A. U. Sommer: Die Münzen des Byzantinischen Reiches 491–1453

Cover
Titel
Die Münzen des Byzantinischen Reiches 491–1453. Mit einem Anhang: Die Münzen des Kaiserreichs von Trapezunt


Autor(en)
Sommer, Andreas Urs
Anzahl Seiten
536 S.
Preis
€ 49,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Karsten Dahmen, Münzkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Stiftung Preussischer Kulturbesitz

Die Beschäftigung mit der Münzprägung des oströmischen Reiches stand forschungsgeschichtlich gleich zweifach unter einem schlechten Stern. Galt die byzantinische Kunst und Kultur im Vergleich mit ihren antiken Vorgängern lange als minderwertig oder gar degeneriert, so waren die numismatischen Zeugnisse von Byzanz noch viel stärker durch eine fachbedingte Vernachlässigung gerade der kunstgeschichtlichen Disziplinen in den Hintergrund gedrängt. Dieses Manko ist durch die numismatische Forschung des 20. Jahrhunderts behoben worden, liegen doch nun, neben reichhaltigen Arbeiten in monographischer oder Aufsatzform zu einzelnen Themenkreisen, insbesondere sowohl Publikationen größerer Sammlungen als auch die von Wolfgang Hahn in Wien verfasste Reihe zur Münzprägung des frühbyzantinischen Reiches und Michael Hendys Untersuchung zur Geldgeschichte vor.1 Zu nennen ist hier außer der in Einzelaspekten überholten Publikation des Bestandes des British Museum jene zu den Sammlungen in Paris und besonders Dumbarton Oaks.2 Zur byzantinischen Spätzeit ist zudem jüngst eine auf das Material des Heberden Coin Room im Ashmolean Museum gestützte Arbeit erschienen.3 Des Weiteren sind zwei aus den 1970er- und 1980er-Jahren stammende, an interessierte Leser und Sammler gerichtete einführende Werke anzuführen.4

Die vorliegende Publikation von Andreas Urs Sommer stellt hierbei auf charakteristische Weise eine Mischung einiger der oben genannten Literaturformen dar und richtet sich deutlich nicht nur an das Fachpublikum, sondern an Sammler byzantinischer Münzen und interessierte Laien (und dies ist hier durchaus nicht negativ zu verstehen).5 Ihre Ausrichtung wird auch erkennbar durch die Aufnahme in eine entsprechende Reihe des Battenberg/Gietl-Verlages, in der bereits Kataloge zu Münzen der römischen Republik und der Kaiserzeit sowie zum kaiserzeitlichen Alexandria erschienen sind. Dem Format der Reihe entsprechend sind kurze und gut verständliche Einleitungen zu Münzbestimmung, Nominalen, Münzaufschriften, Bildtypen, Münzstätten, Stilentwicklung, historischer Entwicklung und Wertbestimmung sowie ein Literaturverzeichnis vorangestellt (S. 5–28).

Der Katalog umfasst rund 4.000 Münzen, die eine repräsentative Auswahl der gängigen Typen in Gold, Silber und Bronze darstellen. Sämtliche Münzen stammen aus einer Privatsammlung, die somit einen Querschnitt der zwischen 491 und 1453 geprägten Münzen darstellt. Multipla und Unikate sowie Gepräge in anderen privaten oder öffentlichen Sammlungen sind nicht erfasst. Die bekannten Kaiser und Mitherrscher sind von 1–91 nummeriert (Nr. 92 ist eine anonyme Prägung), es folgen für das Reich von Trapezunt die Obernummern T1–17. Die Kaisernamen erscheinen der historischen und heute nicht verbindlichen Konvention des Faches gemäß in lateinischer Form. Innerhalb des Katalogs folgen die Einträge diesem Nummernschema, wobei eine zweite Nummer den Münztyp und eine dritte die Einzelexemplare bezeichnet: Kat. 1.3.1 ist also der erste Beleg des dritten Münztyps des Kaisers Anastasius. Sämtliche Münztypen sind mit maßstabgetreuen s/w-Abbildungen versehen. Lediglich in neun Fällen (Kat. 35.1; 46.1; 47.1; 50.1; 67.1–2; 87.1; 91.1; T4.1.) sind frei verfügbare Münzabbildungen von nicht in der Sammlung enthaltenen Münzen verwendet worden, die zur Illustration von anderenfalls nicht nachgewiesenen Herrschern dienen (bei Kat. 67a = Alexius V. Ducas Murtzuphlus fehlen bisher Münzzeugnisse, ebenso für den Komnenen Andronicus II., Kat. T3a); deutlich ist also das Ziel, hier dem Leser zumindest einen numismatischen Beleg für jeden historisch und numismatisch überlieferten Kaiser an die Hand zu geben, auch wenn dessen Gepräge äußerst rar sind. Alleinige Ausnahme ist T10c, hier wird ein Literaturverweis auf die einzige bisher bekannte Münze des Johannes III. Comnenus geboten.

Der einzelne in chronologischer (Kaiser-)Folge und nach Münzstätten und Nominalen gegliederte Katalogeintrag umfasst neben Nominalbezeichnung, Beschreibung von Münzaufschrift (Legende) und Münzbild den Verweis auf anerkannte Referenzwerke. Hinzu kommen in Einzelfällen weitere Hinweise auf Publikationen durch Sommer selbst, aber auch andere Fachkollegen (z.B. 7.4; 7.90; 41.8; 61.2.2.). Für die Einzelmünzen werden zudem – soweit vorhanden – neben Werkstattziffer (Offizin) des jeweiligen Gepräges und Regierungsjahr als individuelle Kennzeichen Gewicht und Stempelstellung (hier in der eher unüblicheren Weise nach Minuten von 1–60 anstelle der konventionellen nach Stunden von 1–12) geboten. Der Zielgruppe der Sammler ist eine Wertangabe in drei Erhaltungsstufen geschuldet. Auf Stempelidentitäten wird hingewiesen, so zum Beispiel im Falle von Kat. 11.101 des Heraclius (siehe unten), wo die hauptstädtische Emission und jene aus Karthago denselben Vorderseitenstempel verwenden. Auch Überprägungen werden, soweit erkennbar, mit Ansprache des Untertyps genannt (zum Beispiel 11.50.4; 11.52+83; 16.4; 24.3; 25.4) sowie Besonderheiten, wie zum Beispiel Verknappungen, so bei Kat. 14.11 vom Semis auf den Triens, oder Gegenstempel, etwa Kat. 11.115.

Neben einem abschließenden Bildindex (ein Münzbild je Kaiser) und einem alphabetischen Verzeichnis der Kaisernamen verdient die akribische Listung der Herkunftsnachweise (meist aus dem Münzhandel) Erwähnung (S. 504–524). Hier soll offenbar Kritik an mangelnder Transparenz vorgebeugt werden; alle Münzen seien zudem mit einer bei Interpol angesiedelten Datenbank ‚Stolen Works of Art‘ abgeglichen worden (S. 7 und 504).

Unter den aufgeführten Stücken ist als Unikum eine Variante eines Solidus des Constans II. (Kat. 12.25) zu nennen, hinzu kommt die auch auf dem Titelbild prominent hervorgehobene Goldmünze des Constantinus VII. und Romanus I., die bisher in sechs Exemplaren bekannt war (Kat. 36.4), ein anderes Exemplar dieses Kaisers, das immerhin fünfzehn mal vertreten ist (Kat. 36.1.), sowie der Solidus 12.5bis mit zwei Geprägen. Ein Solidus des Vorgängers Heraclius aus Karthago (Kat. 11.101) ist das vierte bekannte Stück. Eine nur in fünf Exemplaren bekannte Silbermünze stellt ein Zweidrittel-Miliaresion des Komnenen Isaak II. dar (Kat. 51.4). Eine Reihe von Geprägen bereichert das Corpus der byzantinischen Münzen um neue Belege von Offizin-Nennungen, so etwa Kat. 12.5 und 20.2 (letztere in Gold) sowie unsicher 11.61+63+68. Einen neuen Jahresbeleg liefert wahrscheinlich Kat. 11.67. Der Solidus Kat. 13.2. und die Miliarense Kat. 13.12 des Constantinus IV. waren laut Sommer bisher unbekannt. Einige reduzierte Goldmünzen (Tetartera) sind vermutlich angesichts ihres überraschend hohen Gewichtes mit Sommer doch als reguläre Nomisma (Histamena) anzusprechen, so Basilius II., Kat. 41.4+6+7. Kat. 20.3, ein Hexagramma des Theodosius III., stellt einen Silberabschlag vom Goldstempel dar. Ein unscheinbarer Follis des Tiberius III., Kat. 16.12, erlaubt mittels seines hier lesbaren Monogramms die Korrektur älterer Lesungen. Das Miliaresion des Artavasdus Kat. 22.1. verdient ebenfalls ob seiner Seltenheit Erwähnung, genauso das Basilikon des Johannes VI., Kat. 85.1. Im Falle der berühmten Sternen-Emission (‚Stellati‘) des Constantinus IX. Monomachus (Kat. 48.4) wendet sich Sommer gegen die eingeführte Deutung eines Hinweises auf eine am 4. Juli 1054 von chinesischen Astronomen beobachtete Supernova.

Nicht reguläre byzantinische Münzen stellen die vandalischen und westgotischen Gepräge Kat. 2.52; 11.135–137 dar, deren Aufnahme in diesen Katalog man diskutieren kann. Zwar im Namen eines byzantinischen Kaisers, doch unter ostgotischer oder langobardischer Kontrolle sind andere, sogenannte pseudoimperiale Prägungen hergestellt (Kat. 1.40–41; 4.167bis–170) sowie die einem sasanidischen Prägeherrn zugewiesenen anonymen bronzenen 12-Nummi-Stücke byzantinischen Typs aus Alexandria (Kat. 11.92+93). Letztere werden von Sommer der Forschungsmeinung entsprechend dem Chosroe II. zugewiesen und damit als Zeugnisse der ‚persischen‘ Besetzung Ägyptens interpretiert.6 Kat. 111.130 ist eine in Form eines Goldbrakteaten gefertigte Imitation eines byzantinischen Vorbilds.

Die Arbeit bietet mittels ihres Katalogs einen repräsentativen Querschnitt über die in Byzanz im Verlauf von zehn Jahrhunderten geprägten Münzen. Der Leser erhält grundlegende Informationen zum Münzwesen und zur Identifikation und Ansprache der einzelnen Gepräge. Dies und nicht mehr ist in der hier gewählten Publikationsform beabsichtigt und erreicht. Durch die allgemein verständliche Form und Anlage des Werks ist dieses besonders für Einsteiger und bisher nicht mit numismatischen Zeugnissen vertraute Leser, hier gerade aus dem Bereich der Sammlerschaft, geeignet. Fragen zur Bedeutung von Münzfunden, numismatischen Methodik und inneren Entwicklung von Stil und Bedeutung der Gepräge sind dementsprechend nicht berührt. Mit Blick auf die bereits 1973 erschienene Übertragung des Werks aus dem Englischen von Whitting stellt Sommers Katalog die erste jüngere deutschsprachige monographische Abhandlung in überblickshafter Form dar7, die geeignet ist, die gattungsbedingten Grenzen des Materials einer breiten Leserschaft gegenüber ein wenig durchlässiger zu machen.

Anmerkungen:
1 Regelmäßige und kommentierte Literaturüberblicke sind in den entsprechenden Kapiteln des ‚Survey of Literature‘ geboten, der alle sechs Jahre anlässlich des International Numismatic Congress erscheint, so zuletzt 2009 in Glasgow: Cécile Morrisson, Byzance, in: Michel Amandry / Donal Bateson (Hrsg.), A Survey of Numismatic Research 2002–2007, Glasgow 2009, S. 347–374. – Wolfgang Hahn, Moneta Imperii Byzantini [MIB] I–III, Wien 1973–1981; Wolfgang Hahn / Michael Metlich, Money of the incipient Byzantine Empire [MIBE], Wien 2000, sowie dies., Money of the incipient Byzantine Empire continued [MIBEC], Wien 2010, für die Zeit bis 720 bzw. 610 n.Chr. – Michael F. Hendy, Coinage and Money in the Byzantine Empire, Washington D.C. 1969; ders., Studies in then Byzantine Monetary Economy c. 300–1450, Cambridge 1985; ders., The Economy, Fiscal Administration and Coinage of Byzantium, Northampton 1989 (Aufsatzsammlung).
2 Warwick Wroth, Catalogue of the Imperial Byzantine Coins in the British Museum, London 1908; Cécile Morrisson, Catalogue des Monnaies Byzantines de la Bibliothèque Nationale, Paris 1970. Vgl. auch dies., Monnaies et Finances à Byzance. Analyses, techniques, Aldershot 1994 (Aufsatzsammlung); Alfred R. Bellinger (I) / Philip Grierson (II–III, V) / Michael F. Hendy (IV), Catalogue of the Byzantine coins in the Dumbarton Oaks Collection and in the Whittemore Collection I–V, Washington D.C. 1966–1999.
3 Eleni Lianta, Late Byzantine Coins 1204–1453 in the Ashmolean Museum University of Oxford, London 2009.
4 Philip Grierson, Byzantine Coins, London 1982; Philip D. Whitting, Münzen von Byzanz, München 1973.
5 Vom selben Autor stammt auch der von Christof Boehringer herausgegebene Katalog der byzantinischen Münzen. Münzsammlung der Georg-August-Universität Göttingen im Archäologischen Institut, Göttingen 2003.
6 Die hier zitierte Literatur ist sich in der Datierung dieser Münzen einig, doch zweifelt Hahn, MIB, an einer bildlichen Darstellung des sasanidischen Königs.
7 Vgl. das englischsprachige Überblickswerk David R. Sear, Byzantine Coins and their Values, 2. überarbeitete Auflage London 1987.

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