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Titel
Rache und Triumph. Krieg, Gefühle und Gedenken in der Moderne


Autor(en)
de Libero, Loretana
Reihe
Beiträge zur Militärgeschichte 73
Erschienen
München 2014: Oldenbourg Verlag
Anzahl Seiten
X, 447 S., ca. 200 Abb.
Preis
€ 39,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Manfred Hettling, Institut für Geschichte, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Loretana de Libero, Althistorikerin, untersucht in ihrer materialreichen Studie deutsche Kriegerdenkmäler nach 1918 und ergänzt ihre Arbeit mit punktuellen Ausblicken auf andere Länder. Ihr besonderes Interesse gilt der Darstellung des Feindes auf den Denkmälern. Seien es Figuren, Symbole, Allegorien, Embleme, Waffen, sprachliche Formeln – die Verweise auf den Kriegsgegner sind vielfältig. Damit wählt sie aus der Denkmalslandschaft der 1920er- und 1930er-Jahre einen kleinen Teil aus. Denn die Mehrzahl der Kriegerdenkmäler blieb auf die eigenen Gefallenen konzentriert. Doch ist die Grundannahme diskutierenswert, dass die Thematisierung des Feindes auf den Denkmälern verbreiteter war, als man bisher meist lesen konnte.

Ebenfalls ist es lohnend, Denkmäler als kollektive visuelle Ausdrucksformen ernst zunehmen. Die vorliegende Studie beansprucht, die Denkmalslandschaft in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg insgesamt zu erfassen. Auch das ästhetische Spektrum der behandelten Denkmäler ist weit gefasst, es reicht von künstlerisch herausragenden bis zu manchmal fast unbeholfen wirkenden Objekten. Die Konzentration auf die visuellen und sprachlichen Deutungsangebote der Denkmäler ist dort anregend, wo es gelingt, nicht nur einzelne Beispiele aneinanderzureihen, sondern typische Muster sichtbar zu machen.

Die Verfasserin unterteilt ihre Studie zur Art der Feindthematisierung in drei Kapitel. Das erste widmet sich „kriegerische[n] Drohungen“ gegen Feinde, die auf den Denkmälern zumeist unsichtbar bleiben. Sprachliche und bildliche Drohungen bilden das Arsenal: Inschriften, aus Gräbern sich erhebende Fäuste, Schwurhände und Waffendarstellungen. Eines der bekanntesten – und ungewöhnlichsten, als „einzigartig“ tituliert (S. 58) – ist das Berliner Denkmal des Königin Augusta Garde-Grenadier-Regiments Nr. 4 von 1925: eine Steinplastik mit einem unter einem Tuch verborgenen Leichnam, dessen rechter Unterarm mit geballter Faust herausragt.1

Das zweite Kapitel untersucht „Bedrohung[en]“. Dabei fasst de Libero Visualisierungen des äußeren und des inneren Feindes zusammen. Für eine innere Bedrohung etwa steht der dem Dolchstoß in den Rücken erliegende Siegfried, und es werden auch Denkmäler erläutert, bei deren Inschriften die Nationalsozialisten die Namen jüdischer Gefallener entfernten (S. 159–163). Vereinzelt kam es zu nachträglichen Namenstilgungen, doch blieb die große Mehrheit der bestehenden älteren Denkmäler mit Namen jüdischer Gefallener wohl unverändert.

Im dritten Kapitel geht es um Verweise auf „überwundene Bedrohung[en]“. Das umfasst in der Bildsprache Accessoires, die auf den besiegten Feind verweisen. Das Spektrum erstreckt sich von Kanonen, Feldzeichen, Pickelhauben und Stahlhelmen über Tierallegorien bis zum Hakenkreuz. Dabei irritiert, dass hier auch die (länderübergreifend) wenig verbreiteten pazifistischen Denkmäler eingeordnet werden – geht es doch in den pazifistischen Denkmälern um die Ablehnung des Krieges an sich und gerade nicht um einen personalisier- und nationalisierbaren Feind.

Dem Leser erschließt sich in der Abfolge der vielen, meist nur kurz beschriebenen Denkmäler die Zuordnung zu den drei Kapiteln nicht immer. Ein Beispiel möge genügen: Weshalb etwa das Berliner Universitätsdenkmal Hugo Lederers von 1926 (ein sitzender, nackter Recke, aus dem Schlaf erwachend) und die lateinische Inschrift „invictis – victis – victuri“ („den Unbesiegten die Besiegten, die wieder siegen werden“) im Kapitel „Bedrohung“ erscheinen, bleibt unklar, zumal de Libero dieses Denkmal explizit als „Rache-Botschaft“ (S. 130) deutet. Derartige Denkmäler wurden jedoch im ersten Kapitel erörtert. Der Leser wundert sich somit über manches Element der Gliederung, freut sich aber über einen Bildanhang von fast 200 teils farbigen Abbildungen sowie über die reichhaltige und nützliche Auflistung der Literatur.

Die Studie lebt von der Fülle des Materials und der Beschreibung der Beispiele, nicht von der Systematik, der Methodik oder der Argumentation. Bilanziert man, bleibt erstens das Bild einer Denkmalslandschaft, die auch nach Kriegsende in hohem Maße einer Logik der Abgrenzung vom Feind verpflichtet war, sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern. Indem die Arbeit sich auf die Feindbezüge konzentriert, macht sie Dimensionen der Gedenkkultur sichtbar, die bisher selten diskutiert worden sind. Zweitens ist die visuelle Dimension der Denkmalsbotschaften heute erst wieder zu entdecken. Die visuelle Sprache der 1920er- und 1930er-Jahre ist uns fremd geworden. De Liberos Buch hilft, die Vielfalt der Symbole – Saatmetaphern, in Stein gesetzte Drohgebärden, Schwurhände, trotzige Krieger mit oder ohne Waffen, das mythologische Repertoire von Drachen und Schlangen, die Ketten, Helme, Schwerter et cetera – als Ausdrucksformen erneut zu sehen. Ebenso dürfte eine weitere Beschäftigung mit antikisierenden Motiven auf den Denkmälern lohnen. Denn lateinische Inschriften wie das Vergil-Zitat „exoriare aliquis nostris ex ossibus ultor“ („Entstehen möge ein Rächer aus unserm Gebein“) oder das vom Theologen und Rektor Reinhold Seeberg für das Berliner Universitätsdenkmal geprägte „invictis – victis – victuri“ waren auch jenseits rein bildungsbürgerlicher Kreise bekannt und vermittelbar.

Der Ertrag der Studie wäre jedoch größer, wenn de Libero methodische und konzeptionelle Herausforderungen angenommen hätte. Nur drei Beispiele seien genannt. Erstens: Die Einleitung formuliert Ansprüche, die mit dem gewählten Vorgehen nicht einlösbar sind. Eine Beschreibung und Analyse der Denkmäler kann nicht die Wirkung, die „politischen Folgen“ (S. 2) erschließen. Wenn als Programm formuliert wird, „der hermeneutische Zugriff erfolgt primär über einen systematischen Ansatz, der es ermöglicht, die unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten sachgerecht zu vergleichen“ (S. 2), so ist das bestenfalls unverständlich. Anspruch (Wirkungsanalyse) und Verfahren (Motivbeschreibung) fallen in der Arbeit auseinander. Das Problem, dass die Analyse von Deutungen und deren Wirkungen andere Quellen erfordert als die Beschreibung der Objekte, blendet die Verfasserin konsequent aus. Schließlich: Der Titel verspricht eine Gefühlsgeschichte der Kriegerdenkmäler, doch ignoriert die Arbeit das inzwischen reichhaltige Diskussionsangebot der Emotional History souverän und erschöpft sich in Beschreibungen der Droh- und Rachesymbole auf den Denkmälern.

Zweitens: Zwar wird reklamiert, die „komparative Betrachtungsweise“ (S. 2) sei als methodologischer Ansatz gewählt worden. Doch erschöpft sich die Umsetzung darin, in den einzelnen Kapiteln abschließend mehr oder weniger knapp auf Denkmäler in anderen Ländern zu verweisen, auf denen sich analoge oder ähnliche Motive finden. Das wirkt oft willkürlich. Vergleiche erfordern Systematisierungen, vor allem aber Kriterien. Die Darstellung weicht dem aus; sie belässt es bei einem Ausbreiten von Beobachtungen. Dazu ein Beispiel: Rachebekundungen seien typisch für Verlierergesellschaften, heißt es, sowohl nach 1871 in Frankreich wie nach 1918 in Deutschland. Die deutschen Rachedenkmäler nach 1918 seien dabei „zurückhaltender“ (S. 59) gewesen als die nicht-deutschen. Zum Motiv des wiederauferstehenden Rächers heißt es dann später, dass Kinder als zukünftige Rächer auf deutschen Denkmälern „nur selten“ dargestellt würden; „ohne Scheu“ hingegen hätten anscheinend französische Stifter „die auf dem eigenen Nachwuchs liegenden Hoffnungen“ auf den Denkmälern „augenfällig demonstriert“ (S. 104). Beim Leser entsteht somit der implizite Eindruck, dass die deutsche Denkmalslandschaft nach 1918 in der Formensprache zurückhaltender gewesen sei als in anderen Verlierergesellschaften. Der Chance, diesem Aspekt systematischer nachzugehen und die Hypothese zu bestätigen oder zu widerlegen, weicht die Arbeit jedoch aus.

Drittens: Unbeantwortet bleibt die grundsätzliche Frage, ob es sich bei den herangezogenen Denkmälern um singuläre Fälle handelt, also um Ausnahmen. Oder um Darstellungen von Teilmilieus der jeweiligen Länder, etwa von militärnahen Kreisen in den Regimentsdenkmälern? Oder hat man es mit typischen Deutungen der jeweiligen nationalen Gedenklandschaften zu tun? Die Autorin umgeht diese Frage nach Einzelfall und Verallgemeinerbarkeit. Für die Beantwortung wäre eine Begründung der vorgenommenen Auswahl unverzichtbar. Zwar heißt es, für die Studie sei eine „repräsentative Auswahl“ der Beispiele (S. 4) nach Zentrum und Peripherie, Stadt und Dorf, Grenzgebiet und Metropole vorgenommen worden, doch erschließt sich nicht, wie das konkret umgesetzt worden sein soll. Diese Differenzierungen strukturieren weder die Interpretation, noch dienen sie der Erklärung.

Dennoch gibt es immer wieder starke Aussagen und politische Interpretationen auf der Basis von Einzelbeispielen. So endet das erste Kapitel mit dem Hinweis auf Denkmäler der Vertriebenen in der Bundesrepublik. Nach 1945 seien hier Rache-Gedanken „kaum mehr offen ausgesprochen“ worden; sie seien aber „oft genährt“ worden durch die Erfahrungen von Flucht und Vertreibung. Manche Vertriebenenverbände hätten „alsbald anklagende oder offen revanchistische Denkmäler“ errichtet (S. 127). Belegt wird das mit dem Hinweis auf Inschriften, die die Vertreibung als „Unrecht“ bezeichneten. Diese Einstufung mag anklagend sein, aber revanchistisch ist sie nicht. Vor allem aber stellt sich die Frage der Repräsentativität. Orientiert man sich an der Denkmalsübersicht des Vertriebenenbundes, auf die die Verfasserin als Basis ihrer Aussage verweist2, findet man 1.532 Denkmäler der Vertriebenenverbände und kann dann leicht die Inschriften auswerten. Auf 14 Denkmälern (knapp 1%) findet man den Begriff „Unrecht“. Ein einziges Mal taucht das im Buch zitierte „Unrecht bleibt Unrecht“ auf, mehrmals aber wird der Begriff „Unrecht“ mit Friedens- und Versöhnungsappellen verknüpft. Verbreiteter sind Begriffe wie „Frieden“ (3,9%), „Treue“ (3%), „Mahnung“ (3,4%), „Opfer“ (21%), vor allem aber „Heimat“ (auch in Kombinationen wie „Heimatverein“, „Heimatvertriebene“ et cetera) – er findet sich auf 88,2% der Denkmäler. Hier führte nicht nur der „hermeneutische Zugriff“ in die Irre.

Als Fazit bleibt: Die Beschäftigung mit der Bildsprache von Denkmälern kann vielfältige zeitgenössische Sichtweisen auf die Verarbeitung des gewaltsamen Todes eröffnen, stellt aber hohe methodische Anforderungen. Das Beschreiben und Arrangieren von Einzelfällen sowie politisch geleitete Deutungen können konzeptionelle Stringenz und methodische Systematik nicht ersetzen.

Anmerkungen:
1 Abbildung unter <https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Franz_Dorrenbach-Mutter_Erde_fec.jpg> (13.03.2015).
2 <http://www.bund-der-vertriebenen.de/information-statistik-und-dokumentation/mahn-und-gedenkstaetten/> (13.03.2015).