A. Küter: Zwischen Republik und Kaiserzeit

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Titel
Zwischen Republik und Kaiserzeit. Die Münzmeisterprägung unter Augustus


Autor(en)
Küter, Alexa
Reihe
Berliner numismatische Forschungen N.F.11
Erschienen
Anzahl Seiten
XI, 412 S.
Preis
€ 79,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sven Günther, Institute for the History of Ancient Civilizations, Northeast Normal University, Changchun (China)

Willfährige Handlanger des neuen Systems oder ein erratischer Block in einem ansonsten perfekt funktionierenden Kaiserregime – die Prägung von knapp 200 Münztypen mit Legenden der römischen Münzmeister, die nach der Begründung des Prinzipats durch Augustus mit dem Staatsakt am 13./16. Januar 27 v.Chr. gegen Ende der 20er-Jahre einsetzten und bis einige Jahre vor der Zeitenwende andauerten, gaben der Forschung bislang so einige Rätsel auf: Neben der übergeordneten Frage nach der Nähe dieser Münzmeister zum Prinzeps respektive ihrer Eigenständigkeit bei der Münzauswahl waren die Chronologie der Prägungen (Anfangs- und Endpunkt und die relative Ordnung), Motiv(aus)wahl, (tages)aktuelle Bezüge und viele andere Aspekte umstritten, oft weit in Publikationsorganen gestreut und bislang noch keiner zusammenfassenden Schau und Bewertung ausgesetzt. Mit ihrer 2008 in Tübingen beim Numismatiker Reinhard Wolters (nun Wien) sowie dem Archäologen Thomas Schäfer eingereichten Dissertation, die in enger Kooperation mit dem Münzkabinett der Staatlichen Museum zu Berlin entstand, hat die Altertumswissenschaftlerin Alexa Küter diese Lücke in beeindruckender Art und Weise geschlossen und dafür zu Recht unter anderem den Walter-Hävernick-Preis für Numismatik der Nachwuchsstiftung der Numismatischen Kommission der Länder in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2014 erhalten.

Bereits die Einleitung (S. 1–6) macht die reflektierte und methodisch saubere Arbeitsweise der Untersuchung deutlich: Den disparaten Forschungsstand referierend, erweist Küter die Schwächen der bisherigen chronologischen wie auch interpretativen Ansätze, die sich oft nur weniger methodischer Zugänge bedient hätten. Ihr Ansatz kombiniert hingegen fächer- und methodenübergreifend numismatisch-archäologische (etwa Metall- und Fundanalyse und Bildinterpretation), althistorische (etwa historischer Kontext und Prosopographie) sowie philologische (Auswertung literarischer Quellen) Instrumente, sodass ihre Ergebnisse stets auf abgewogener Argumentationsbasis ruhen. Davon zeugen auch das umfangreiche Literaturverzeichnis (S. 353–392) sowie die Register, wobei neben dem numismatischen und archäologischen Quellenindex bedauerlicher- wie unverständlicherweise ein Verzeichnis der verwendeten literarischen Quellen, Inschriften und Papyri fehlt.

Im zweiten, der schwierigen Chronologie der Münzmeisterprägungen gewidmeten Teil (S. 7–28) entkräftet Küter zunächst Schritt für Schritt die Argumente der Befürworter einer Spätdatierung, die die Einsetzung der Münzmeisterprägungen in Edelmetall (und kurze Zeit später in Buntmetall) im Jahr 19 v.Chr. setzen, und spricht sich mit guten Argumenten für eine Datierung ins Jahr 23 v.Chr. aus: Insbesondere die politischen Umstände – so die Verschwörung des Varro Murena, die Krankheit des Augustus und die Nachfolgediskussion unter Stärkung der „Republikaner“, die Neuordnung der Vollmachten des Augustus (tribunicia potestas sowie imperium proconsulare maius samt weiterer Vorrechte) im Zuge der Aufgabe der permanenten Besetzung einer Konsulstelle und der Tod des Marcellus –, die bezeugte Reform der Finanzverwaltung im aerarium Saturni sowie eventuell die Neuordnung des Vigintivirats und damit auch des Münzmeisteramtes deuten auf dieses Jahr als Beginn der Münzmeisterprägungen, und weitere, allerdings schwächere Argumente (Hortfunde, Kombination von prosopographischer Methode mit Metallanalysen) untermauern dies. Sodann wendet Küter sich der relativen Abfolge der Münzmeisterprägungen zu, wobei ihre Feindatierungen auf einer Gruppierung der Münzmeister (anhand gemeinsam ausgeprägter Stücke mit entsprechenden Legenden, Stempelkopplungen usw.), Metallanalysen, prosopographischen Erwägungen sowie der historischen Einzelanalyse im folgenden zweiten Teil fußen. Ihre so neu gewonnene chronologische Abfolge stellt sie, mit den älteren Vorschlägen vergleichend, auch übersichtlich tabellarisch dar (S. 24f.: Tabelle 1–2). Das Ende der Münzmeisterprägung (in Edelmetall im Jahr 12 v.Chr., in Buntmetall 6 v.Chr. mit einem kurzen ‚Revival‘ 10–12 n.Chr., allerdings ohne Nennung der Münzmeisternamen) erklärt sie überzeugend mit ökonomischen Umständen, nämlich der Übersättigung an Nominalen, welche durch den fast jährlichen Ausstoß an Prägungen bald erreicht worden war.

Der dritte Teil mit der Einzelanalyse der Münzmeisterprägungen bildet das Kernstück des gesamten Werkes (S. 29–318). Umfassend und sorgfältig werden die einzelnen Münztypen besprochen, wobei zunächst vorhandene prosopographische Informationen zum Münzmeister, sodann eine Kurzbeschreibung des jeweiligen Münztypus, Überlegungen zu Bildquelle(n) für Avers und Revers1, Forschungsgeschichte sowie Kommentar gegeben werden. Ohne hier auf die zahlreichen und wichtigen Detailbeobachtungen eingehen zu können, kann man mit Fug und Recht sagen, dass Küter archäologisch-numismatische, althistorische und philologische Methodenstränge geschickt vereinigt und gerade dadurch Erkenntnisfortschritte erzielt.

Wie wichtig gerade die Zusammenführung solcher Zugänge für die Interpretation des einzelnen Münztypus (wie auch für die Gesamtbewertung) ist, erweisen – um nur eines von vielen Beispielen herauszugreifen – die Prägungen des C. Antistius Vetus (S. 201–220): Bei ihm ist die Ausgabe verschiedener Münztypen während seines Münzmeisterjahres 16 v.Chr. mit Bezügen zu sakralen Handlungen auffällig, so zum foedus Gabinum (der Isopolitie-Vertrag zwischen Rom und Gabii nach dem Sieg über den ehemaligen König Tarquinius Superbus), zum Apollo Actius, zu Kultgeräten der vier höchsten Priesterkollegien (quattuor amplissima collegia: pontifices, augures, XVviri sacris faciundis und die VIIviri epulonum), vota und Opferdarstellung für das gesundheitliche Wohl des Prinzeps. Durch ihre Feinanalyse vermag Küter hier die geschickte Verbindung von Familiengeschichte, eigener Leistung bzw. des Anspruches des Münzmeisters, Ehrung des Augustus und tagesaktuellen wie auch literarischen Bezügen aufzuweisen. So wie nämlich das foedus Gabinum eng mit der aus Gabii stammenden gens Antistia verknüpft war, war der ausgeprägte Apollo von Actium eines der Wahr- und Siegeszeichen des späteren Augustus. Dieser Münztypus spielt möglicherweise auf Monumente desselben in Rom auf dem Palatin oder in Nikopolis an, greift sicherlich aber literarische Erwähnungen (so bei Vergil und in einem möglicherweise kurz vor der Ausprägung entstandenen oder von der Prägung beeinflussten Gedicht von Properz, Ode 4,6) und die „tagesaktuellen“ Spiele des Prägejahres auf. Mit den Priestergeräten wurde hingegen wahrscheinlich des Eintritts des Augustus in das Kollegium der VIIviri epulonum und damit der Bekleidung aller vier höchsten Priesterwürden gedacht, wobei entweder auch die persönliche Stellung des C. Antistius Vetus als pontifex bzw. sein Drängen nach einer solchen Priesterwürde zum Ausdruck kommt, da die Datierung seines Eintritts in das Kollegium nicht gesichert ist. Mit dem Opfer und den vota wiederum war der Bezug zu den nach Actium gestifteten ludi quinquennales gegeben, dessen sich Augustus in seinen posthum veröffentlichten Res Gestae (9,1) ebenfalls rühmte. Die komplette „Serie“ wiederum, jeweils mit Darstellung von sakralen Handlungen, fand nun ihren Widerhall im „sprechenden“ Namen des Münzmeisters, der mit seinem Cognomen an das ehrwürdige Alter (vetus = alt), mit seinem Gentiliz an Priesterwürden (antistes = Priester) anspielen konnte, und dies mit der vollen Namensnennung auch tat.

Mit derlei und vielen weiteren Einzelanalysen, die erst in einer Zusammenschau ein komplettes Interpretationsbild ergeben, kann Küter dann im letzten Teil (S. 319–343) ein ausgewogenes Fazit ziehen: Einerseits sei die Münzprägung der Münzmeister nicht losgelöst von den republikanischen Wurzeln zu betrachten, von der Aufnahme bestimmter Einzelmotive bis hin zum weiterhin vorhandenen Streben der Münzmeister nach Präsentation von Familiengeschichte und damit letztlich Eigenwerbung im Sinne der altrepublikanischen commendatio maiorum, also die Empfehlung des eigenen virtus-Potentials durch Verweis auf die Leistungen der Vorfahren. Diese republikanische Tradition sei andererseits auch unter der Herrschaft des Augustus möglich gewesen, solange ex- wie implizit immer dessen Vorrangstellung als princeps beachtet worden sei. Dabei seien alle Schattierungen vom fast exklusiven Ins-Bild-Rücken der Leistungen des Prinzeps bis hin zum geschickten Aufsatteln der eigenen Familiengeschichte und Person auf Ehrungen für Augustus zu beobachten, wobei ein positiver respektive negativer Einfluss auf die nachfolgende Karriere bei der einen wie anderen Variante prosopographisch nicht festzustellen sei.

Mit dieser Gesamtschau, aber auch den zahlreichen Einzelbeobachtungen vermag es Küter nun, dem ob der Literaturfülle anscheinend so gut erforschten Prinzipat des Augustus doch noch einige neue Facetten abzugewinnen. Insbesondere rückt sie dabei das Jahr 23 v.Chr. als wichtiges Jahr für das „Werden und Wesen des Prinzipats“ (Anton von Premerstein) in den Blick, und man wird sich tatsächlich auch im weiteren Forschungsverlauf fragen müssen, inwieweit dieses Jahr womöglich viel entscheidender für die Herrschaftsetablierung und -stabilisierung als das Epochenjahr 27 v.Chr. gewesen ist.

Weiterführend, nicht nur für diesen Bereich der numismatischen Forschung, dürfte in Zukunft auch die von ihr mehrfach angerissene, aber nicht systematisch angegangene Frage nach den Zielgruppen bzw. der Rezeption der Münzbilder durch diese sein. Schwerlich können alle potentiellen und intendierten Anspielungen in den zahlreichen Details der Münzbilder, vor allem wenn diese in Kombination über eine ganze Serie hinweg eine Aussage ergeben sollten, von jedem beliebigen Zeitgenossen und Münznutzer verstanden worden sein; zudem ist das von der Kognitionsforschung behandelte Phänomen der „selektiven Wahrnehmung“ zu beachten. Folglich wurden einerseits nur bestimmte Aspekte der Motive und Legenden wahrgenommen, andererseits war allein für bestimmte Zielgruppen eine Gesamtschau möglich.2 Den hierfür notwendigen „turn“ von der ausgebenden zur rezipierenden Instanz kann man jedoch nur auf einer soliden Grundlage des hauptsächlichen Quellenmaterials, der Münzen, gehen, wie sie Küter eindrucksvoll für die Münzmeisterprägungen geschaffen hat.

Anmerkungen:
1 Als Bildquellen kommen dabei sowohl die republikanischen Münzen, oftmals sogar aus der gleichen gens oder Familie in Betracht, jedoch auch von Augustus selbst ausgegebene Münzen, so insbesondere die spanischen Prägungen, die als Anhang zusammenfassend präsentiert werden (vgl. S. 345–351).
2 Vgl. dazu die von Reinhard Wolters aufgestellten Überlegungen und Fragen im Rahmen seines Vortrages „Kontext und Publikum. Zur Entwicklung der Darstellungsformen in der Denarprägung der römischen Republik“, gehalten auf dem Internationalen Kolloquium „Neue Forschungen zur Münzprägung der Römischen Republik“ (Tagungsbericht: Neue Forschungen zur Münzprägung der Römischen Republik, 19.06.2014 – 21.06.2014 Dresden, in: H-Soz-Kult, 16.09.2014, <http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-5575> (Stand 11.05.2015).

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