W. Zimmermann: Befristete Arbeitsverhältnisse

Titel
Befristete Arbeitsverhältnisse an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen bei Drittmittelfinanzierung.


Autor(en)
Zimmermann, Wolfgang
Reihe
Wissenschaftspolitik und Wissenschaftsrecht, Bd. 1
Erschienen
Anzahl Seiten
Preis
€ 25,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dr. phil. Martin Zürn, Historisches Seminar, Universitaet Freiburg i.Br.

Die vorliegende Publikation wurde im Wintersemester 2000/2001 an der Universität Freiburg i.Br. bei Manfred Löwisch und Thomas Würtenberger als Dissertation angenommen. Wolfgang Zimmermann widmet sich seinem Thema in der „Spannungslage zwischen Wissenschaftsfreiheit, Berufsfreiheit und Koalitionsfreiheit“ (S. 5).

Er gliedert den Stoff in neun Hauptabschnitte, die er auf einen Allgemeinen, einen verfassungsrechtlichen und einen Besonderen Teil zu speziellen Befristungsbestimmungen verteilt. An die thematische Eingrenzung mit besonderer Erörterung des Drittmittelbegriffs schließt sich ein Rückblick auf die Entstehung des „Gesetz[es] über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen“ (HFVG) vom 14.06.1985 an. Dieses Gesetz führte mit den §§ 57a ff. HRG die bekannten Sonderregelungen für die Befristung von Arbeitsverhältnissen im wissenschaftlichen und künstlerischen Bereich ein (S. 6). Die Gewerkschaften sahen dadurch die grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie verletzt. Das Bundesverfassungsgericht entschied aber am 24.4.1996, die vorbehaltlos nach Art. 9 Abs. 3 GG gewährte Koalitionsfreiheit verbiete Regelungen des Gesetzgebers keineswegs. Im gegebenen Fall sei die Freiheit der Wissenschaften (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG) durch erweiterte personelle Dispositionsfreiheiten zu schützen und zu pflegen. Es gelte der Gefahr vorzubeugen, dass Mitarbeiter – die weibliche Form kommen in der Dissertation nicht vor – aufgrund der sozialgerichtlichen Rechtsprechung weiterbeschäftigt werden müssten, auch nachdem die für konkrete Projekte bewilligten Mittel verbraucht seien (S. 47f.). Die gesetzliche Tarifsperre, d.h. die Herausnahme der Befristungsfrage aus den (gescheiterten) Verhandlung der Tarifparteien über §§ Nr. 1-2 SR 2y BAT sei daher zulässig. Die Tarifautonomie sei nicht wesentlich eingeschränkt, da die Hochschulbediensteten nur einen „vergleichsweise kleinen Ausschnitt aus dem Spektrum der von den Beschwerdeführerinnen vertretenen Arbeitnehmer“ ausmachten (S. 47-50; Zit. S. 49). M.a.W., aus Drittmitteln besoldete WissenschaftlerInnen wurden durch höchstrichterliches Urteil als soziale Minderheit definiert, um sie einem besonders nachteiligen Arbeitsrecht unterstellen zu können.

Vor diesem Hintergrund hat Zimmermann den Angehörigen des wissenschaftlichen Mittelbaus keinen Trost zu bieten. Die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG) sei als „subjektives Abwehrrecht“ gegen inhaltliche Eingriffe der dem Grundgesetz unterworfenen Instanzen zu sehen; das verordnete Aus nach gesetzter Frist sei zeitbezogen, mithin „wissenschaftsneutral“ und kein Eingriff in den wissenschaftlichen Erkenntnis- und Publikationsprozess an sich (vgl. S. 85f., 104). Die häufig vorgebrachte Kritik, die Befristungsregelungen verletzten das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG), wird mit dem Argument erwidert, der Gesetzgeber habe einen weiten Gestaltungsspielraum (S. 89), den er zur Pflege wissenschaftlicher Freiheit und Effizienz zu nutzen habe. Der Wendepunkt in der Abwägung zwischen den Interessen des staatlichen Wissenschaftsbetriebes und des/ der Beschäftigten sei mit der allseits bekannten Beschäftigungsdauer von fünf Jahren erreicht (S. 105, S. 92 mit Anm. 406, nach BAG, 21.01.1987-7 AZR 265/85-AP Nr. 4 und BAG, 15.03.1989-7 AZR 397/88-n.v.). Hierbei komme es auf den Einzelfall an. Die Unterschiede zwischen wissenschaftlichen, technischen und administrativen Mitarbeitern rechtfertigten die Ungleichbehandlung und stellten keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitsgrundsatz) dar (S. 94, 105, vgl. auch S. 161). Die Befristungsregelungen verstoßen auch nicht gegen europäisches Recht (S. 74-76, 104, zur Richtlinie 1999/70/EG).

Zur aktuellen Frage, ob an nach HRG befristete Verträge weitere Verträge nach dem Beschäftigungs-Förderungsgesetz von 1996 angeschlossen werden können, legt Zimmermann im Anschluss an das Bundesarbeitsgericht wie auch an die Protokollnotiz Nr. 6 Satz 2 zu Nr. 1 SR 2 y BAT dar, dass die „Befristungsmöglichkeiten nach BeschFG und HFVG ... bei Anwendbarkeit des BAT in der seit dem 1.2.1996 geltenden Fassung nicht aneinander gereiht werden“ können (Zit. S. 153, 155); und: „Für Arbeitsverträge, die ab dem 1.1.2001 befristet werden, stellt sich das vorstehende Problem nicht mehr. Gem[äß] § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist eine Befristung ohne sachlichen Grund (erleichterte Befristung) nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat ... Nur die Befristung mit Sachgrund im Anschluss an eine (erleichterte) Befristung ist möglich“ (Zit. S. 155f.). Damit benennt Zimmermann die aktuellen Verwaltungsbedenken gegen die HRG-Novelle, während das Bundesforschungsministerium auf seiner homepage in seinem Problemkatalog zur HRG-Novelle (Frage 51) die sachlich begründete Anschlussbefristung nach § 14 TzBfG als Rechtsgrundlage für eine Weiterbeschäftigung nach der befristeten Beschäftigung in der Qualifizierungsphase preist.

Wolfgang Zimmermann stellt die Materie solide und klar strukturiert zusammen. Allerdings folgt er unkreativ, fast schon sklavisch der berühmten „herrschenden Meinung“. So vertritt er die bekannte These, nur befristete Arbeitsverhältnisse möglichst junger Nachwuchskräfte und stetige Personalfluktuation garantierten die nötigen Innovationen im Wissenschaftsbetrieb (S. 64f.), denn „die schöpferische Tätigkeit unterliegt mit zunehmender Routine einem Abnutzungsprozess“ (S. 64f.). Zimmermann verschanzt sich hier hinter Empfehlungen des Wissenschaftsrats, der der in seiner Stellungnahme vom 07.07.2000 einerseits eine Ausweitung befristeter Arbeitsverhältnisse „auch über die Gruppe des wissenschaftlichen Nachwuchses hinaus“ fordert (S. 167 mit Anm. 739). Ebenso zitiert er aber auch die Empfehlung der Expertenkommission zur Hochschulreform vom 07.04.2000, die den Beamtenstatus für Professoren „aus pragmatischen Gründen“ (die nicht ausgeführt werden) beibehalten sehen will. Ein pauschaler Vergleich zwischen Arbeits- und Beamtenrecht sei hier nicht möglich (S. 96 mit Anm. 420). Ist diese auf Art. 33 Abs. 4 GG basierende Zweiteilung des Arbeitsrechts eine unfreiwillige verbale Ohrfeige für in Beamtenehren ergraute, aber weiterhin produktiven Ordinarien – oder sind verbeamtete Forscher innovativ, weil sie Beamte sind, andere hingegen nur, weil sie befristet beschäftigt sind?

Für Laien ist es schließlich verblüffend zu lesen, dass es gar keinen gesetzlich verbindlichen Drittmittelbegriff gibt. Hierunter seien alle Finanzzuflüsse außerhalb der regulären Haushaltsmittel zu verstehen, d.h. sowohl von Privat als auch vom Staat zugeschossene Mittel (S. 9f.). Im Jahr 1998 wurden von 35.401 Drittmittelstellen (davon nur 1.594 unbefristeten) 80 Prozent aus öffentlichen Töpfen finanziert. Angesichts des rapiden Wachstums dieser Finanzierungsart könnte eben doch die Folgerung gezogen werden, dass sich Bund und Länder mit Hilfe des Drittmittel-Tricks der ansonsten üblichen Fürsorgepflichten gegenüber ArbeitnehmerInnen entledigen und hierzu ihr gesetzgeberisches Monopol missbrauchen. Dass die vielzitierte Pflicht zur Nachwuchsförderung für den Nachwuchs oft genug im Nichts endet, zumal der Staat als Quasi-Monopolist auf dem kulturwissenschaftlichen Arbeitsmarkt durch starre Laufbahnregelungen den Übertritt in andere Bereiche massiv erschwert, wird überhaupt nicht thematisiert. Hier fehlt die kritische Erörterung des politischen und sozialen Gebrauchs des Rechts, etwa auf der Grundlage von System- oder Organisationstheorien.

Einen Hinweis wäre schließlich die Tatsache wert gewesen, dass Art. 3 Abs. 3 GG zwar die Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, Glauben und politischer Einstellung verbietet, nicht jedoch die nachträgliche gesetzgeberische Diskriminierung aufgrund des Alters oder absolvierter curricula. Weder das alte noch das neue HRG hätten diesbezüglich in den USA verabschiedet werden können, wo es im Hochschulbereich keinerlei Alters- oder Beschäftigungshöchstgrenzen gibt. Dies hätte allerdings bedeutet, über den sprichwörtlichen Tellerrand des deutschen und des EU-Rechts hinauszublicken.

Zimmermanns Vorschläge zur Novellierung des alten Hochschul-Rahmengesetzes klingen zynisch: Das „Bestandsschutzinteresse“ des Arbeitnehmers solle dadurch „aufgewertet“ [!] werden, dass die Laufzeit aller „wissenschaftsspezifisch befristeten Arbeitsverträge“ unabhängig von der Institution addiert werden und insgesamt fünf Jahre nicht überschreiten dürfen (S. 185), da es bisher zulässig war, an verschiedenen Hochschulden jeweils fünf Jahre zu arbeiten (S. 144, u.a. nach BAG und nach LAG Hamm, 29.10.1999-5 Sa 2685/98.n.v.). D.h., Zimmermann plädiert für ein faktisches Arbeitsverbot an deutschen Hochschulen nach fünfjähriger Tätigkeit, falls der Wechsel auf eine Dauerstelle nicht gelingt. Höchstens seien im Einzelfall flexiblere Auslaufzeiten von vielleicht einem zusätzlichen Jahr zur Abwicklung laufender Projekte zu gestatten; gegen weitere Anschlussbefristungen bestünden hohe judikative Hürden (S. 186f., 189). Auf die etablierten Regelungen könne nur verzichtet werden, wenn gesetzlich bzw. durch die Rechtsprechung abgesicherte, wesentlich erleichterte Kündigungsmöglichkeiten bei befristeten wie unbefristeten Verträgen bestünden (S. 171, 173). Ansonsten bestehe – hierin ist Zimmermann nun origniell – im Hinblick auf das alte Hochschulrahmengesetz „kein weiterer Reformbedarf“ (S. 193). Soziale Härten seien in Kauf zu nehmen (S. 194). Abgelehnt wird der Vorschlag, beim Wegfall befristet finanzierter Stellen den außerhalb der Hochschulen üblichen Weg der ordentlichen Kündigung aus betrieblichen Gründen zu gehen, es sei denn, dies werde von Legislative und Jurisdiktion übereinstimmend so definiert (S. 178f.). Auch eine Quotierung befristeter Stellen und die Bildung von Mitarbeiterpools schränke die personelle Dispositionsfreiheit des Wissenschaftsbetriebes unzulässig ein (S. 180-183).

Damit liegt Wolfgang Zimmermann auf der Linie der viel diskutierten HRG-Novelle bzw. ihrer restriktivsten Auslegung, während ausgerechnet sein Herausgeber, Prof. Dr. Hartmut Schiedermair als Präsident des Hochschulverbandes, eine sofortige Reparatur der Novelle und einen „Vertrauensschutz“ für den wissenschaftlichen Nachwuchs fordert 1. Verfassungsrichter [Jürgen?] Kühling, der in seinem abweichenden Votum von 1985 die damalige Novelle als schlecht begründeten, unverhältnismäßigen Eingriff in die Tarifautonomie gerügt, und Bernhard Nagel, der 1997 von einem „Entlassungsgebotsgesetz“ geschrieben hatte (S. 51f.), erweisen sich heute als prophetische Rufer in der Wüste. Fazit: Es gibt kein schlechtes Gesetz, das sich nicht zum Schaden der Betroffenen noch verschlechtern ließe. Insofern ist die vorliegende Abhandlung durch die neueste Entwicklung überholt und doch hoch aktuell.

Anmerkung:
1 Pressemitteilung des Deutschen Hochschulverbandes Nr. 1/2002, 25.01.2002, in: www.hochschulverband.de.

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