R. Paetau: Die Protokolle des Preussischen Staatsministeriums

Titel
Die Protokolle des Preussischen Staatsministeriums 1817 - 1934. 1. November 1858 - 28. Dezember 1866


Herausgeber
Kocka, Jürgen; Neugebauer, Wolfgang
Reihe
Acta Borussica, Neue Folgen 5
Anzahl Seiten
451 S.
Preis
€ 99,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Felix Escher, Landesgeschichtliche Vereinigung für die Mark Brandenburg

In der auf 12 Bände angelegten Reihe der "Protokolle des Preussischen Staatsministeriums 1817-1934/34" setzt der von Rainer Paetau bearbeitete Bd. 5 mit dem Beginn der liberalen "Neuen Ära" ein und schließt nach dem Krieg mit Österreich und den deutschen Staaten vor der Gründung des Norddeutschen Bundes. Wenn auch die Staatsverfassung in diesem Zeitraum trotz Krisen noch unverändert blieb, so fanden doch wesentliche außen- wie innenpolitische, wirtschaftliche und soziale Veränderungen statt.

In den Protokollen des regelmäßig tagenden obersten beratenden und beschließenden Kollegialorgans des Staates, dem in der hier behandelten Zeit der Kronprinz, der Ministerpräsident als Vorsitzender und die Staatsminister wie auch ein Vertreter der Marine angehörten, werden für den hier vorliegenden Zeitraum Grundlinien der preußischen Innen- wie auch Außenpolitik in ihrer Genese deutlich. Sowohl die Beschlüsse, die für den Monarchen freilich nur den Charakter von Beschlussempfehlungen hatten, wie auch die Existenz konträrer Positionen wurden festgehalten. Berief der Prinzregent/König an der Stelle des Ministerpräsidenten ein oder nahm er teil fungierte das Gremium als Kronrat. Die insgesamt 427 Protokolle der Bearbeitungszeit werden hier in Regestform vorgelegt.

In der Einleitung geht Paetau auf die inhaltlichen Schwerpunkte der Protokolle ein. Außenpolitisch ist es zunächst der Italienkrieg und die damit zusammenhängende Problematik der Stellung gegenüber Österreich und dem Deutschen Bund, die zu keiner klaren Positionierung Preußens führte. Außen- wie innenpolitische Erwägungen ließen das Staatsministerium im Verfassungskonflikt in Kurhessen die legitimistische Position des Kurfürsten ablehnen. Bismarck bestimmte die Richtung, in der Frage der Reform des Deutschen Bundes wie auch der Kriege von 1864 und 1866, und effektiv kurzfristig wurden Engpässe, z. B. bei der Beschaffung von Kriegsschiffen wie auch der Kriegsfinanzierung, angegangen. Einigkeit bestand auch in der Polenfrage: Zum polnischen Aufstand von 1863 weist der Bearbeiter auf den interessanten Umstand hin, dass die (geheime) Konvention Alvensleben nicht auftaucht. Insgesamt scheint die Politik des Staatsministeriums während des gesamten Zeitraumes auf eine allmähliche Germanisierung, die von provinzialen und lokalen Behörden durchgeführt werden sollte, gesetzt zu haben.

Mit der Ernennung Bismarcks zum Ministerpräsidenten endet die mit der Ansprache des Prinzregenten Wilhelm an das Staatsministerium am 8. November 1858 begonnene erste Epoche der langen Regierungstätigkeit Wilhelms I. Sie ist wegen ihres programmatischen Charakters nach der im Hohenzollernschen Hausarchiv und der im Nachlass Auerswald überlieferten Textgrundlage als einzige Quelle in vollem Wortlaut ediert. Einen Konflikt hatte das liberale Ministerium bei der Einbringung der Reform der Oberrechnungskammer und der Grundsteuer ausgelöst; andere Reformvorhaben, wie die des Herrenhauses und einer Einführung der Ministerverantwortlichkeit (Ministeranklage), scheiterten oder wurden wie die der Kreisreform und des Eherechtes erst in der späteren Bismarckzeit umgesetzt. Auf Schwierigkeiten stießen die Altliberalen auch bei der weiteren Voranbringung der Emanzipation der Juden, denen noch immer der Zugang zu einzelnen Ämtern und Berufen - vor allem im Justizdienst - verschlossen blieben. Auch Wilhelm I. sprach sich gegen die Zulassung jüdischer Richter aus. Der Kronprinz Friedrich mit seinen altliberalen Präferenzen zeigte hingegen als Konferenzteilnehmer in den Krisen von 1862/63 keine besondere Aktivität und zog sich schließlich ganz zurück und wurde vom Vater von der Teilnahme an den Sitzungen dispensiert.

Kernproblem in der Innenpolitik blieb die Heeresreform, das Lieblingsprojekt des Prinzregenten und späteren Königs Wilhelms I. Ihre Finanzierung sollte zum Verfassungskonflikt führen, als 1862 das preußische Abgeordnetenhaus nicht länger bereit war, Provisorien zur Finanzierung der laufenden Heeresreform zu bewilligen. Zum Ablauf der oft behandelten Ereignisse und der Position der Beteiligten liegt hier ein detailreiches weiteres Quellenmaterial vor. Mit der Berufung Albrechts von Roon zum Kriegminister im Dezember 1859 war ein Vorkämpfer der monarchischen Gewalt in den Staatsrat berufen worden, der schließlich auch Bismarck den Weg ebnete. Doch auch er geriet zeitweise in eine schwierige Lage, von der er, durch Bismarck erlöst, zu dessen unbedingtem Vorkämpfer wurde.

Damit kann hier nur ein Bruchteil der Verhandlungsgegenstände genannt werden. Auch in den Regesten kann häufig nur mit einfacher Nennung auf weitere Problemkomplexe hingewiesen werden. Zur Vertiefung muss die - ebenfalls im Verlag Olms-Weidmann erscheinende - Mikrofiche-Ausgabe der Originalquellen herangezogen werden. Verbunden ist die Regestenausgabe mit der großen Edition durch die umfangreichen, sorgfältig bearbeiteten Sach-, Personen- und Ortsregister, die nicht nur die im Band enthaltenen Regesten, sondern auch die Mikrofiche-Edition erschließen. Die von Manfred Jehle (Juni 2001) an dieser Stelle in seiner Rezension für den Band 3 (1840-1848) vorgestellten Editionsgrundsätze haben auch hier Anwendung gefunden.

Auch dieser Band ist für jeden zukünftigen Bearbeiter der preußisch-deutschen Geschichte des 19. Jahrhunderts ein unverzichtbares Hilfsmittel.

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