „von“; S. 122/141) ins Auge fallen. Der Anhang bietet zudem einige zeitgenössische Abbildungen von Personen und belagerten Orten sowie eine Karte des Einsatzgebietes. An zwei Stellen, die Cajetan frei gelassen hatte, hat sein Sohn Friedrich Passagen ergänzt. Sie sind im selben Duktus gehalten wie die übrigen Einträge. Vermutlich lagen dem Sohn handschriftliche Aufzeichnungen seines Vaters vor. Auch ein vom Sohn erstellter Auszug aus einem Brief, den Cajetan wohl an seinem Todestag seiner Frau geschrieben hatte, sowie die Tagesbefehle, in denen Jérôme als französischer Oberbefehlshaber und der bayerische König den Gefallenen ehren, sind beigefügt.

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