J. Drahomír u.a. (Hrsg.): Arisierungsgewinnler

Cover
Titel
Arisierungsgewinnler. Die Rolle der deutschen Banken bei der "Arisierung" und Konfiskation jüdischer Vermögen im Protektorat Böhmen und Mähren (1939-1945)


Herausgeber
Jančík, Drahomír; Kubů, Eduard; Šouša, Jiří; unter Mitarbeit von Jiří Novotný
Reihe
Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Ostmitteleuropas 21
Erschienen
Wiesbaden 2011: Harrassowitz Verlag
Anzahl Seiten
428 S.
Preis
€ 38,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Monika Sedláková, Nationalarchiv Prag

Der hier anzuzeigende Band fasst die Ergebnisse langjähriger Forschungen eines Teams von Wirtschaftshistorikern der Karls-Universität Prag zusammen. Das Projekt wurde vom Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Tschechischen Republik in Auftrag gegeben und finanziell unterstützt. Im Vordergrund der umfassenden Untersuchung zur Arisierungs-Tätigkeit deutscher Banken im Protektorat Böhmen und Mähren steht die Rolle der Geldinstitute im Arisierungs-Mechanismus des NS-Regimes. Die zentrale Frage lautet, ob die Arisierungs-Gewinne für die Banken wesentlich waren und inwieweit diese zum Aufbau ihrer Aktiva beigetragen haben. Die Verfasser hatten schon zuvor mehrere Artikel und Studien zum Thema veröffentlicht.1

Die Publikation beginnt mit der Darlegung der Fragestellung sowie einer Literatur- und Quellenübersicht. Im folgenden Kapitel wird die Reorganisation des Bankensystems nach der deutschen Besatzung Böhmens und Mährens vom 15. März 1939 behandelt. Eine Schlüsselrolle im Banksystem des Protektorats spielten die Böhmische Escompte-Bank und die Böhmische Union-Bank, die im Lauf des Jahres 1939 als Tochterinstitution der führenden reichsdeutscher Großbanken (Dresdner Bank und Deutsche Bank) umgestaltet wurden. Zu den wichtigen Akteuren zählte auch die Kreditanstalt der Deutschen in der Tschechoslowakei, die schon seit den 1920er-Jahren mit Finanzhilfen aus dem Reich gestützt worden war.

Die weitere Gliederung des Werks ergibt sich aus der Grundstruktur der Arisierungs-Prozesse im Protektorat. Gegenstand eines eigenen Kapitels ist zunächst die personelle (innere) Arisierung der Banken. Gezeigt wird, wie mit der Entlassung aller jüdischen Bankangestellten nicht nur aus den Leitungsgremien der Geldinstitute eine „rassische Säuberung“ des Bankapparats erreicht wurde. Der zweite in einem Kapitel behandelte Bereich der Arisierungs-Tätigkeiten der Banken umfasste Maßnahmen der direkten Arisierung, das heißt der Arisierung im engeren, gebräuchlichen Sinne des Wortes. Hierbei brachten die Geldinstitute jüdisches Vermögen in ihren Besitz. Der umfangreichste dritte Bereich der Arisierungen betraf den indirekten Arisierungs-Profit. Hierzu zählten, wie in einem Kapitel gezeigt, die Maklerrolle der Banken bei der Enteignung des jüdischen Vermögens sowie die Vergabe von Arisierungs-Krediten. Die deutschen Banken rechneten damit, nach der Verkaufsvermittlung eines jüdischen Unternehmens, die bereits einen gewissen Gewinn abwarf, die neuen Inhaber auch als Kunden gewinnen zu können. Andererseits verkaufte man, wie gezeigt wird, die Vergabe von Krediten zur Arisierung der jüdischen Firmen als eine für die deutsche Bevölkerung bestimmte Wirtschaftshilfe seitens des Reiches.

Zu den bislang wenig behandelten Bereichen des Themenkreises Banken und Arisierung gehört die Institution der „Treuhand“, also die Vermögensverwaltung „zu treuen Händen“ sowohl in der Sphäre der klassischen Bankgeschäfte (Konten, Sparbücher, Guthaben, Versicherungen, Wertpapiere) als auch der Verwaltung von verschiedensten Firmen sowie Immobilien. Die Treuhandverwaltung lässt sich auf zwei Grundkategorien zurückzuführen: Die erste bilden solche Vermögen, die dem Verwalter (in unserem Fall einer Bankanstalt) direkt von seinen Besitzern freiwillig oder unter dem Druck der Umstände „anvertraut“ wurden. Die zweite umfasst Vermögen, die an den Treuhänder unmittelbar von der Staatsverwaltung als unter Zwangsverwaltung gestelltes oder sogar enteignetes Gut gingen. Den wesentlichen Teil der zwangsverwalteten Vermögen stellten jüdische Vermögen dar, deren Besitzer nach Palästina oder in die Staaten der Anti-Hitler-Koalition emigrierten. Nach ihrer Gründung im Juli 1939 oblag das Verwalten dieser Vermögen der Zentralstelle für jüdische Auswanderung.

Die Einzelkapitel der rezensierten Publikation stellen die Arisierung von Wertpapieren, Konten und Sparbüchern dar. Die Verfasser geben zu, dass sie im Kontrast zur relativ kompletten Übersicht der gültigen Vorschriften die untersuchte Problematik nur skizzenhaft behandeln können, da die damals gültigen Normen zwar publiziert wurden, zur eigentlichen praktischen Enteignung von genannten jüdischen Vermögen aber nur ein sehr kleiner Teil der Archivquellen zur Verfügung steht. Ein eigenes Kapitel ist der Arisierung von Gold sowie Gegenständen aus Edelmetallen und Edelsteinen gewidmet, die als eine besondere Vermögensart anzusehen sind. Mit dem Verkauf von Goldgegenständen aus jüdischem Besitz war nur eine beschränkte Zahl privilegierter Unternehmen und spezialisierter Organe der Reichs- und Protektoratsverwaltung befasst, wobei die Prager Firma „Hadega“ eine bedeutende Rolle spielte.

Jančík, Kubů und Šouša haben für ihre umfangreichen Forschungen mehr als sechzig Archivbeständen in tschechischen und auch deutschen Archiven ausgewertet. Zu nennen sind das Nationalarchiv in Prag, das Mährische Landesarchiv in Brünn, das Archiv der Tschechischen Nationalbank in Prag, das Verwaltungsarchiv des Finanzministeriums in Prag, das Bundesarchiv in Berlin sowie das Historisches Archiv der Deutschen Bank in Frankfurt am Main. Angesichts dieser Materialfülle kann man einige Ungenauigkeiten im Quellen- und Literaturverzeichnis verzeihen. Die Bestände der Böhmischen Union-Bank und der Böhmischen Escompte-Bank befinden sich nicht im Prager Nationalarchiv, sondern im Staatlichen Regionalarchiv Prag. Nicht herangezogen wurde der Bestand Böhmische Union-Bank, Zweigstelle Brünn, aus dem Mährischen Landesarchiv, wo auch Unterlagen zur Arisierung der jüdischen Vermögen zu finden sind. Obgleich der voluminöse Band gut strukturiert ist, kommt die Darstellung oft ein wenig unklar daher, was einem uneingeweihten Leser die Lektüre mitunter sehr erschwert.

Anmerkung:
1 Vor allem Drahomír Jančík / Eduard Kubů, „Arizace“ a arizátoři. Drobný a střední židovský majetek v úvěrech Kreditanstalt der Deutschen (1939–1945) [„Arisierung“ und Arisatoren. Kleines und mittlere jüdisches Eigentum in den in den Krediten der Kreditanstalt der Deutschen], Praha 2005; dies., Ein abartiges Monopol „Hadega“ Handelsgesellschaft m.b.H. und ihr Geschäft mit Edelmetallen und Edelsteinen während des Zweiten Weltkrieges, in: Miroslav Kárný u.a. (Hrsg.), Theresienstädter Studien und Dokumente 2001, Praha 2001, S. 305-372.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch