E. Dąbrowa: Studia Graeco-Parthica

Cover
Titel
Studia Graeco-Parthica. Political and Cultural Relations between Greeks and Parthians


Autor(en)
Dąbrowa, Edward
Reihe
Philippika 49
Erschienen
Wiesbaden 2011: Harrassowitz Verlag
Anzahl Seiten
196 S.
Preis
€ 48,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Erich Kettenhofen, Merzig

Seit seiner bei Józef Wolski angefertigten Dissertation in den frühen 1980er-Jahren1 ist die Geschichte der Parther ein Schwerpunkt der Forschungen des polnischen Gelehrten Edward Dąbrowa bis in unsere Tage geblieben. Er führt damit eine Tradition in Kraków fort, die sein Lehrer 1937 mit seiner noch heute wichtigen Dissertation über König Arsaces I. initiiert hat.

Es ist daher zu begrüßen, dass Edward Dąbrowa die Anregungen Robert Rollingers aufgegriffen und im vergangenen Jahr (2011) einen Teil seiner Studien zur Parthergeschichte als Band 49 der angesehenen Reihe Philippika publiziert hat. Arbeiten aus den 1980er-Jahren fehlen ganz2, aus den 1990er-Jahren stammen vier Beiträge.3 Die Veröffentlichungen aus dem ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts sind weitgehend berücksichtigt.4 Aus dem Publikationsjahr stammen zwei weitere Aufsätze, zwei sind bisher unpubliziert.5 15 Beiträge sind insgesamt aufgenommen worden, einer in deutscher und italienischer, vier in französischer Sprache, die restlichen sind in Englisch verfasst. Sie sind nach ihrem Publikationsdatum angeordnet, so dass, wie Dąbrowa im Vorwort schreibt (S. 9), auch der Gang der Forschung anschaulich gemacht werden kann. Beim ersten Beitrag6 liegt allerdings kein reiner Nachdruck vor, wie der Verfasser ebenfalls im Vorwort schreibt (S. 9). Hier hat er nicht nur stilistische Irrtümer und Fehler berichtigt, sondern auch stärker in den Text eingegriffen.7

Störend ist auch, dass in dem soeben genannten Aufsatz aus Tyche 7 (1992) beim Nachdruck die Anmerkung 28 entfallen ist8, umgekehrt im Neudruck des Aufsatzes in Electrum 15 (2009) Anmerkung 12 neu eingefügt wurde, so dass die frühere Anmerkung 12 mit der jetzigen Anmerkung 13 übereinstimmt.9 Änderungen von Zitationsformen (wie bei den Antiquitates des Flavius Josephus) fallen nicht ins Gewicht.10 Dąbrowa hat – außer im ersten Beitrag – die Seitenzahlen des Erstdrucks dankenswerterweise hinzugefügt.11 Leider fehlen in den Anmerkungen wie im Literaturverzeichnis Querverweise auf die jetzige Publikation.

Die gesamte Parthergeschichte wird im Beitrag The Parthian Kingship (S. 111–121) beleuchtet. Ansonsten wird die Zeit nach der Regierung Phraates IV. nur noch in dem 1994 erschienenen Aufsatz behandelt12: Im Mittelpunkt der Forschungen des Verfassers steht seit längerem die frühe parthische Geschichte, hier vor allem die lange Regierungszeit Mithradates’ I., die unter unterschiedlichen Aspekten kenntnisreich beleuchtet wird, sei es nun die Herausbildung des Kultes der herrschenden Dynastie13, seien es die Herausforderungen, denen dieser Herrscher als erster nach den immensen Eroberungen, zuerst Mediens, wenige Jahre später Mesopotamiens, ausgesetzt war. Schon vor einigen Jahren stimmte ich dem Urteil zu14, das Dąbrowa über die Politik dieses Königs gegenüber den nun zahlreichen griechischen Untertanen seines Reiches zeichnete. Der propagandistische Charakter des Appellativums Philhellên solle zwar nicht geleugnet werden15; dennoch darf, wie Dąbrowa abschließend feststellt, es als wohl überlegter und weiser Kompromiss verstanden werden zwischen dem Willen der Unterordnung der neuen Untertanen und dem Instrument der Innenpolitik, die Unterstützung der Untertanen zu gewinnen, die, auch wenn sie eine Minderheit bildeten, dennoch einen gewichtigen Einfluss auf das Staatsleben ausübten. Dieses Bemühen des Herrschers wird auch in seinem Verhalten im unmittelbaren Zusammenhang der Invasionen der seleukidischen Könige Demetrios II. und Antiochos VII. sichtbar.16

Zu begrüßen ist zudem das energische Bemühen Dąbrowas, die verschiedenen, auch wechselnden und zum Teil nur kurzfristig begegnenden Appellative der parthischen Herrscher des 2. und 1. Jahrhunderts v.Chr. für Fragen ihrer politischen Programme, ihres Herrschaftsverständnisses und ihrer Herrschaftssicherung auszuwerten. Teilweise geschah dies in Anknüpfung an die Titulatur hellenistischer Herrscher, wie es auch zuletzt im ersten der beiden bisher unpublizierten Beiträge im Einzelnen aufgezeigt wird;17 gleichzeitig dokumentieren sie die Kultformen, wie sie sich seit Mithradates I. herausbildeten. Paradigmatisch für dieses Bemühen sind die beiden im vergangenen Jahr (2011) erschienenen hier abgedruckten Beiträge.18 Die hier veröffentlichte Aufsatzreihe rundet der zweite, bisher unpublizierte Beitrag gut ab19, in dem Dąbrowa herausarbeitet, dass die arsakidischen Herrscher mit den griechischsprachigen Untertanen in deren Sprache kommunizierten, in Griechisch wandten sie sich aber auch an die sonstigen Reichsbewohner (vgl. S. 156). Im vorausgehenden Aufsatz äußerte der Verfasser bereits Skepsis gegenüber der These seines Lehrers Wolski, dass das Auftauchen aramäischer Legenden auf Münzen des Reichsgründers als Beweis der bewussten Hinwendung zum „passé achéménide“ zu interpretieren sei.20 Erst in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten darf die Verdrängung griechischer Legenden in der Münzprägung durch parthische Beischriften als Hinweis auf die stärkere Hinwendung zum ‚Iranismus‘ gedeutet werden. In den ersten Jahrhunderten der Herrschaft der Arsakiden spielte die griechische Sprache, so Dąbrowa mit Recht (S. 159), eine wichtige Rolle beim Versuch der Schaffung der Einheit des Reiches. Die exzeptionelle Rolle der Münzprägestätte Seleukeia am Tigris wird vom Verfasser ebenfalls gebührend hervorgehoben (S. 159).

Achtet man auf die Aussagen Dąbrowas zu den politischen Zielen der arsakidischen Herrscher, so steht er zu Beginn der 1990er-Jahre noch stark im Bann seines Lehrers Wolski.21 Aber auch im Jahr 2010 können wir noch lesen, dass die Elemente in der arsakidischen königlichen Ideologie, die auf achaimenidische Traditionen verweisen, die Arsakiden als Erben der Achaimeniden ausmachen „thus substantiating the claims of Parthian kings to rule lands that had once been part of the Achaemenid state“.22 Positiv zu würdigen ist die Heranziehung sämtlicher Quellengattungen, darunter auch der in den letzten beiden Jahrzehnten edierten keilschriftlichen Texte aus Babylonien. Dass im Laufe der beiden letzten Jahrzehnte der Verfasser unterschiedliche Herrscherdaten angab, darf bei der Quellenlage nicht verwundern; nachdem er im Jahre 2009 noch den Datierungen Gholamreza R. F. Assars folgte23, weicht er jüngst wiederum von ihnen ab.24

Schon in meiner Besprechung der Gedenkschrift für Józef Wolski25 wies ich auf die Konsequenzen bei von der communis opinio abweichenden Rekonstruktionen von Herrscherfolgen arsakidischer Könige hin. Gravierend wird dies etwa durch die Einführung eines frühen Mithradates III. und eines Artabanos II. (als Sohn Mithradates’ II.), der so Verfasser, nicht in Quellen begegne und dessen Identifikation nur auf der ‚numismatic evidence‘ beruhe.26 Die communis opinio, die Józef Wolski zu den Königen mit dem Namen Artabanos begründete27 und der Dąbrowa 1992 noch ohne Zögern folgte28, wird so in den jüngsten Beiträgen nicht mehr berücksichtigt, wenn er dem Zeitgenossen des Kaisers Tiberius nun wieder die Ordnungszahl III. zuweist.29

Die nicht fehlerfreie Bibliographie (S. 165–180) führt alle Titel zusammen, die früher jeweils einzeln aufgeführt waren.30 Sehr zu begrüßen sind die Indices der Eigennamen (S. 181–183), der ‚Places‘ (S. 185–186) sowie der antiken Quellen (S. 187–196), die äußerst sorgfältig erstellt sind. Der Verlag hat wohl auf ein Lektorat verzichtet; zumindest kann es das Französische nicht beherrschen, sonst hätten ihm die Fülle an Fehlern, vor allem im dritten und vierten Beitrag auffallen müssen. Viele sind aus den früheren Publikationen stehengeblieben, zahlreiche neue sind hinzugekommen. Unangenehm auffallen müssen auch – von Einzelbeispielen abgesehen – Formen wie Philhellenôs (als Gen. Sing.)31, die griechischen Nominative Arsakes (S. 129 u. S. 135) sowie Theôs („the God“) (S. 131).

Edward Dąbrowa gehört ohne Zweifel zu den international profiliertesten Kennern der parthischen Geschichte und ich begrüßte die Ankündigung des Verlages Harrassowitz, einen Teil seiner Arbeiten zu dieser Thematik in einem Sammelband zu veröffentlichen. Die Form der nun vorliegenden Publikation kann jedoch nicht alle Erwartungen erfüllen.

Anmerkungen:
1 Zit. S. 167. Vgl. auch meine Besprechung der Dissertation in: Die Welt des Orients 20/21 (1989/90), S. 332–336.
2 Vgl. außer den S. 167 genannten Arbeiten: Edward Dąbrowa, Les rapports entre Rome et les Parthes sous Vespasien, in: Syria 58 (1981), S. 187–204; Vologèse Ier et l’Hyrcanie, in: Iranica Antiqua 19 (1984), S. 141–147; L’attitude d’Orode II à l’égard de Rome de 49 à 42 av. n. è., in: Latomus 45 (1986), S. 119–124; Les premiers „otages“ parthes à Rome, in: Folia Orientalia 24 (1987), S. 63–71.
3 Zu nennen wäre zudem neben dem S. 168 genannten Aufsatz im Rahmen des Eutiner Colloquiums (1996) noch: Die Politik der Arsakiden auf dem Gebiet des südlichen Mesopotamiens und im Becken des Persischen Meerbusens in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts n.Chr., in: Mesopotamia 26 (1991), S. 141–153.
4 Es fehlen lediglich: Les Séleucides et l’Élymaïde, in: Parthica 6 (2004), S. 107–115 sowie The Conquest of Mithridates I and the Numismatic Evidence, in: Parthica 8 (2006), S. 37–40.
5 Hellenistic Elements in the Parthian Kingship: The Numismatic Portrait and Titulature, S. 143–151 sowie: Greek: a Language of the Parthian Empire, S. 153–163.
6 Könige Syriens in der Gefangenschaft der Parther, in: Tyche 7 (1992), S. 45–54, jetzt: S. 15–25.
7 Vgl. etwa 1992, S. 53 („kein Ergebnis eines günstigen Zusammentreffens von Umständen“) mit S. 24 („nicht auf Zufälligkeiten gründete“). Auf weitere Beispiele muss ich hier verzichten.
8 Die jetzigen Anmerkungen 28 bis 51 entsprechen so den Anmerkungen 29 bis 52 im früheren Aufsatz.
9 Entsprechend sind die früheren Anmerkungen 13 bis 50 identisch mit den jetzigen Anmerkungen 14 bis 51. Teile der Anm. 14 begegnen nochmals wörtlich in der folgenden Anm. 15.
10 Vgl. etwa Ant. 13,5,11 (1992) mit der jetzigen Zitationsform 13,186 in den Anmerkungen 10 und 11.
11 „permise [185] anche“ auf S. 27 besagt allerdings, dass mit „anche“ bereits ursprünglich S. 186 begann.
12 Dall’autonomia alla dipendenza. Le città greche e gli Arsacidi nella prima metà del I secolo d. C., in: Mesopotamia 29 (1994), S. 185–198, jetzt S. 27–37.
13 Vgl. vor allem: Mithradates I and the Beginning of the Ruler-cult in Parthia, S. 99–109. Vgl. auch meine Bemerkungen in der Rezension zur Erstpublikation (2010) in: Frankfurter elektronische Rundschau zur Altertumskunde 13 (2010), S. 30–38, hier S. 31–32.
14 In meiner Besprechung des Beitrags Philhellên. Mithridate Ier et les Grecs, erschienen in: Electrum 2 (1998), S. 35–44, in: Die Welt des Orients 30 (1999), S. 227–232, hier S. 230.
15 Vgl. jetzt auch S. 155, Anm. 10.
16 Vgl. im jetzigen Sammelband zu dieser Thematik der hier in Anm. 6 genannte Beitrag sowie L’Expédition de Démétrios II Nicator contre les Parthes (139–138 avant J.-C.), ursprünglich 1999 publiziert, hier S. 49–57; Les Aspects politiques et miltaires de l’invasion de la Mésopotamie par les Parthes, ursprünglich 2005 publiziert, hier S. 59–73; Les Grecs sous les drapeaux des Arsacides, ursprünglich 2005 publiziert, hier S. 75–81; Greeks under the Arsacid Rule (2nd century BC), ursprünglich 2008 publiziert, hier S. 83–87.
17 Vgl. hier Anm. 5.
18 Arsakes [sic] Epiphanês. Were the Arsacids [sic] Deities „Revealed“?, S. 129–134 sowie Arsakes [sic] Theos. Observations on the Nature of the Parthian Ruler-cult, S. 135–141.
19 Vgl. hier Anm. 5.
20 Vgl. Józef Wolski, L’empire des Arsacides, Leuven 1993, S. 69; vgl. hingegen Dąbrowa, S. 145, Anm. 8. Allein, dass aramäische Legenden viele Jahrhunderte auf Münzen nicht mehr begegnen, zeigt, dass der Ansicht des Verfassers hier zuzustimmen ist.
21 Vgl. vor allem die Aussage im ersten hier abgedruckten Beitrag aus dem Jahr 1992, S. 24 mit der Hervorhebung eines ‚Programms‘ gegenüber den kurzfristigen Zielen, wie etwa des Interesses der arsakidischen Könige, ihre Herrschaft auf Syrien auszudehnen. Mich hat das nie überzeugt; vgl. bereits meine Besprechung des hier in Anm. 20 genannten Buches von Józef Wolski in: Die Welt des Orients 28 (1997), S. 252–266, hier S. 258–259.
22 S. 119. Die Differenz zur Aussage Józef Wolskis (hier Anm. 20) zum „programme de rétablissement de l’État perse dans ses anciennes frontières“ ist gleichwohl zu beachten.
23 Vgl. S. 89, Anm. 1, außerdem S. 112, Anm. 13 und S. 129, Anm. 4. So basieren die Regierungsdaten Mithradates’ I. (165–132 v. Chr.) auf Assars Chronologie (vgl. S. 91, Anm. 11).
24 Vgl. S. 154: c. 170–132 BC. Weitere Beispiele müssen hier entfallen.
25 Zitiert in Anm. 13.
26 S. 140, Anm. 36. Vgl. S. 140, Anm. 33 zu den Belegen für den neu in die Herrscherliste eingefügten Mithradates III.
27 Arsace II et la généalogie des premiers Arsacides, in: Historia 11 (1962), S. 136–145.
28 Vgl. u.a. S. 29, 34 und 36.
29 Vgl. S. 120; S. 148, Anm. 32; S. 162.
30 Es fehlen u.a. Sarkhosh Curtis 2007 (zit. S. 90, Anm. 8 und S. 92, Anm. 13), sämtliche S. 111, Anm. 6 genannten Autoren des Bandes des Eutiner Colloquiums, Invernizzi 2009 (zit. S. 137, Anm. 13) sowie Gaslain 2007 (zit. S. 148, Anm. 31).
31 S. 29. Korrekt hingegen S. 44.

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