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Titel
Faustina I and II. Imperial Women of the Golden Age


Autor(en)
Levick, Barbara M.
Erschienen
Anzahl Seiten
XI, 248 S.
Preis
£ 41,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jörg Fündling, Historisches Institut, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen

Mit der Behandlung zweier Ecksteine der antoninischen Herrscherdynastie betritt Barbara Levick nach einer langen Serie von Kaiserbiographien des 1. Jahrhunderts, die verdientermaßen zu Standardwerken avanciert sind, Neuland – auch in der gewählten Form, die zwischen Monographie und kaleidoskopartigem Zugriff oszilliert. Das hohe Interesse der letzten Jahre an römischen Kaiserfrauen und ihrem Handlungsrahmen konnte dazu nur ermutigen; dies ist allerdings nicht die Begründung der Autorin: „Sharing the power of the admirable men who occupied it [sc. the throne, J.F.] makes them worth study“ (S. 3); dieser Auftakt markiert zugleich methodische Grenzen. Schon in der Einleitung (S. 3–12) begegnet auch sonst manche sperrige Stelle, die Schemata des frühen 20. Jahrhunderts nachspricht: Neben beiläufig-pauschale Etikettierungen wie die von Domitia Longina, „shadowy but not quite reputable“ (S. 6) 1, später des „roué bridegroom“ Lucius Verus (S. 68) und des „sickly, but randy, Ceionius“ (S. 44) tritt die Buddenbrooks-artige Dekadenzdiagnose nachlassender Führungsqualitäten der römischen Elite, die gleichzeitig sensibler, doch auch abergläubischer werde (S. 11f.).

In den literarischen Quellen wird allein über Mutter und Tochter Faustina gesprochen; nicht einmal fiktive Zitate lassen ihre eigenen Stimmen hörbar werden. Angesichts dessen ist Kapitel 1 zum Quellenproblem (S. 13–18) entschieden zu kurz geraten. Zwei potentiell besonders aussagekräftigen Texten, Frontos Korrespondenz und Marc Aurels Selbstbetrachtungen, gilt zusammen gerade eine Seite (S. 13f.) – und ihre Unergiebigkeit wird nicht hinterfragt. Wenn Fronto Briefe an die biologische Mutter des Caesars Marcus in seine Sammlung aufnimmt, nicht aber an dessen Tante und Adoptivmutter sowie an dessen Cousine und Frau, ist mit der Erklärung, für Lucilla sei Fronto „a friend“, für die beiden Faustinae nur ein Quasi-Onkel gewesen (S. 14), nichts erklärt – gefordert wäre ein Wort über implizite Etiketteregeln, welche Kontakte Fronto wie stark publik machen durfte. Die späteren Betrachtungen der dürftigen Stereotype, die Marc Aurel in Buch 1 der Selbstbetrachtungen zu Protokoll gibt (Levick geht S. 110 erfrischend mit ihnen ins Gericht), gehörten samt dem Bild der Faustina, das Marc Aurels Briefe an Fronto schildern, eigentlich in dieses Kapitel. Knapp ausgefallen ist, von der verzwickten historiographischen Quellenlage zu schweigen, auch die Notiz über „Legal and documentary sources“ (S. 17f.), vornehmlich Münzen.2

Mit der Suche nach den praktischen Spielräumen vornehmer Frauen beginnt Kapitel 2 (S. 19–39). Das wichtige Thema wird attraktiv und auf der Höhe der Forschung eingeleitet, für die konkreten Fälle aber bei weitem nicht ausgeschöpft. War in hochrangigen Verbindungen wirklich „cooperation“ die Regel (S. 20) und wo lägen unsere Chancen, bloßes Sich-Fügen von Harmonie zu unterscheiden? Der Optimismus, dass die Ehefrau zumindest sexuelle Zufriedenheit habe erwarten dürfen (so S. 24), sticht von der berechtigten Skepsis ab, was Themen wie Fortpflanzungszwang oder Mädchenbildung betrifft. Vorbildlich pragmatisch lesen sich Levicks Ausführungen zum eigenständigen Auftreten von Herrscherfrauen auf Münzen und dessen fester Einbindung in die kaiserliche Selbstdarstellung.

„The Succession to Hadrian“ (S. 41–56) entwirft ein düsteres Bild der letzten Jahre des Aeliers. Zu Hadrians langfristigen Plänen erklärt Levick überraschend, von vornherein sei nach Antoninus ein Doppelprinzipat nach dem Muster der augusteischen Nachfolgeregelung von 4 n.Chr. beabsichtigt gewesen. Dann fragt sich natürlich, wieso Hadrian nicht schon 136/37 die Weichen stellte; die Behauptung, Antoninus Pius hätte Lucius Verus weiterhin zum Mitherrscher aufgebaut, wird von der Autorin selbst entkräftet (S. 67 gegen S. 56f.).

Zwangsläufig liegt das Hauptgewicht in den Einzelepisoden von Kapitel 4 („The Faustinas as Empresses, 138–175“, S. 57–89) wegen des frühen Todes ihrer Mutter auf der jüngeren Augusta. Beide Frauen und ihre Nachkommenschaft stehen früh auf dem Gipfel ihrer Bedeutung. Klar tritt hervor, wie sehr der Caesar Marcus in dieser Phase vom Prestige seiner zur Augusta erhobenen Gattin überschattet war und doch profitierte. Hinter dem späteren Titel mater castrorum vermutet Levick das Aufgreifen eines spontanen Ereignisses bei einem Truppenbesuch (S. 79). Die Ehebruchsgerüchte um Mutter und Tochter, ein wirkmächtiges Motiv, sieht sie als zeitgenössische Kolportage von „court or plebeian rumourmongers“ (S. 82) – das unterschätzt vielleicht die Rolle der späteren Überlieferung. In der Usurpation des Avidius Cassius im Jahr 175 (S. 84–87) lässt sie die mögliche Beteiligung Faustinas II. wohlerwogen offen.

Kapitel 5 trägt den eher irreführenden Titel „Public and Private in the Dynasty“ (S. 91–118). Die Debatte, ob es kaiserliches Privatleben überhaupt gab, bildet lediglich den Einstieg; vorwiegend geht es um Ehrungen der Augustae durch Kaiser, Institutionen und Privatpersonen: Münzen, Ehren- oder Weihinschriften, Feste, Alimentarstiftungen und der neugeschaffene Kult Frischvermählter (S. 98–104). Wieso die Förderung des Pantomimen Septentrio (S. 107), ein klassischer Akt kaiserlicher Protektion, unter „Private Life“ erscheint, bleibt unverständlich.3 „Marcus and Faustina’s sexual relations seem thoroughly normal, to judge by the number of their progeny“ (S. 110); die enorme Zahl der Schwangerschaften ließe sich mindestens ebenso leicht als schonungslose Indienstnahme ansprechen. Die folgende Übersicht der Kaiserkinder – traditionell ein beständiger Grund zur Verwirrung – ist hochwillkommen.

Kapitel 6 (S. 119–137) greift bis in die Ursprünge des Prinzipats zurück, um die Praxis der Konsekration weiblicher Kaiserverwandter zu beleuchten. Im Vordergrund steht hier die Errichtung oder – sakralrechtlich problematische – Umwidmung des Tempels auf dem Forum für Faustina maior und die riesigen Emissionen von Gedenkmünzen seit ihrem Tod Ende 140, weitere kultische Ehren und die Angleichung an etablierte Göttinnen; unerwartet wird hier auch die Frage religiöser Präferenzen des Antoninus mit abgehandelt. Einen trüben Ausblick bietet das Schlusskapitel 7 (S. 139–154); der Faustina-Spross Commodus wird mit Spuren von Verständnis, zuletzt aber doch als verwöhnt und unfähig charakterisiert. Dem Schicksal der übrigen Nachfahren Faustinas II. ab 180 folgt eine Zugabe über die nachantike ‚Karriere‘ des Namens. Die Schlussbilanz beider Lebensläufe konstatiert ein stärkeres Hervortreten der führenden Frauen in Rom als in den vier Jahrzehnten vor 138, doch „without new powers“ und um den Preis der Anfeindung (S. 154). Rückblickend erscheine das „concept of the Antonine empress“ als Modell, das sich die Frauen der severischen Dynastie auf unerwartete Weise zu eigen machten.

Umfangreiche Anhänge ergänzen das Buch: eine alphabetische Liste mit über 100 Namen, vier Stemmata, Abkürzungslisten, eine Zeittafel, ein Glossar, das Literaturverzeichnis sowie zwei Indizes für Personen und Sachen. Die Anmerkungen am Buchende zu verstecken, ist inzwischen allzu gängig; ob das Verleger-Vorurteil, der Anblick von Fußnoten verschrecke die Nichtspezialisten, auf Wahrheit beruht, wäre eine eigene Studie wert.

Nicht alle verfügbaren Wege, die Hauptpersonen deutlicher zu fassen, um so die funktions- und gattenzentrierte Sicht aufzubrechen, sind hier begangen. Der Hinweis auf das frühseverische Nachleben der Frisur Faustinas II. (S. 146–148) ließe sich zur prägenden Wirkung der Kaiserinnen auch als Rollenvorbild erweitern. Zwar erscheinen Mutter und Tochter als Eigentümerinnen einer großen Ziegelproduktion (S. 23), kaum aber deren ökonomische Bedeutung – und gar nicht die Chancen, dass Oberschichtfrauen auch in dieser Sphäre sachkundig waren; ebenso fehlen die Villen und andere Güter im Eigenbesitz.

Die vielleicht folgenreichste Lücke betrifft das Umfeld beider Augustae: Wir hören praktisch nichts von den zahlreichen epigraphisch bekannten Sklaven und Freigelassenen. Außer Sicht bleibt auch die ‚Matronage‘, das Geflecht persönlicher Protektion und Gunst: Cassius Dio erwähnt die Mitwirkung Faustinas II. an der Hochzeit von Septimius Severus (75/74,3,1; entgegen Levick S. 147 nicht eindeutig ein Traum); ähnlich förderte Domitia Lucilla aktiv den jungen Didius Iulianus. Das Schweigen literarischer Quellen, was Kontakte in Politik und Kultur angeht, ist aussagekräftig für Geschlechterstereotype, nicht für die soziale Realität (so S. 25). Hier wäre deutlich mehr möglich gewesen.

Nicht immer fällt die Orientierung im Buch ganz leicht. Themen wie die Selbstdarstellung auf Münzen oder die Frage nach der Innenansicht der Ehen sind über mehrere Kapitel verstreut; mitunter mit widersprüchlichen Schlussfolgerungen. Zu einem gewissen Teil resultiert dies aus dem undankbaren Quellenbefund; desto verdienstvoller ist Barbara Levicks weit in Zukunft und Vergangenheit ausgreifender Versuch, zwei nur noch aus dem Augenwinkel sichtbare Hauptpersonen zurück in den ihnen angemessenen Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu holen.

Anmerkungen:
1 Vgl. dazu jetzt Trudie D. Fraser, Domitia Longina. An Underestimated Augusta (c.53–126/8), in: Ancient Society 45 (2015), S. 205–266.
2 Nicht mehr berücksichtigt wurde: Susanne Börner, Marc Aurel im Spiegel seiner Münzen und Medaillons. Eine vergleichende Analyse der stadtrömischen Prägungen zwischen 138 und 180 n.Chr., Bonn 2012.
3 Hartmut Leppin, Histrionen. Untersuchungen zur sozialen Stellung von Bühnenkünstlern im Westen des Römischen Reiches zur Zeit der Republik und des Principats, Bonn 1992 (zu Septentrio S. 101f., 120 u. 294f.).

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