S.Donth, M. Schmeitzner: Die Partei der Diktaturdurchsetzung

Cover
Titel
Die Partei der Diktaturdurchsetzung. KPD/SED in Sachsen 1945-1952


Autor(en)
Donth, Stefan; Schmeitzner, Mike
Reihe
Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung 21
Erschienen
Köln u.a. 2002: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
628 S.
Preis
€ 54,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Gerhard Wettig

Um die Welt von seinem Verzicht auf revolutionäre Expansion zu überzeugen, löste Stalin die Komintern 1943 in aller Form auf, ließ diese aber als Geheimbüro des sowjetischen Parteiapparats bestehen. Das Personal setzte seine Tätigkeit unverändert fort, deren entscheidende Phase gerade erst anfing. Im Auftrag Stalins und unter dessen Aufsicht, die teilweise an Dimitrov delegiert wurde, begannen kommunistische Exil-Funktionäre der Länder, welche die Rote Armee voraussichtlich erobern würde, mit Planungen für die künftige Machtergreifung. Zugleich setzte die sowjetische Führung umfangreiche Schulungsprogramme in Gang, um die vorhandenen Parteikader auf ihre Aufgabe vorzubereiten und die Zahl der einzusetzenden Kräfte durch Umschulung von Kriegsgefangenen zu erhöhen.

Diese Maßnahmen galten auch Deutschland, dessen Gebiet die sowjetischen Truppen freilich nur zum Teil in die Hand bekommen würden. Wie sich 1945 zeigte, hoffte Stalin darauf, seinen Einfluss von Berlin aus, wo er mit einer vorrangigen Machtposition rechnen konnte, auf die Westzonen ausdehnen zu können. Da er diese Chance nicht durch einen offenen Konflikt mit den Besatzungspartnern gefährden wollte, sah er sich zu einem vorsichtigen Vorgehen bewogen, das die Westmächte nicht herausfordern sollte. Das war ein wesentliches Motiv für das Bemühen, bei der Durchsetzung der kommunistischen Diktatur in der SBZ einen „allgemein-demokratischen“, „parlamentarischen“ Weg einzuschlagen.

Gestützt auf die Herrschaftsgewalt der Besatzungsmacht und in engster Verflechtung mit ihr, folgten die „Moskau-Kader“ in der SBZ der vorausgeplanten Strategie einer Machtergreifung durch Koalitionsbildung. Als die SMAD neben der KPD, deren eigenständigen Politikansätze durch die aus der UdSSR entsandten deutschen „Initiativgruppen“ rasch unterbunden wurden, auch andere Parteien lizenzierte, verband sie damit die Bedingung, dass sie sich mit den Kommunisten zu einem „antifaschistisch-demokratischen Block“ vereinigen müssten. Das lief darauf hinaus, dass alle politischen Kräfte von vornherein auf den Konsens mit der KPD festgelegt wurden und damit der Möglichkeit beraubt waren, eine Alternative in irgendeiner Streitfrage zu formulieren.

Die SPD wurde zudem durch ein spezielles Kooperationsverhältnis an die Kommunisten gebunden und sollte sich später mit diesen zu einer einzigen Partei zusammenschließen. Spontan auftretende Bestrebungen, diese „Einheit der Arbeiterklasse“ sofort in die Wege zu leiten, wurden jedoch gestoppt, denn die KPD sollte vorher in ihrer Sowjetstruktur und ihrer Machtstellung hinreichend gefestigt werden, um die dann hereinströmenden Sozialdemokraten, die neben Neumitgliedern verschiedenster Herkunft als Kader für die zu etablierende Alleinherrschaft dringend gebraucht wurden, politisch assimilieren zu können. Dieser Fahrplan geriet durcheinander, als die SPD trotz massivster Begünstigung der KPD durch die Besatzungsbehörden im Sommer und Herbst 1945 mehr Mitglieder und Anhänger anzog als die Kommunisten. Wie Oberst Tjul’panov nach Moskau berichtete, entstand die Gefahr, dass der kommunistische Anspruch auf die „führende Rolle“ durch die Wahlen des kommenden Jahres desavouiert wurde, weil die SPD die meisten Stimmen zu bekommen drohte. Daher musste die sozialdemokratische Konkurrenz unbedingt vorher ausgeschaltet werden, obwohl die KPD auf die Vereinigung noch nicht ausreichend vorbereitet schien.

Zugleich platzierte die Besatzungsmacht die „Moskau-Kader“ und ihre Gefolgschaft systematisch auf den administrativen „Kommandohöhen“. Auch dabei wurde freilich auf ein Außenbild Wert gelegt, das politische Ausgewogenheit suggerierte. An die optisch erste Stelle wurde in aller Regel ein Bürgerlicher oder ein Sozialdemokrat gesetzt, in dessen Umgebung dann ein kaum in Erscheinung tretender „zuverlässiger“ Kader die Fäden in der Hand hielt. Bestimmte Aufgabenbereiche – vor allem das Innenressort mit der Zuständigkeit für die Polizei, die Personalabteilung, Bildung und Jugend – waren den Kommunisten vorbehalten, denen damit die entscheidenden Machtzentren zufielen.

Von Anfang an wurden zudem Umwälzungsmaßnahmen eingeleitet, die als Erweiterung der demokratischen Ordnung auf das Feld der sozialen Verhältnisse firmierten, aber nach internem Bekunden dem Zweck dienten, den bis dahin führenden Schichten des Bürgertums das gesellschaftliche und ökonomische Fundament zu entziehen: Bodenreform sowie Unternehmensenteignungen, mit denen angeblich Anhänger des Hitler-Regimes eine gerechte Strafe erhalten sollten. In beiden Fällen wurde Sachsen als dem Bevölkerungs- und Wirtschaftsschwerpunkt der SBZ die Vorreiterrolle zugewiesen.

Wie die Durchsetzung der kommunistischen Diktatur von dieser Ausgangslage aus vorangetrieben wurde, stellen Stefan Donth (für die Frühphase bis zur Zwangsvereinigung der „beiden Arbeiterparteien“ zur SED im April 1946) und Mike Schmeitzner (für die folgende Stalin-Zeit, vor allem auch für die Perioden der Kursverschärfung nach dem offenen Ausbruch des Ost-West-Konflikts Mitte 1947) für den regionalen Schauplatz Sachsen dar. Diese Fallstudie zeigt, weil die Details nicht summarisch zusammengefasst, sondern ungekürzt und genau dargeboten werden, in aller Anschaulichkeit die Systematik und die Brutalität des Vorgehens der Militärbehörden und der mit ihnen kooperierenden Kader der KPD/SED gegen alle Personen und Gruppen, die – sei es als bürgerliche Politiker, als Mitglieder der SPD, als frühere Sozialdemokraten in der SED oder auch als altgediente Kommunisten - mit dem jeweils geforderten Kurs nicht einverstanden waren.

Die Verfechter der sowjetischen Linie griffen nicht nur zu Pressionen, Drohungen, Behinderungen oder Zwangs- und Gewaltmaßnahmen aller Art, um ihren Willen voll durchzusetzen, sondern bedienten sich auch subversiver Methoden wie versteckter Einwirkung auf innere Vorgänge in anderen Parteien oder der Einschleusung von Agenten in deren Führungen, die sowohl Beobachtungs- als auch Beeinflussungs- bzw. Steuerungsaufgaben zu erfüllen hatten. Die Erkenntnisse, die Donth und Schmeitzner über das rücksichtslose Handeln der Besatzungsbehörden und ihrer deutschen Gefolgsleute vor Ort gewonnen haben, illustrieren und vervollständigen das Bild, das Stefan Creuzberger 1 und Ralf Thomas Baus 2 von dem Vorgehen der SMAD und der KPD/SED gezeichnet haben.

Schmeitzner und Donth legen bei ihrer Darstellung besonderen Wert auf die spezifisch kommunistischen Formen der Parteiarbeit. Von Anfang an spielte das Bemühen um Kader eine zentrale Rolle, denn für die Durchsetzung des Anspruchs auf die „führende Rolle“ in Staat und Gesellschaft, also für die vorgesehene Errichtung des Herrschaftsmonopols nach innen, war die Verfügbarkeit eines ebenso ausgedehnten wie zuverlässigen Apparats von entscheidender Bedeutung. Auswahl und Schulung der Funktionäre und die Entwicklung eines Nomenklatursystems zu ihrer Verwendung waren daher – anders als bei den anderen Parteien - Kernstücke der Politik.

Dass sich hier das Herangehen an die Politik von vornherein grundlegend von dem unterschied, was sonst üblich war, wird etwa daran schlagartig deutlich, dass die Führungsgruppen der KPD bis hinunter zur Kreisebene bereits 1945 – als selbst der Polizei und den Jägern im Zuge der Entmilitarisierung keine Waffen zugestanden wurden (mit daraus erwachsenden erheblichen Kriminalitäts- und Wildschadensproblemen) – mit Dienstpistolen ausgestattet wurden.

Da es angesichts des massenhaften Bedarfs überall an kommunistischen Kadern fehlte, war es nicht nur für Aspiranten mit dem geforderten sozialen Hintergrund (vorzugsweise Herkunft aus der Arbeiterschaft), sondern auch für Bürgerliche und sogar frühere HJ- und NSDAP-Mitglieder oft nicht allzu schwer, in der Partei Karriere zu machen. Ein Schwerpunkt des Buches liegt auch auf dem Aufbau der Repressionsapparate, vor allem auch der K 5, einem Vorläufer des Staatssicherheitsdienstes, bei dem Sachsen den Vorreiter zu spielen hatte.

Ausführlich dargestellt werden die Manipulationen, Zwangsanwendungen und Verfälschungen, die sich mit den Herbstwahlen von 1946 und der Bildung von Verwaltungs- und Regierungsinstitutionen verbanden. Nach den präsentierten Fakten unterliegt es keinem Zweifel, dass sich der Kurs schon vor dem offenen Ausbruch des Kalten Krieges von Mitte 1947 zu verschärfen begann. Dem steht freilich gegenüber, dass Stalin Anfang 1947 Schritte zur Wiederzulassung der SPD erwog und für die Zeit nach Abschluss der Moskauer Vier-Mächte-Konferenz vorbereiten ließ, um dafür die SED in den Westzonen durchzusetzen, wovon er sich dort einen entscheidenden Einflussgewinn versprach.

Aus diesem Anlass entstand der einzige ernstliche Dissens zwischen ihm und der SED-Führung, die im Gegensatz zu ihm nicht glaubte, dass man der Probleme Herr werden könne, die eine – unter welchen Restriktionen auch immer auftretende – SPD schaffen würde. Daraus wurde freilich nichts: Die vier Besatzungsmächte verfehlten auf der Moskauer Konferenz die Einigung, mit der Stalin gerechnet hatte, und die USA initiierten den Marshall-Plan, den der sowjetische Führer als politische Kriegserklärung ansah und behandelte. Fortan wurde die Sowjetisierung der SBZ intensiviert und beschleunigt, etwa indem man die SED voll zu einer „Partei neuen Typus“ ausbaute, CDU und LDP uneingeschränkt ihrer Herrschaft unterwarf und zuletzt noch die Einheitslistenwahl einführte.

Schmeitzner und Donth haben mit dem Buch eine eindrucksvolle Studie darüber vorgelegt, wie die Besatzungsbehörden unter aktiver Mitwirkung der deutschen „Moskau-Kader“ in den Nachkriegsjahren die kommunistische Diktatur in Sachsen gegen alle – dort besonders starken – Widerstände der demokratischen Kräfte durchgesetzt haben. Die Autoren stützen sich dabei auf eine minutiöse Auswertung der verfügbaren Quellen aus dem früheren Zentralen Parteiarchiv der SED, verschiedenen Landesarchiven, Archiven des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes und – nicht zuletzt – auch einschlägiger Archive in Moskau. Es handelt sich um eine regionale Fallstudie im besten Sinne des Wortes: An den Vorgängen, die sich im Lande Sachsen abspielten, wird die Entwicklung des Ganzen, der SBZ und in gewissem Unfang auch die Deutschland-Politik der UdSSR, deutlich. Tabellen und Übersichten, biographische Daten, ausführliche Quellen- und Literaturverzeichnisse sowie ein Personenregister erleichtern die Benutzung des Bandes.

Anmerkungen:
1 Stefan Creuzberger, Die sowjetische Besatzungsmacht und das politische System der SBZ, Weimar – Köln – Wien 1996.
2 Ralf Thomas Baus, Die Christlich-Demokratische Union in der sowjetisch besetzten Zone 1945 bis 1948. Gründung – Programm – Politik, Düsseldorf 2001.

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