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Titel
Statue und Status. Statuen als Repräsentationsmedien der städtischen Eliten im kaiserzeitlichen Nordafrika


Autor(en)
Gilhaus, Lennart
Reihe
Antiquitas I 66
Erschienen
Anzahl Seiten
VIII, 432 S.
Preis
€ 89,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Julia Hoffmann-Salz, Historisches Institut, Universität zu Köln

Das Ziel der vorliegenden Arbeit von Lennart Gilhaus ist es, Repräsentationsverhalten und Repräsentationsmentalität der städtischen Eliten des kaiserzeitlichen Nordafrikas zu ergründen. In diesem Werk, eine leicht überarbeitete Fassung der Dissertation des Autors, die im Wintersemester 2014/15 an der Universität Bonn angenommen wurde, sollen „die strukturierenden Elemente und Charakteristika der städtischen Gesellschaft und insbesondere ihrer Eliten“ (S. 3) rekonstruiert werden. Dies geschieht mithilfe einer systematischen Erfassung bislang verstreut publizierter Statuenfunde und insbesondere der zugehörigen epigraphischen Texte, die neben einer Analyse im Text am Ende des Bandes in einer übersichtlichen und gut nutzbaren Tabelle zusammengestellt werden. Aufgrund der Quellenlage konzentriert sich Gilhaus auf die Africa Proconsularis und den Zeitraum zwischen 31 und 284 n.Chr.

Der Band ist in fünf Kapitel gegliedert. Die ersten drei Kapitel liefern mit der Einleitung, einer Diskussion der Begrifflichkeiten und den Rahmenbedingungen des Städtewesens in Nordafrika Hintergrundinformationen zum Verständnis der folgenden Analyse. Hier setzt sich Gilhaus zunächst mit den gängigen Modellen der römischen wie auch der städtisch-provinzialen Gesellschaft auseinander. Dabei folgt er insbesondere den Überlegungen von Aloys Winterling und hält fest: „entsprechend kann man unter dem Begriff der Elite diejenigen Personen zusammenfassen, die im Modus des Politischen eine Integrationsfunktion für die Gesellschaft erfüllten“ (S. 14). Er weist dem „Dialog mit dem Publikum“ eine entscheidende Rolle bei der Definition zu, wer in welchem Gemeinwesen zur Elite gezählt wird (S. 14). Ihr Repräsentationsverhalten erfüllte damit „Orientierungsfunktionen für die städtische Gemeinschaft“ (S. 15) und daraus habe sich auch ihre Macht generiert.

Deshalb wirft er im Folgenden auch einen Blick auf die „Rahmenbedingungen der städtischen Eliten in Nordafrika“ (S. 17–32) und skizziert zunächst grundlegende Charakteristika des nordafrikanischen Städtewesens in hellenistischer Zeit. Dabei betont er unter anderem die lebendige epigraphische Kultur der punischen Städte sowie die enge kulturelle Verbundenheit von Küste und Binnenland. Es folgen ein Blick auf die „Auswirkungen des Falls von Karthago und die römische Herrschaft in spätrepublikanischer Zeit“ (S. 33–41) und dann die „Administrativen Rahmenbedingungen des städtischen Lebens im kaiserzeitlichen Nordafrika (1.–3. Jahrhundert n.Chr.)“ (S. 41–47).

Im Hauptteil widmet sich der Autor den Statuen als Repräsentationsmedien. Systematisch stellt er dabei das Material in zwei großen Kategorien zusammen: zunächst in Bezug auf „Geehrte und Ehrende“ (Kapitel 4.1.) und sodann in Bezug auf „Raum und Repräsentation“ (Kapitel 4.2.). Im Teil zu „Geehrten und Ehrenden“ werden die sozialen Statusgruppen Kaiser, hohe Amtsträger, städtische patroni, Senatoren, Ritter und iudices ex quinque decuriis, städtische Amtsträger und Priester, Freigelassene und Sklaven, städtische Vereinigungen und populus sowie Statuenaufstellungen „aufgrund persönlicher Nahbeziehungen“ analysiert. Gilhaus kann zeigen, dass „die soziale Bandbreite der Geehrten“ (S. 159) groß ist. Dabei wirkte der ordo der Gemeinden als Kontrollinstanz, denn er „verantwortete und bezahlte den Großteil aller Statuen und agierte dabei oft im Namen der Gesamtgemeinde“ (S. 160). Wenig überraschend gilt dies insbesondere für Denkmäler für Kaiser, denen man offenbar in jeder Stadt mindestens ein Bildnis aufstellte. Patrone der Städte wurden ebenfalls fast ausschließlich vom Stadtrat geehrt, was dessen Rolle als „Außenvertretung der Städte“ (S. 160) bestätigt. Überraschend ist vielleicht, dass kaum Unterschiede zwischen Ehrungen für Senatoren und Ritter im Reichsdienst auszumachen sind. Gleichzeitig betätigte sich diese Gruppe kaum als Initiator von Statuenweihungen, was mehrheitlich von lokalen Amtsträgern – offenbar häufig im Zusammenhang mit ihrem Amtsantritt – besorgt wurde. Diese Gruppe erhielt neben den Kaisern auch die meisten Statuen. Und fast nur bei ihnen findet sich der populus als Beteiligter des Aufstellungsprozesses.

Insgesamt sieht Gilhaus chronologische wie lokale Entwicklungslinien: Habe man im 1. und frühen 2. Jahrhundert vor allem Kaisern und Statthaltern Statuen in den großen urbanen Zentren errichtet, so seien Weihungen von Dekurionen vor allem zwischen 150 und 230 festzustellen; auch Ehrungen für Ratsmitglieder konzentrierten sich auf die antoninische Zeit und die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts. Die severische Zeit sei die Hochphase der Statuenaufstellungen gewesen, in der auch in den Städten des Hinterlandes zahlreiche Ehrenstatuen errichtet worden seien, während in den Küstenzentren schon ein langsamer Niedergang der Praxis sichtbar werde (S. 162).

Im Kapitel zu „Raum und Repräsentation“ stellt Gilhaus die Funde anhand der Aufstellungsorte zusammen. Hier bearbeitet er die repräsentativen Räume der Stadt – Forum, Theater, Thermen, administrative und merkantile Bauten, Tempel und weitere Standorte. Auf die Zusammenstellung der Befunde aus einzelnen Beispielstädten, die mit Plänen illustriert sind, folgt zu jedem Raum eine vergleichende Auswertung. Dabei kann er etwa für die Fora zeigen, dass hier insbesondere der Stadtrat Statuen für Kaiser aufstellen ließ, während Einzelpersonen nur in Ausnahmefällen – etwa bei der Übernahme hoher städtischer Ämter – dazu eine Erlaubnis erhielten (S. 200f.). Es wird deutlich, dass das Forum als „zentraler Ort für Repräsentation“ der Gemeinde einer strikten Raumordnung durch den Dekurionenrat unterlag, der über Aufstellungsorte, Aufstellungsanlässe und Ehrungsformen wachte. Dagegen waren andere städtische Räume nicht regelmäßig Aufstellungsort für Ehrenstatuen. Gebäude wie Theater oder Thermen wurden hauptsächlich mit Götterstatuen geschmückt, die bei der Errichtung eingebracht und bei späteren Renovierungen oder Umbauten ergänzt werden konnten (S. 290f.).

In den kurzen „Schlussbetrachtungen“ werden die Arbeitsergebnisse unter zwei Aspekten zusammengefasst: zunächst die „soziale Funktion von Statuenaufstellungen in den Städten Nordafrikas“ (S. 293–296) und dann die „Epigraphische Kultur und soziale Praxis“ (S. 296–304). In Bezug auf die soziale Funktion hält Gilhaus dabei vier Ergebnisse fest: Statuen wurden als Loyalitätsbekundungen gegenüber dem Kaiser aufgestellt und als Auszeichnung für erbrachte oder erhoffte Leistungen gewährt, sie waren ein Abbild der sozialen Ordnung des Gemeinwesens und seiner Einbindung ins Reich und schließlich Teil des kulturellen Gedächtnisses der Gemeinde. Dabei sieht Gilhaus in der Aufstellungspraxis dieser Monumente Zeichen für sozialen Wandel in den städtischen Gesellschaften der Provinz, den er im Kapitel zu „Epigraphische Kultur und soziale Praxis“ skizziert. Hier fasst er noch einmal die in Kapitel 4.1. beschriebene chronologische Entwicklung der Aufstellungspraxis in der Provinz zusammen und bietet dann eine Deutung. Als ersten Punkt spricht er dabei die zeitliche Koinzidenz der Aufstellung von Statuen und des Aufstiegs von Mitgliedern der städtischen Eliten in den Ritter- oder Senatorenstand an. Daneben habe die Privilegierungspolitik der Kaiser eine „Aufwärtsmentalität“ der lokalen Eliten gefördert, die in einen „Kreislauf von Konkurrenz, Patronage und Privilegierung“ mündete (S. 301), der zunächst in den großen urbanen Zentren an der Küste und bald auch im Hinterland sichtbar geworden sei. Nach zwei bis drei Generationen habe sich dieser Trend aber gewandelt, da nun von den Eliten andere Repräsentationsformen – und zwar vor allem auch die Betonung des Abstandes von der restlichen Bevölkerung – bevorzugt worden seien. Senatoren und Ritter wirkten dabei als Vorbilder, deren Verhaltensmuster und Repräsentationsmentalität von den lokalen Dekurionen kopiert worden seien. Dem Band sind neben den schon angesprochenen hilfreichen Tabellen mit den Statueninschriften geordnet nach Personengruppen noch Überlegungen zu „Kriterien der Bestimmung von lateinischen Statueninschriften in Nordafrika“ (S. 305–316) sowie zu den „Statuen für Apuleius“ (S. 317–320) und eine umfangreiche Bibliographie beigegeben.

Insgesamt legt Gilhaus eine verdienstvolle und in der Systematik exemplarische Synthese des Materials vor, die viele teils nur postulierte Vorstellungen der neueren Forschung zur Funktionsweise der römischen (Provinzial)Gesellschaft bestätigt. Der Wert dieser Arbeit liegt dabei in der erstmaligen Zusammenschau der Statueninschriften und deren Einbindung in einen größeren sozial-historischen Kontext. Es ist daher umso bedauerlicher, dass der Anschluss der Ergebnisse an die in den ersten Kapiteln angesprochene Forschungsdiskussion zur Einbettung lokaler Eliten in institutionelle Verhaltensmuster und den daraus zu gewinnenden Erkenntnissen über die römische Gesellschaft als Ganzes nur summarisch erfolgt.