D. W. Jones: Economic Theory and the Ancient Mediterranean

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Titel
Economic Theory and the Ancient Mediterranean.


Autor(en)
Jones, Donald W.
Erschienen
Chichester 2014: Wiley-Blackwell
Anzahl Seiten
XVII, 584 S.
Preis
£ 125,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sven Günther, Institute for the History of Ancient Civilizations, Northeast Normal University Changchun (China)

Inter- und Transdisziplinarität ist, wenn sie nicht bloßes Schlagwort in Förderanträgen sein soll, kein einfaches Unterfangen. Dies spürt jeder, der sich an die Lektüre des Bandes von Donald W. Jones, Adjunct Professor für Classics an der University of Tennessee, und damit auf die Suche nach der Anwendbarkeit von ökonomischer Theorie auf altertumswissenschaftliche Fragestellungen macht. Jones, der bereits des Öfteren zu diesem Thema publiziert hat, hält sich nämlich nicht lange mit Forschungsgeschichte, wie die allzeit bemühte „Jahrhundertdebatte“ um Primitivismus und Modernismus auf, sondern geht mit seinen 14 Kapiteln gleich in die Vollen, also die „harte“ mathematisch ausgerichtete Ökonomietheorie, deren Allgegenwärtigkeit in letzter Zeit zumindest in Deutschland auch in die Kritik geraten ist.1

Die ersten fünf Kapitel dienen ihm dabei als Einleitung in die Mikroökonomie, vor allem die Preistheorie, auf deren Grundlage dann in den weiteren Kapiteln größere Themenbereiche der Makroökonomie angegangen werden, die nach seiner Einschätzung Berührungspunkte zu den Altertumswissenschaften und deren Methoden wie Fragestellungen aufweisen. Daher folgt den meisten Kapiteln nach der Behandlung der Wirtschaftstheorie auch zumindest ein Kapitel mit Überlegungen zu Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung auf bestimmte Forschungsprobleme der Antiken Ökonomie. Literaturhinweise zu ökonomischer wie auch altertumswissenschaftlicher Literatur und Endnoten runden die jeweiligen Kapitel ab.

Dem Rat des Autors in der Einleitung (S. 1–7), die ersten fünf Kapitel als Grundlage für die folgenden aufzufassen, ist dabei unbedingt Folge zu leisten, da hier die mathematischen Symbole, Beziehungen und darauf fußenden Graphen Schritt für Schritt im Fließtext erklärt werden; später wird ein Großteil als bekannt vorausgesetzt, so dass man bei nicht erfolgtem Durcharbeiten der Basiskapitel schnell vor einer Masse an Funktionsgleichungen steht, die sich nicht auf den ersten Blick erschließt.

Diese Grundlagenkapitel behandeln die Themenbereiche „Produktion“ (S. 8–28), „Kosten und Angebot“ (S. 29–54), „Konsum“ (S. 55–102), „Industriestrukturen und Wettbewerbsarten“ (S. 103–119) sowie „Allgemeines Gleichgewicht“ (S. 120–138). Die Vielzahl an behandelten Themen – etwa der Zusammenhang zwischen den Faktoren Land und Arbeitskraft für Produktivitätskurven (aber auch das Ausloten von Möglichkeiten der Produktivitätssteigerung), das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage oder die Entwicklung der Nachfrage bei Einkommensveränderungen – ist per se schon für den Antiken Ökonomie-Forscher interessant. Die gewählten Anwendungsbeispiele, unter anderem Vasenproduktionszentren in der mykenischen Kultur sowie deren Absatzmärkte oder Hauspreise in Pompeji, offenbaren allerdings bereits eine grundlegende Problematik, die den gesamten Band durchzieht: So kann man zwar bis zu einem gewissen Grade die mathematischen Formeln mit den durch sie beschriebenen Relationen in die im Quellenmaterial aufscheinenden Verhältnisse „übersetzen“, letztlich scheitert jedoch eine Anwendung an der fragmentarischen Quellenlage, welche die notwendigen quantitative Basis eben nicht gesichert bereitstellt.

Insofern sind auch die folgenden Kapitel mit Themen wie „staatliche Ökonomie“, „Arbeit“, „Städte“ oder „Wachstum“, um nur einige wenige zu nennen, von ihrem grundsätzlichen Aufbau durchaus anregend gestaltet, stehen doch hinter den, allerdings zunehmend komplexer werdenden Funktionen und Graphen wesentliche ökonomische Faktoren, die man ob der ganzen Diskurs- und turn-Theorien oft und leicht vergisst. Ob des auch dem Autor bewussten Dilemmas fehlender quantitativer Beweisführung hätte man sich allerdings weitaus mehr Anwendungsbeispiele erhofft, die sich zudem oft auf den archäologischen Bereich (sowie die griechische Frühzeit bzw. die Vorderasiatische Archäologie) beschränken. Ebenso hätte man neben der hier stark vertretenen neo-klassischen Ökonomietheorie auch die zugegebenermaßen „weichere“ Neue Institutionenökonomie oder andere Erklärungsmodelle in den Blick nehmen können.2 Man könnte so nicht nur versuchen, Antworten auf die Frage zu finden, warum trotz einer „perfekten“ Preistheorie (auch heute) die ökonomische „Realität“ nicht genau damit übereinstimmt, sondern auch ergründen, welche Faktoren zusätzlich zu bestimmten Phänomenen, beispielsweise zur Ausgestaltung des „Steuersystems“ in römischer Zeit, beigetragen haben.3 Nicht nur hier hätte man sich zudem auch eine Auseinandersetzung mit weiteren aktuellen Forschungsfragen wie etwa dem Taxes-and-Trade-Modell von Hopkins gewünscht.4

So bleibt für den Rezensenten insgesamt ein zwiespältiger Eindruck nach der Lektüre zurück: Einerseits macht Jones einer hoffentlich breiten Leserschaft bewusst, dass ökonomische Theorie ihren Platz in der Antiken Ökonomie haben muss, andererseits müssen Möglichkeiten und vor allem Grenzen der Anwendbarkeit noch deutlicher als hier vorgelegt ausgelotet werden.

Anmerkungen:
1 Vgl. z.B. das Interview mit Steffen Roth, Geschäftsführer des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln vom 16.10.2014 (<http://www.welt.de/wirtschaft/karriere/bildung/article133360506/Es-mangelt-an-Bescheidenheit-und-Respekt.html>; Stand: 13.01.2015).
2 Siehe dazu nur die Besprechung des Rezensenten zu Mark S. Peacock, Introducing Money. Abingdon 2013, H-Soz-u-Kult, 13.10.2014 (<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2014-4-032>), mit weiteren Literaturhinweisen. Zur Anwendung der Neuen Institutionenökonomie in Kombination mit der Rahmenanalyse Erving Goffmans vgl. jetzt Sven Günther, Framing the Financial Thoughts of Aeneas Tacticus: New Approaches of Theory to Economic Discourses in Antiquity, in: Journal of Ancient Civilizations 29 (2014), S. 77–86.
3 Verwiesen sei nur auf einen gewissen Konservativismus der Römer, der sich darin zeigte, vorhandene Steuerstrukturen nicht einfach umzugestalten. Vgl. dazu etwa Sven Günther, Zwischen Kontinuität und Wandel. Die Strukturen der Steuerverwaltung in den westlichen Provinzen des Imperium Romanum, in: Peter Herz / Peter Schmid / Oliver Stoll (Hrsg.), Ökonomie und Politik. Facetten europäischer Geschichte im Imperium Romanum und dem frühen Mittelalter, Berlin 2011, S. 33–49.
4 Vgl. Keith Hopkins, Taxes and Trade in the Roman Empire (200 B.C. – A.D. 400), in: Journal of Roman Studies 70 (1980), S. 101–125; Rome, Taxes, Rents and Trade, in: Kodai 6/7 (1995/96), S. 41–75; Rents, Taxes, Trade and the City of Rome, in: Elio Lo Cascio (Hrsg.), Mercati permanenti e mercati periodici nel mondo romano, Bari 2000, S. 253–267.

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