M.A. Robb: Beyond Populares and Optimates

Cover
Titel
Beyond Populares and Optimates. Political Language in the Late Republic


Autor(en)
Robb, Margaret A.
Reihe
Historia-Einzelschriften 213
Erschienen
Stuttgart 2010: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
228 S.
Preis
€ 56,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Marian Nebelin, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

Zum Aufgabenbereich des Historikers gehört es, Gebrauch und Bedeutung von Begriffen beständig einer Überprüfung zu unterziehen. Einer solchen Aufgabe stellte sich Margaret A. Robb in ihrer am King’s College London eingereichten Dissertation. Sie widerspricht der verbreiteten Auffassung, die späte Republik sei durch einen schon in den Quellen begrifflich erfassten politischen Antagonismus von ‚Optimaten‘ (optimates) und ‚Popularen‘ (populares) geprägt gewesen. Stattdessen habe der Konflikt zwischen der Senatsmehrheit und den aufrührerischen Abweichlern – den so genannten seditiosi – die Sprache und Selbstwahrnehmung der Führungsschicht geprägt.

Ihre Thesen entfaltet Robb in acht argumentativen Schritten. In einem ersten Schritt (S. 11–33) verweist sie auf einflussreiche Begriffsbildungen, denen sie eine für die gegenwärtige Altertumswissenschaft paradigmatische Bedeutung für die Verwendung des Begriffspaars von Optimaten und Popularen zuschreibt 1: Christian Meier habe unter einem Popularen einen römischen Politiker verstanden, der „a particular political style“ gepflegt habe; das Bestreben des einzelnen Popularen sei gewesen: „advancing his own affairs by using the people’s assembly, promoting himself as a champion of the people and using arguments relevant to the masses“ (S. 12). Optimatische Politiker hingegen seien Brunt zufolge diejenigen gewesen, die davon ausgegangen seien, dass die Dominanz des Senats im ‚Verfassungsgefüge‘ Roms sowohl den politischen Erfordernissen als auch ihren eigenen Interessen am besten diene. Die Vorstellung, dass diese beiden Orientierungen ‚staatsrechtlicher‘ Ideologie miteinander kollidierten, führte zur Entstehung der „traditional bi-polar models“ von Optimaten und Popularen, wie Robb im anschließenden historiographischen Abriss erläutert (S. 92). Dieser Konflikt spielt schon seit Theodor Mommsen in den meisten modernen Darstellungen der späten römischen Republik eine entscheidende Rolle. Zwar sei, behauptet Robb, mittlerweile unstrittig, dass ‚Popularen‘ und ‚Optimaten‘ keine „political parties or groups in the modern sense“ (S. 12) gebildet hätten. Allerdings zerfielen die modernen Darstellungen, die mit dem Gegensatz von ‚Optimaten‘ und ‚Popularen‘ operieren, in zwei Gruppen: die eine verbinde die Begriffe mit einem ideologischen Gegensatz, die anderen verzichte darauf oder bestreite dies sogar.

Robb hinterfragt nun die Quellengrundlage solcher Gegensatzmodelle. Ihre Kritik stützt sich auf eine umfangreiche lexikographische Analyse und eine präzise, oft schematische Untersuchung des Kontextes der einzelnen Belegstellen. Der lexikographische Befund weckt in der Tat Zweifel an der Validität der bisherigen Modelle.2 So zeigt Robb in ihrem zweiten Argumentationsschritt (S. 36–68), dass die wirkungsmächtige, in Ciceros Rede für P. Sestius angebotene Erläuterung von ‚Optimaten‘ und ‚Popularen‘ nur eine „limited and precise“ (S. 67), „contingent and personalized construction“ (S. 68) darstellt und folglich weder eine gesellschaftlich allgemein anerkannte Begriffsbestimmung war noch eine Klärung der realgeschichtlichen Verhältnisse bietet. Einen Hinweis auf die Eigensinnigkeit von Ciceros Darstellung erkennt Robb in der vom Redner aufgegriffenen Frage nach seiner Auffassung vom Optimaten (Sest. 96): Diese Frage habe sich nur dann gestellt, wenn Ciceros Gebrauch des Begriffs für den Zuhörer ungewöhnlich gewesen sei. Und in der Tat wich Cicero von der hergebrachten Bedeutung des Optimatenbegriffs ab, der ursprünglich einen Angehörigen der Aristokratie bezeichnet hatte. Cicero hingegen verstand darunter jemanden, der bestimmte moralische Qualitäten aufwies und infolgedessen seine Handlungen am Wohl der Republik ausrichtete.

Von diesen Optimaten unterschied Cicero die Popularen, die ihr Handeln am Beifall der ‚Menge‘ (multitudo) ausrichteten und für die Erlangung von Zustimmungsbezeugungen auch dem Wohl der Republik zuwider handelten. Mittels dreier aufeinander aufbauender argumentativer Operationen wird in der Sestiana der Begriff des Popularen mit dem des Optimaten verschränkt: Die zuerst vollzogene Unterscheidung zwischen dem ‚wahren‘ und dem ‚falschen‘ Volk (populus) ermöglicht es, nur bestimmte Beifallsbekundungen als Willensäußerungen des Volkes aufzufassen. Die Gleichsetzung dieses einzig urteilsfähigen ‚wahren‘ mit dem allgemeinen populus (universus populus Romanus) markiert zweitens die umfassende Bedeutung, die diesem Beifall zugeschrieben wurde. Um diese Zustimmung zu personalisieren, wird drittens der universus populus Romanus mit Cicero und seinen Unterstützern identifiziert. Auf diese Weise wird der empfangene Beifall der Menge zunehmend auf die nach Ciceros Meinung gerechtfertigte Zustimmung des Volkes eingeengt. Diese Sichtweise zieht Handlungsnormierungen nach sich: Jeder, der die Zustimmung des verus populus sucht, muss ein wahrer Popularer und als solcher zugleich ein Optimat sein, schließlich würde das ‚wahre‘ Volk keine eigensüchtigen Handlungen gegen das Wohl der Republik gutheißen. Dabei wird, wie Robb anmerkt, die Souveränität des Volkes nicht als Gegensatz zur Autorität des Senats aufgefasst, so dass in der Sestiana kein staatsrechtlicher Konflikt von Popularen und Optimaten erkennbar ist.

Im dritten (S. 67–93) und vierten Schritt (S. 95–111) ihrer Untersuchung versucht Robb, die daran anknüpfende Frage zu beantworten, ob innerhalb der ciceronischen Schriften die Verhaltensweisen von Optimaten und Popularen überhaupt jemals so bestimmt werden, dass der von den bipolaren Modellen behauptete Antagonismus erkennbar wird. Ihr Befund ist negativ: Populares Verhalten wird entweder positiv als Handeln im öffentlichen Interesse oder aber negativ als demagogische Opposition gegen die Senatsmehrheit dargestellt. Entsprechend ist gerade der Popularenbegriff „open to interpretation and the interpretation is dependent on the context“ (S. 91). Gleiches gilt für den Begriff ‚Optimat‘; auch hier finden sich verschiedene Bedeutungen: So verweist der Begriff zum einen auf den Senat oder die gesamte Aristokratie, zum anderen auf Cicero und seine Anhänger. Schließlich lässt sich auch ein gegen Caesars Parteigänger gerichteter ironischer Gebrauch des Begriffs ausmachen.

Doch wie verhält es sich außerhalb der Schriften Ciceros? In einem fünften Schritt (S. 113–146) versucht Robb den ‚alltäglichen‘ Sprachgebrauch in der Phase des Übergangs von der Republik zum Principat zu rekonstruieren.3 Hierzu untersucht sie die Verwendung der Begriffe in den Schriften von Cornelius Nepos, Sallust, Velleius Paterculus, Asconius, Livius sowie im Commentariolum petitionis. Das Ergebnis ist eindeutig: Der Optimatenbegriff ist bei allen Autoren, die ihn verwenden, „a synonym for the aristocracy“ (S. 145); Livius formt gar eine Opposition zwischen Optimaten bzw. Aristokraten und plebs. Eine Dichotomisierung des Popularen- und des Optimatenbegriffs hingegen lässt sich nicht belegen; auch hier vor allem deshalb, weil der Popularenbegriff zu widersprüchlich bleibt.

Nachdem sie damit die Vorstellung einer kämpferischen Bipolarität von Optimaten und Popularen endgültig dekonstruiert hat, geht Robb im sechsten Schritt (S. 147–166) ihrer Untersuchung der Frage nach, ob sich andere Konfliktkonstellationen in der politischen Sprache der ausgehenden römischen Republik niedergeschlagen haben. Wenn der Gebrauch des Optimatenbegriffs im Kern eine moralische „elite self-definition“ (S. 148) darstellt und wenn diese ‚Elite‘, wie Robb im Anschluss an Karl-Joachim Hölkeskamp annimmt 4, im Wesentlichen konsensuell zu handeln gewohnt und bestrebt war, dann stellt sich die Frage, wie eine Abweichung von der Mehrheitsmeinung kategorial erfasst wurde, „how members of such an aristocracy would see and describe political opposition“. Robb meint, dies geschehe „in terms of separating such opponents from the group and defining dissidents as outsiders“ (S. 149). Aufbauend auf Untersuchungen Wirszubskis und Hellegouarc’hs identifiziert sie die seditiosi als diejenigen, deren Verhalten – nämlich die Herbeiführung von oder die Beteiligung an einem aufrührerischen Zerwürfnis (seditio) – von der politischen Mehrheit abgelehnt wird.5 Damit findet Robb einen Begriff, der ihr geeignet zu sein scheint, Meiers Vorstellung, in Rom habe eine Methodendifferenz Konflikte geprägt, neu zu fassen: Die seditiosi sind es, die im Konflikt mit dem Senat stehen und sich abweichend verhalten; eine Perspektive, die freilich an den Horizont der Senatsmehrheit gebunden bleibt.

Dass diese neue Oppositionsbestimmung nichts mit einer ideologischen Auseinandersetzung zwischen Verfechtern von Modellen der Volkssouveränität und der Aristokratie zu tun hat, verdeutlicht Robb im siebten Schritt ihrer Untersuchung anhand der Wortwahl Sallusts (S. 167–177). Offensichtlich gebrauchten die meisten Politiker der ausgehenden Republik ein ähnliches Vokabular, in dem die Freiheit und Herrschaft des Volkes sowie die Eintracht von Volk und Senat zu den zentralen Argumentationsfiguren gehörten. Aus diesem Grund dürfte, schlussfolgert Robb, „the notion of popularitas (in the positive sense of acting in the public interest)“ zu den „fundamental values“ der Angehörigen der römischen Aristokratie gehört haben (S. 165). Da mit Robbs Analyse das Modell eines Konfliktes zwischen Optimaten und Popularen in der späten römischen Republik nachhaltig in Frage gestellt ist, verleiht die methodisch stringente Dissertation sowohl der Debatte um die Sprache als auch um die Konfliktkonstellationen in dieser Epoche wichtige neue Impulse.

Anmerkungen:
1 Christian Meier, Populares, in: RE Suppl. X (1965), Sp. 549–615, bes. Sp. 549; Peter A. Brunt, The Fall of the Roman Republic and Related Essays, Oxford 1988, S. 52f.
2 In diesem Zusammenhang ist die umfangreiche „Appendix A“ (S. 179–188), in der von Robb die Kontexte der Rede von Optimaten und Popularen systematisiert werden, von einigem Wert. Leider führt sie die Belegstellen für seditio, seditiosus und seditiosi nicht in ähnlicher Weise an.
3 Auch an diesem Punkt bleibt die Reichweite der Untersuchung natürlich an die Sprache der Führungsschicht gebunden.
4 Robb bezieht sich hier auf Karl-Joachim Hölkeskamp, Rekonstruktionen einer Republik. Die politische Kultur des antiken Rom und die Forschung der letzten Jahrzehnte, München 2004 sowie auf ders., Senatus Populusque Romanus. Die politische Kultur der Republik – Dimensionen und Deutungen, Stuttgart 2004.
5 Chaim Wirszubski, Audaces: A Study in Political Phraseology, in: Journal of Roman Studies 51 (1961), S. 12–22; Joseph Hellegouarc’h, Le vocabulaire latin des relations et des partis politique sous la République, Paris 1963, S. 134–137, 531.

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