F. K. Drogula: Commanders and Command in the Roman Republic

Cover
Titel
Commanders and Command in the Roman Republic and Early Empire.


Autor(en)
Drogula, Fred K.
Reihe
Studies in the History of Greece and Rome
Erschienen
Anzahl Seiten
X, 422 S.
Preis
$ 59,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Simon Lentzsch, Historisches Institut, Universität zu Köln

Fred Drogula untersucht die Entstehung des Konzeptes des militärischen Kommandos in der römischen Republik und verfolgt dessen Entwicklung bis in die frühe Kaiserzeit. Diesem Thema widmet sich Drogula in sieben Kapiteln, in denen er den weitgespannten Untersuchungszeitraum in chronologischer Reihenfolge durchschreitet. Eingerahmt werden diese Abschnitte von einer pointiert formulierten Einleitung (S. 1–7) sowie einer Zusammenfassung der Ergebnisse (S. 374–382), an welche sich eine umfangreiche Bibliographie (S. 383–408) sowie ein sorgfältig erstellter Index (S. 409–422) anschließen. Zu Beginn weist Drogula auf zwei Probleme hin (S. 3–6). Zum einen seien die meisten der erhaltenen Quellen teilweise erst Jahrhunderte nach den Ereignissen, die sie beschreiben, entstanden, was Verzerrungen und falsche Annahmen gefördert habe. Zum anderen seien auch die Rekonstruktionen der modernen Forschung vielfach kritisch zu hinterfragen, da sie oft Maßstäbe und Interpretationsmuster anlegten, die für die Verhältnisse der frühen und mittleren Republik anachronistisch seien – etwa hinsichtlich der Stabilität und formalen Fixierung von Ämtern und ‚Verfassungssystemen‘. Demgegenüber beabsichtigt Drogula „a more fluid and flexible idea“ (S. 6) der Entwicklung des militärischen Kommandos in der römischen Republik zu bieten, indem er die einschlägigen Quellen und Forschungsbeiträge einer kritischen Revision unterwirft.

Im ersten Abschnitt erörtert Drogula die Anfänge militärischer Führung in der Republik („Concepts and Traditions of Military Leadership in Early Rome“, S. 8–45). Wesentlich für das Verständnis dieser frühen militärischen Unternehmungen der Römer sei es, dass es sich hierbei noch nicht um staatlich organisierte Feldzüge, sondern um private, von den Oberhäuptern einflussreicher Familien geplante und durchgeführte Unternehmen gehandelt habe, die sich im Wesentlichen darin erschöpft hätten, dass die von ihnen geführten Truppen nahegelegene Territorien geplündert hätten. Eine zentrale staatliche Kontrolle über diese Feldherren habe noch nicht existiert. Militärische und zivile Führung seien in dieser Frühzeit noch nicht zusammengefallen, was durch eine Reihe von Detailbeobachtungen in den Quellen wahrscheinlich gemacht werden könne.1

Im zweiten Kapitel geht es vor allem um den Prozess der zunehmenden zentralen Kontrolle des militärischen Kommandos („Fundamental Concepts of Authority in Early Rome“, S. 46–130). Hier diskutiert Drogula einige, hinsichtlich des Verständnisses des militärischen Kommandos zentrale Konzepte. Im Rahmen der Kriegsführung handelte es sich dabei um das imperium, das dem jeweiligen Feldherrn eine praktisch unbeschränkte Verfügungsgewalt über die Angehörigen seiner Armee einräumte. Das Bestreben, diese Gewalt im zivilen Raum einzuschränken, habe zur Unterscheidung der Sphären von domi und militiae geführt. Das Problem, auf welche Autorität ein Magistrat domi zurückgreifen konnte, lösten die Römer jedoch nicht, wie Theodor Mommsen annahm, durch die Unterscheidung zweier verschiedener Typen von imperium, sondern durch eine weitere Quelle von Autorität, der potestas, die es einem Magistraten ermöglichte, seine zivilen Aufgaben wahrzunehmen (S. 56–68 u. 85–129). Das Konzept imperium habe also allein die Kriegsführung betroffen, ein imperium domi, wie es von Mommsen vermutet wurde, existierte nicht.

Im dritten Kapitel beschäftigt sich Drogula mit der Frage, inwieweit die Römer die theoretisch unbegrenzte Befehlsgewalt ihrer Feldherren in der Praxis begrenzten („The Concept of Provincia in Early Rome“, S. 131–181). Dies geschah durch die Zuweisung in der Regel recht klar benannter Aufgaben, der provincia, in deren Rahmen jeder Feldherr mit eigenem imperium über unumschränkte Befehlsgewalt verfügte. Für Fälle, in denen mehrere Feldherren gemeinsam agierten, existierten weder eine festgelegte „chain of command“ (S. 180), noch formale Hierarchien. Stattdessen hätten die Feldherren unter der Beachtung ungeschriebener, aber wirkmächtiger Regeln gehandelt, die meist ein konfliktfreies Funktionieren gewährleistet hätten (so etwa der turnusmäßige Wechsel des Oberbefehls oder der Vorrang des Magistraten, in dessen provincia operiert wurde). Erst im Laufe eines längeren Prozesses hätten sich ein System der Ämterhierarchie und weitere Regeln zur Amtsführung entwickelt („The Development of the Classical Constitution“, S. 182–231). So sei es zwar wahrscheinlich, dass bereits die frühen Feldherren Praetoren genannt wurden, doch habe deren Position wenig mit dem späteren Amt gemein gehabt. Auch die bei Livius nachzulesende Geschichte um die Entstehung der Konsulatsverfassung mit zwei Konsuln und einem Praetor im Jahr 367 sei in dieser Form gewiss unhistorisch. Es seien vielmehr zunächst drei mehr oder weniger auf gleicher Stufe stehende Stellen einer Magistratur geschaffen worden, deren Inhaber mit militärischen Aufgaben betraut worden seien.

Zu einer Ausdifferenzierung sei es nicht durch bewusste verfassungsrechtliche Festlegungen, sondern durch die Praxis über einen längeren Zeitraum und die hieraus resultierende Gewohnheit gekommen: Zwei der Praetoren, die sich bei ihren Operationen abstimmen bzw. beraten mussten (consulere), waren laut Drogula regelmäßig mit militärischen Aufgaben jenseits der Stadt betraut, weshalb sie höheren Ruhm und Reichtum als derjenige erwerben konnten, der zur Sicherung der Hauptstadt in der Regel in Rom bzw. dem Umland verblieb (praetor urbanus). Da die Ausführung von Feldzügen in Feindesland hinein wohl bald als attraktiver und prestigeträchtiger angesehen wurde, entwickelte sich eine ungeschriebene Hierarchisierung und wohl auch zunehmende Unterscheidung beider ‚Ämter‘, die jedoch erst im 2. Jahrhundert v.Chr. formal festgelegt wurde.2 Auch ein formal fixiertes imperium maius bzw. minus gab es in der Republik lange nicht (S. 193–209). Der praetor urbanus habe sich zwar häufig an den Ratschlägen der Konsuln orientiert, doch habe dies daran gelegen, dass diese meist über ein größeres Sozialprestige verfügt hätten, da die konsularischen provinciae einflussreichen Adligen als attraktiver erschienen seien (S. 198).

Eine unsystematische Entwicklung lasse sich auch hinsichtlich der militärischen und administrativen Kontrolle der neu eroberten Gebiete auf Sizilien, Sardinien, Korsika und in Spanien erkennen, aus denen bekanntlich die ersten Provinzen im heute gängigen Sinne des Begriffes wurden (Kapitel 5: „From Command to Governance“, S. 232–294). Nach deren Eroberung wurden dort weiterhin Truppen stationiert. Hieraus entwickelten sich konstante Aufgabenbereiche, die wohl recht bald mit den mit ihnen verbundenen geographischen Räumen identifiziert wurden. Die Einwohner dieser Gebiete suchten in rechtlichen Streitfällen wahrscheinlich von sich aus den Kontakt zu den römischen Befehlshabern vor Ort, woraus sich eine recht ungeordnete Form der provinzialen Administration entwickelte. Die offen erkennbaren Unterschiede zwischen diesen neuartigen provinciae und den klassischen Feldzugskampagnen führten zu einer weiteren Differenzierung verschiedener Magistraturen. Denn für die Konsuln der herkömmlichen provinciae ergaben sich stets genügend Möglichkeiten zur kriegerischen Bewährung und materiellen Bereicherung. Den Praetoren der neuen provinciae fehlten diese Optionen hingegen in der Regel, weshalb sie als Alternative oft dazu übergingen, die Bewohner der von ihnen kontrollierten Gebiete auszupressen, was durch den Senat nur geringfügig begrenzt wurde. Trotz dieser Möglichkeiten der Bereicherung, blieben die klassischen Feldzugsaufgaben offenbar attraktiver, so dass sich die unterschiedliche Gewichtung der Aufgaben der Konsuln und Praetoren zunehmend verstärkte.

Das im 3. und 2. Jahrhundert v.Chr. über Generationen etablierte System der militärischen Befehlsgewalt sei in der späten Republik wiederum einer Reihe von teils tiefgreifenden Änderungen unterworfen worden, was wesentlich zur Transformation des politischen Systems beigetragen habe (Kapitel 6. „The Late Republic“, S. 295–344). Grundsätzlich seien zwar auch in diesen Jahrzehnten viele der etablierten Regeln und Gewohnheiten beibehalten worden, doch über einen Zeitraum von zwei bis drei Generationen hinweg sei es einigen einflussreichen Feldherren gelungen, ihre jeweiligen Machtbereiche dramatisch auszuweiten. Besonders folgenreich war dabei, dass diese Individuen, beginnend bei C. Marius, mit Hilfe von Volksbeschlüssen die Vergabe von provinciae auch gegen den Willen des Senats bewirkten. So verlor der Senat zunehmend die Kontrolle der Vergabe wichtiger provinciae. Die hierdurch freigesetzten Kräfte und politischen Auseinandersetzungen trugen dann wesentlich zur Entstehung der Bürgerkriege der späten Republik bei. Erst im Zuge dieser Kämpfe sei erstmals das Konzept des imperium maius zum Einsatz gekommen, das Cicero vorschlug, um dem Caesarmörder Cassius eine klar definierte höhere Macht gegenüber allen anderen Feldherren in seinem Operationsbereich zu verschaffen. Auch hierbei handelte es sich zunächst also um eine situative Maßnahme, die dann weitergehende Folgen hatte. Ähnlich verhielt es sich hinsichtlich der Legaten cum imperio, die Pompeius im Kampf gegen die Seeräuber einsetzen durfte; dies habe strenggenommen den frühesten Fall dargestellt, in dem ein Imperiumsträger formal und eindeutig einem anderen unterstellt worden sei (S. 332–337).

Der Umgang des Augustus mit der Tradition des republikanischen Oberbefehls ist der Gegenstand des letzten Kapitels („Augustan Manipulation of Traditional Ideas of Provincial Governance“, S. 345–373). Ausgehend von seiner faktischen Macht über den Senat, konnte Augustus sich legal jene provinciae zuweisen lassen, die für die Kontrolle über den römischen Machtbereich notwendig waren. Wie auch in anderen Bereichen zeigte Augustus sich bei der Verwendung eines urrepublikanischen Konzeptes also einfallsreich. Dies galt auch für die Adaption des imperium maius, das immerhin durch den Republikaner Cicero erstmals vorgeschlagen worden war und nun dazu diente, die Machtposition des Augustus durch formale Regelungen abzusichern. Man dürfe davon ausgehen, dass diese Veränderungen in der Handhabung bekannter Konzepte auch den Zeitgenossen aufgefallen seien. Augustus’ Umgang mit dem Erbe der Republik erleichterte es jedoch gerade den etablierten Eliten, die Herrschaft im neuen System des Prinzipats zu akzeptieren, das schrittweise entwickelt wurde.

Drogulas Buch über „Commanders and Command“ entwirft ein anregendes Bild über das Funktionieren der militärischen Befehlsgewalt in der römischen Republik, das mehr Raum für Entwicklung lässt, als einige, an verfassungsgeschichtlichen Ansätzen orientierte Arbeiten früherer Forscher. Natürlich ist auch in Drogulas Rekonstruktion nicht alles vollkommen neu – ein Anspruch, den er freilich auch nicht erhebt; er verweist vielmehr explizit auf die reichhaltige Forschungstradition, ohne die seine Studie nicht möglich gewesen wäre (S. 5f.). Drogulas kritischer Blick auf die Entwicklung des römischen Kommandos über den Zeitraum eines halben Jahrtausends hinweg ist jedoch in jedem Fall erfrischend und instruktiv. Auch wenn die oft schwierige Quellenlage immer wieder andere Deutungen erlaubt und daher nicht alle Leser jede Interpretation und Rekonstruktion im Detail teilen werden, nötigt Drogulas gedankenreiche wie gehaltvolle Studie dem Leser dennoch hohen Respekt ab. Sie kann deswegen allen, die sich für die Geschichte der römischen Republik und der militärischen Befehlsgewalt in der Antike interessieren, als eine anregende Lektüre empfohlen werden.

Anmerkungen:
1 Hierfür spreche unter anderem der Umstand, dass Konsuln und Volkstribunen ihr Amtsjahr zu verschiedenen Zeitpunkten antraten, was darauf hinweise, dass „military and civilian officials were seen as fundamentally different in nature“ (S. 32).
2 Diese Beobachtung passt zu den Ergebnissen der Arbeit von Hans Beck (Karriere und Hierarchie, Berlin 2005), nach der noch für das letzte Drittel des 3. Jahrhunderts kein eindeutige Rangfolge zwischen Praetur und Konsulat in den Laufbahnmustern römischer Aristokraten festzustellen ist.

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