Cover
Titel
The Cold War.


Autor(en)
Sewell, Mike
Erschienen
Anzahl Seiten
154 S.
Preis
US$ 13,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Bernd Stöver, Lehrstuhl Zeitgeschichte, Universität Potsdam

Der Kalte Krieg war in erster Linie eine Auseinandersetzung zwischen zwei unvereinbar erscheinenden Weltanschauungen mit jeweils konkurrierenden Gesellschaftsentwürfen, ein Systemkonflikt zwischen dem kommunistischen Modell der staatssozialistischen "Volksdemokratie" auf der einen und dem westlichen Modell der liberalkapitalistischen parlamentarischen Demokratie auf der anderen Seite. Prinzipiell beharrten beide Seiten auf universaler Anwendung und globaler Gültigkeit.

Unbestrittene Führer der Lager waren die Hauptsiegermächte des Zweiten Weltkrieges, die USA und die Sowjetunion, die sich mit dem Erreichen ihres wichtigsten gemeinsamen Ziels, der Zerstörung des Nationalsozialismus, entfremdeten. In der bipolare Konfrontation zwischen den Führungsmächten Sowjetunion und USA ordnete sich ein Großteil der anderen Staaten den jeweiligen Blöcken zu. Die Ausnahme bildeten schließlich China sowie die Gruppe der "Blockfreien", die ohne (Vertrags-)Bindung an den Westen und den Osten größtmögliche politisch-wirtschaftliche Unabhängigkeit bewahren wollten.

Nachdem bereits mehrfach verfrüht die Beendigung des Kalten Krieges durch Entspannungsphasen (1955, 1963, 1969, 1972) erklärt wurde, ist nun nach dem Untergang der Sowjetunion erkennbar, dass damit die traditionelle "Schlacht der Ideen" zwischen Sowjetsystem und westlicher Demokratie, als die der Kalte Krieg 1947 offiziell erklärt wurde, beendet ist. Die Auflösung der Sowjetunion 1991 markiert den Ausgang der fast genau 44 Jahre dauernden Auseinandersetzung, die lediglich von Entspannungsphasen unterbrochen, aber nicht durch sie beendet wurde.

Eine Reihe von Autoren haben sich seit 1991 daran versucht, den gesamten Kalten Krieg darzustellen. In der Regel wurde darauf verzichtet, die speziellen historiographischen Probleme einer Gesamtdarstellung zu thematisieren. Der Band aus der Cambridge-Reihe ist hier eine erfreuliche Ausnahme, da er in seiner Einleitung zumindest das Problem des retrospektiven Determinismus thematisiert. Man sucht allerdings die Forschungsgeschichte des Kalten Krieges auch hier vergeblich. Dennoch ist offensichtlich, dass Sewell sich um eine Darstellung bemüht, die einbezieht, dass der Kalte Krieg nicht nur aus angeblichen politischen Tatsachen bestand, sondern seine Dynamik aus der Wahrnehmung der jeweils anderen Seite erhielt.

Auch Sewell lässt den Kalten Krieg 1947 beginnen und 1991 enden und interpretiert ihn als "ökonomische, ideologische und politische Auseinandersetzung" (Klappentext). Für ihn ist die Auseinandersetzung somit keine kulturelle oder gar soziale Konfrontation, wie die Darstellung dann belegt. Aber davon später.

Grundsätzlich kann man auch über die Zäsuren des Kalten Krieges streiten. Sewell zeigt hier seine eigene Phaseneinteilung. Auch sie ist natürlich in der Forschung keineswegs unumstritten, aber man kann sich darauf einigen. Ob zum Beispiel die Konfrontationsphase tatsächlich nur bis 1963 dauerte und danach bis 1975 Entspannung angesagt war, kann mit guten Gründen bezweifelt werden. Ein Problem, das die Historiker mit dem Kalten Krieg haben, ist eben, dass die Phasen, in die man ihn nicht zuletzt aus didaktischen Gründen gerne einteilen möchte, sich überlappen, teilweise über Jahre gegenläufig sind sowie aus europäischer Sicht fast immer anders aussehen als aus amerikanischer, sowjetischer oder allgemein globaler Perspektive.

Für die Version von Sewell spricht immerhin, dass 1963 die zunächst als Außenseiterinitiative begonnene Entspannungspolitik des Berliner Senats unter Willy Brandt, deren öffentlicher Ausdruck dann Egons Bahrs Rede über "Wandel durch Annäherung" in Tutzing wurde, mit den unter Kennedy und Chruschtschow nach der Kuba-Krise vereinbarten internationalen Abkommen zur Verhinderung eines Atomkrieges übereinstimmt. Am 10.6.1963 hielt Kennedy seine Rede zur "Strategie des Friedens" und zehn Tage später wurde das "Rote Telefon" zwischen Moskau und Washington eingerichtet. Gegen die Zäsursetzung spricht einerseits, dass man zum Beispiel die nach Stalins Tod einsetzenden Bemühungen der Moskauer "Kollektiven Führung" durchaus als Entspannungsinitiative interpretieren kann, entstanden aus der internationalen Isolierung, die man nach dem Tod des Diktators aufbrechen wollte.

Andererseits spricht gegen 1963, dass die Rüstungsspirale sich in den sechziger Jahren besonders schnell drehte. Dass Sewell aber durchaus diese Parallelität im Auge hat, erkennt man daran, dass für ihn bereits 1975 die neue Konfrontation begann. Damals setzten sich zunächst intern die Hardliner in der Republikanischen Partei der USA durch, die schließlich 1980 Reagan zum Wahlsieg verhalfen. Die Politik des gescheiterten Entspannungspolitikers Carter erscheint im Rückblick tatsächlich eher wie die Ausnahme von der Regel. In der Dritten Welt ging der Kalte Krieg ohnehin fast ohne Unterbrechung weiter und die beiden "Supermächte" scherten sich dort herzlich wenig um die Entspannungsbemühungen.

Was wirklich in diesem Band fehlt, ist die Tatsache, dass der Kalte Krieg eben mehr war als eine "ökonomische, ideologische und politische Auseinandersetzung". Zumindest in der Dritten Welt fand sie militärisch statt, was der Band natürlich erwähnt. Darüber hinaus war er aber immer auch ein kultureller-sozialer Konflikt. Leider fehlt dieser Aspekt in dem Band völlig. Interessant wäre zum Beispiel eine Anmerkung darüber gewesen, welche Filme die beiden Blöcke als Ausdruck des Systemkonflikts produziert haben. Dass auch ein "Kalter Bürgerkrieg" innerhalb der Gesellschaften stattfand, sucht man zudem vergeblich. Nicht zuletzt war er ein Wettstreit um die besseren sozialen Bedingungen. Auch auf dieser Ebene wurde verbissen gerungen. Wer weiß zum Beispiel noch, dass die Bundesrepublik in den fünfziger Jahren (1957) die Rentenreform durchsetzte, um, wie es Adenauer formulierte, attraktiv für die Menschen in der DDR zu sein.

Sewells Band ist für Studenten gedacht. Dies zeigt sich bspw. in den kurzen Quellenausschnitten im Anhang der Kapitel, versehen mit Fragen zur Entschlüsselung. Dennoch: Nicht zuletzt durch sein hervorragendes Kartenmaterial ist die kurze Einführung "The Cold War" von Mike Sewell auch für andere Interessierte ein lohnenswerter Einstieg.

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