H. J. Mierau: Kaiser und Papst im Mittelalter

Cover
Titel
Kaiser und Papst im Mittelalter.


Autor(en)
Mierau, Heike Johanna
Erschienen
Köln 2010: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
328 S.
Preis
€ 24,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefan Burkhardt, Historisches Seminar, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Kaum ein anderes Thema war und ist für die deutsche Mediävistik in dem Maße prägend wie die Geschichte der Beziehungen von Kaisern und Päpsten. In den letzten Jahren wandte sich die Forschung eher Einzelaspekten – wie etwa Kaiser- und Papsttreffen oder Krönungen – oder ausgewählten Phasen – wie etwa ‚Canossa‘ oder dem Frieden von Venedig – zu. Auch fanden sowohl das Papsttum als auch das Kaisertum – nun durchaus auch im transkulturellen Vergleich – wieder verstärkt Behandlung. Eine Gesamtdarstellung des Verhältnisses von Kaiser und Papst in der Zeit von Konstantin bis Friedrich III. sucht man bislang allerdings vergebens.

Heike Johanna Mierau macht sich mit ihrem Buch „Kaiser und Papst im Mittelalter“ an diese große Aufgabe. Zweifellos fordert ein solches Unterfangen eine Schwerpunktsetzung, an die ein roter Faden angeknüpft werden kann. Die Autorin findet diesen durchaus überzeugend in der „Bipolarität der kaiserlichen und päpstlichen Gewalt“ (S. 7), wie sie in ihrem Einleitungskapitel „Gewaltenteilung als Prinzip“ ausführt. Diese Bipolarität habe zur Sicherung der christlichen Weltordnung gedient, „indem die Machtbegrenzung und wechselseitige Korrektur als wichtige Komponenten einer gerechten Gesellschaft institutionalisiert wurden“ (S. 9).

Die Arbeit unterteilt sich in zwei Großkapitel mit unterschiedlichen Gliederungsprinzipien. Das Großkapitel „Politik im Spannungsverhältnis von Kaiser und Papst“ (S. 15–161) widmet sich einer chronologischen Darstellung der Geschichte von Kaisertum und Papsttum von der Spätantike bis weit in die frühe Neuzeit. Auf die Darlegungen der Spätantike und der Beziehungen des byzantinischen Kaisertums und des Papsttums folgt die Zeit von Karolingern, Ottonen, Saliern und Staufern, aber auch das Spätmittelalter findet mit Ludwig IV. und Karl IV. ebenso Berücksichtigung wie mit Sigismund und Friedrich III. Die Ausführungen dieses Kapitels enden mit der Reformation.

Zweifellos ist die Betrachtung eines solch großen Zeitraums und die Auswahl der bedeutendsten Ereignisse und Konstellationen auf knapp 150 Seiten eine beachtliche Leistung. Man vermisst bei einer staunenswerten Detailfülle keinen wichtigen Punkt und gewinnt gerade durch die Konzentration großer Zeiträume neue Einsichten in bestimmte Kontinuitätslinien über rund ein Jahrtausend Geschichte. Diese Kontinuitätslinien deutlicher zu akzentuieren und den Bezug zu der im einleitenden Kapitel aufgeworfenen Thematik stärker zu betonen, hätte allerdings den Erkenntnisgewinn erleichtert. Mitunter tritt die Chronologie in Form absatzweise verschränkter Papst- und Kaiserreihen zulasten der Struktur allzu sehr in den Vordergrund. Eine große Detaildichte und rasche Wechsel der Themen von Satz zu Satz erschweren es mitunter, machen es aber nie unmöglich, dem roten Faden zu folgen. Zusammenfassungen am Ende größerer Unterkapitel – und insbesondere ein Abschluss des ersten Großkapitels – wären hier hilfreich gewesen. Wünschenswert wäre zudem eine größere Dichte und Ausführlichkeit bei den Anmerkungen, da nicht versierte Leser sonst Schwierigkeiten haben könnten, die verwendeten Quellen und Werke der Forschung nachzuvollziehen.

Ein zweites Kapitel folgt unter dem Titel „Kaiser und Papst im Mittelalter – eine bipolare Weltordnung“ (S. 163–248) einem sachlichen Gliederungsschema. Behandlung finden Rechtsgrundlagen, politische Theorie, Symbolik und Ritual sowie Handlungsbereiche des gemeinsamen Wirkens von Kaiser und Papst. Die durchweg anregenden Ausführungen tragen hier thematisch stark verdichteten Charakter, insbesondere in den Bereichen, die das Recht und die politische Theorie behandeln. Es ist sicherlich vor allem dem begrenzten Umfang des Werkes geschuldet, dass die Abschnitte zur symbolischen Kommunikation nicht ausführlicher dargelegt werden konnten. Das Kapitel zu den Handlungsbereichen bipolarer Lenkung besticht durch Stringenz und klare Linienführung. Der sorgfältig ausgewählte Tafelteil des Werkes illustriert in besonderer Dichte die Ikonographie von Kaisern und Päpsten. Die Zusammenfassung „Die Einheit der westlichen Christenheit zwischen Kaiser und Papst“ (S. 249–263), eine chronologische Übersicht über Kaiser und Päpste und ein Personenregister runden den Band ab.

Freilich stellt sich nach der Lektüre des Werkes die Frage nach den Adressaten. Als einführendes Handbuch ist es nur bedingt geeignet, das Werk ist voraussetzungsvoll und scheut auch klare Wertungen in skizzenhaft knapper Argumentation nicht. Für ein Fachpublikum macht gerade dieser Essaycharakter jedoch auch seinen Reiz aus: Das Buch bietet eine Fülle von Details aus vielen Jahrhunderten, regt durch den Blick auf die Wechselbeziehungen in der langen Dauer an, fordert mitunter aber auch Widerspruch heraus. So scheiterte Friedrich Barbarossa nicht nur an Alexander III., sondern vor allem auch an den oberitalienischen Kommunen, und es ist zu diskutieren, ob der Kaiser nach dem Frieden von Venedig „Herr in seinem imperium“ (S. 86) geblieben war. Aber dies sind nur Marginalien.

Reizvoll wäre zweifellos der Versuch gewesen, in die Untersuchung einen Vergleich mit Konstellationen zu integrieren, die die traditionelle Kaiser-Papst-Geschichtsschreibung transzendieren. Die Kontrastierung mit anderen europäischen Herrschern fällt im besprochenen Werk weitgehend weg: Zu denken wäre dabei nicht nur an die französischen Könige gewesen, sondern auch an die Herrscher Süditaliens oder die Monarchen der Iberischen Halbinsel. Anbieten würden sich auch Beispiele aus dem byzantinischen, russischen oder arabischen Raum. Ein solches Vorhaben hätte zweifellos den Rahmen des Gegebenen gesprengt, sollte als Perspektive weiterer Forschungen jedoch im Auge behalten werden. Der Band von Frau Mierau bietet hierzu eine gute Grundlage.

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