Cover
Titel
Does War Belong in Museums?. The Representation of Violence in Exhibitions


Herausgeber
Muchitsch, Wolfgang
Reihe
Edition der Museumsakademie Joanneum 4
Anzahl Seiten
223 S., zahlr. Abb.
Preis
€ 28,30
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Hirte, Berlin

Als sich der „International Council of Museums and Collections of Arms and Military History“ (ICOMAM) auf seinem 32. Symposium 2011 in Graz die Frage stellte, ob Krieg ins Museum gehöre, durfte man mit kaum weniger als dröhnender Zustimmung rechnen. Diese Tonlage entspräche aber kaum mehr den neuen Umgangsformen, wie sie in jüngster Zeit in militärhistorischen Museen üblich geworden sind. Selbstverständnisse und Lesarten standen denn auch im Mittelpunkt dieser Tagung, zu der die Museumsakademie Joanneum 2011 geladen hatte und deren englischsprachiger Tagungsband hier vorgestellt wird.

Jay Winter, Barto C. Hacker und Margaret Vining beschreiben in ihren Einführungsartikeln den Wandel der Rollenbilder militärhistorischer Museen im 20. Jahrhundert: Von der „Ruhmeshalle“ über den verspielten Typus der „boys and their toys“-Museen zum eher nachdenklichen Ort, der den Krieg als multiperspektivischen Erfahrungsraum deutet, als „set of memories drawn from a subject-position, that of a participant in war, which has myriad variations“ (S. 36). Dabei spielte eine sozialhistorisch orientierte „New Military History“ ebenso ihre Rolle wie das Ende des Kalten Krieges und die Europäisierung des Weltkrieg-Gedenkens. Aktuell erleben wir eine Tendenz zur Kulturalisierung des Gegenstandes.

Dabei entzieht sich „der Krieg“ prinzipiell seiner musealen Darstellbarkeit: „The subject bursts through the limits of any conventional set of parameter to control it.“ (S. 24) Umso bedeutender wird die beständige Reflexion gerade dieses medialen Unvermögens („enable visitors to ask questions about the limits of representation of violent events“, S. 37). Ob und wie es gelingen kann, mit selbstkritischen Ansätzen Besucher zu gewinnen, die doch eigentlich wegen der Panzer gekommen waren, ist eine der viel diskutierten Fragen.

Den Auftakt der Praxisbeispiele macht das unlängst eröffnete Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden. Dieses Haus geht den Weg unterschiedlicher Erzähl- und Darstellungsweisen, des chronologischen Abriss’, des phänomenologischen Capriccios und der Kunst als ästhetische Kommentatorin. Das Dresdner Museum will ein breit angelegter Diskursort sein, „forum both for dealing with military history, and for discussing the role of war and the military in the past, present and future“ (S. 82). Militär und Krieg werden dezidiert als kulturanthropologische Phänomene verstanden. „The military is just the famous tip of the iceberg whose center of gravity is far below the water line in the field of anthropology and the cultural history of man“, schreibt der Kurator der Dresdner Ausstellung Gorch Pieken (S. 65). Für ein Haus, dessen Träger die Bundeswehr ist, klingt das seltsam. Man entschuldigt sich gleichsam ins allgemein Menschliche.

Immer wieder tritt das Imageproblem in den Fokus: „many visitors call us the WAR museum and consider us to be a belligerent, bloodthirsty and sexist institution, most certainly not suitable for their children“, sagen die Museumspädagoginnen des Militärhistorischen Museums Brüssel (S. 116). Ist eine spielerische Annäherung da überhaupt noch möglich? Auch hier öffnen kulturelle Phänomene neue Zugänge: „‚Universal‘ themes, such as music, art, communication, food, colour or animals enable us to bring up the delicate subject of war, without running the risk of being accused of promoting the war.“ (S. 118)

Das Solothurner Museum Altes Zeughaus beherbergt eine frühneuzeitliche, städtische Rüstkammer (Waffen!). Gegen Umgestaltungsmaßnahmen wandte sich eine Bürgerinitiative: Die alten Harnische bleiben also! Neues Ziel: „As a cultural-historical museum focusing on military history, the Museum Altes Zeughaus provides a broad public with a place for dialogue and reflecting on the topic of conflicts and their solution.“ (S. 110)

Das „Panzer-Museum“ im niedersächsischen Munster (S. 83–98) präsentiert armierte Fahrzeuge und lebt von den „convenient myths that brought the visitors to the museum in the first place“ (S. 90). Mehr noch: „The big objects are magnets for visitors and put many of them in a very good and relaxed mood when they enter the museum.“ (S. 92) Ein neues Konzept soll die eigensinnigen Enthusiasten auf Pfade komplexerer Lesarten leiten, ohne ihnen gänzlich den Spaß zu verderben: Panzer als „starting points for broader historical contexts“ (S. 91).

Vor einem Umbau steht auch das „Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges“ in Minsk (S. 185–202), das das geschichtspolitische Erbe der Sowjetunion trägt. Im Fokus stand bislang der weißrussische Kriegsbeitrag. Vorherige Okkupationen, zahlreiche Opfergruppen, auch Kollaboration wurden nicht thematisiert. Mit der neuen Ausstellung soll nicht nur manch Perspektivwechsel einziehen, sondern auch ein gewandeltes institutionelles Selbstverständnis: „the museum can yet become a place of critical discussion of history and a future-oriented learning und thus approach a common European culture of memory of the Second World War“ (S. 201).

Und wie wird das Heeresgeschichtliche Museum Wien, das von Jay Winter im Einführungsbeitrag mit durchaus kritischen Worten bedacht wird (S. 32) diskutiert? Etwas ratlos nimmt man den Artikel seines Direktors, Christian M. Ortner, zur Kenntnis, der, nach allerlei Institutionsgeschichtlichem, in die Feststellung mündet, dass sein Haus heute „one of the most beautiful museums in Austria“ (S. 103) sei, was sicher nicht jedes Militärmuseum von sich sagen kann (oder sich zu sagen traut). Da hatte der Amtsvorgänger doch nachdenklicher geklungen.1

Fast liefert Ortner für den Beitrag von Per B. Ekdahl (S. 123-130) das Stichwort. Dieser stellt sein Osloer Projekt „Om Krigens Skjønnhet eller Den Vakre Volden“ vor2, eine Ausstellung „about the aestetics surrounding war and violence“ (S. 124). Gezeigt wurden das Dekorative, Auratische, Mythische, Faszinierende an Waffen, Uniformen, Helden, militärischen Massenszenen im Film oder Computerspielen, auch die negative Ästhetisierung des Gegners. Gewalt und ihre Mittel erscheinen hier als Produkt kulturell codierter Akzeptanz. Beispiele dafür fand Patrizia Kern in der Türkei, wo das Militär durchaus noch „as the guardian of the Turkish nation, its people and territory as well as the state’s secular order“ gilt (S. 205). Memoriale in Ankara und Istanbul präsentieren in großformatigen Historienbildern „important ‚foundation‘ battles“ (S. 203) ungebrochen als Schlüsselereignisse der Nationalgeschichte.

Die großen militärhistorischen Ausstellungen finden ihr Pendant in den überschaubareren Weltkriegsabteilungen kommunaler Museen. Hier untersucht Susanne Hagemann Darstellungen des Bombenkrieges (S. 131–141). Sie verfolgt das Standard-Exponat (Blindgänger) durch verschiedene Präsentationsweisen und untersucht deren rhetorische Muster. Je heikler der Gegenstand, desto beliebter werden semantische Ausweichmanöver von einer Nebelhaftigkeit, wie Harald Welzer sie mit dem Begriff des „leerem Sprechen“ fasste.

Der leeren Geste korrespondiert die pathetische Phrase. Alexandra Bounia und Theopisti Stylianou-Lambert (S. 155–172) untersuchen die Funktion von Fotos in Museen und Gedenkstätten beiderseits der griechisch-türkischen Demarkationslinie auf Zypern. Gewaltdarstellungen werden hier affektiv eingesetzt. Opfer (gerne Frauen und Kinder) werden als Legitimate je eigener Positionen vorgeführt. Hier bilden Museen den Konflikt nicht nur ab, sie befinden sich selbst gleichsam im Kriegszustand.

Es bleiben zwei Beiträge anzuzeigen, die memoriale Aspekte in den Blick nehmen. Robert M. Ehrenreich und Jane Klinger stellen persönliche Souvenirs als Träger der Erinnerung an Schauplätzen und Schicksalen der Shoah vor (S. 145–154). Der NS-Massenmord an den europäischen Juden soll, personalisiert und in der Dingbegegnung „verunmittelbart“, ein individuelles Gesicht bekommen. Werner Fenz (S. 173–181) stellt künstlerische Memorialprojekte aus der Steiermark vor.

Insgesamt bietet der Grazer Tagungsband den Überblick einer Entwicklung im Fluss. Westliche Militärmuseen haben sich ein jugendlicheres Auftreten verordnet: Man kommt smarter, europäischer, diskursiver, kurz gesellschaftsfähiger daher. In diesem Gewand scheint man sich (besonders in Deutschland) wieder ein wenig wie selbstverständlich zugehörig zu fühlen. Sollten sich Militärmuseen wirklich so sicher fühlen dürfen? Oder müssten sie nicht mindestens so prekär bleiben, wie es ihr Thema ist? Bot vielleicht die abgelegte Umstrittenheit den geboteneren Modus, den Krieg ins Museum zu bringen?3 Eher vielleicht, als ihn dort kulturwissenschaftlich so zu plausibilisieren, dass er uns eines Tages doch wieder als zivilisatorische Errungenschaft erscheint? Den Krieg verständlich zu machen heißt ja nicht zwangsläufig, einen Beitrag zu seiner Verhinderung zu leisten. Susanne Hagemann schlägt vor, in den einschlägigen Häusern Abteilungen zu Konfliktvermeidung und Friedensforschung einzurichten. Wenn der Krieg wirklich ins Museum kommt, bittet er nicht erst um Einlass. Das Bode-Museum in Berlin hat kriegsversehrter Kunst ein eigenes Kabinett eingerichtet. Wie sagte es Jay Winter? „War experience is not in your belly, unless you were wounded there.“ (S. 37)

Anmerkungen:
1 Manfried Rauchensteiner, „Kein Spaß an der Sache“ – Militärmuseen da und dort, in: Museumskunde 28 (2003), H. 1, S. 18–26.
2 „Über die Schönheit des Krieges oder Die hübsche Gewalt“.
3 Vgl. Sharon Macdonald, Schwierige Geschichte – umstrittene Ausstellungen, in: Museumskunde 72 (2007), H. 1, S. 75–84.

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