A. Esch: Landschaften der Frührenaissance

Cover
Titel
Landschaften der Frührenaissance. Auf Ausflug mit Pius II.


Autor(en)
Esch, Arnold
Erschienen
München 2008: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
128 S.
Preis
€ 14,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Olaf B. Rader, Monumenta Germaniae Historica / Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

„Wege nach Rom“, so heißt eine der Miniaturensammlungen von Arnold Esch, dem großartigen Erzähler vom vielgestaltigen Mittelalter im Detail. In diesem Buch geht es nicht nur um Wege nach Rom, sondern auch um solche in Rom und um Rom herum. „Alles ist nichts gegen Rom“, so meinte schließlich schon Winckelmann. Doch der Humanistenpapst Pius II. (1458–1464) empfand das offenbar anders. Zumindest das Gemäuer der ewigen Stadt schien ihm nicht alles zu sein. In seiner autobiographisch durchformten Schrift Commentarii, die natürlich auch von literarischen Vorbildern geprägt worden ist, hat er beschrieben, dass und wie es ihn mehr in die Landschaften um Rom herum gezogen habe. Weg von Rom und seinen Gassen, weg von dunklen Räumen und schweren Möbeln, so dachte er wohl. Da ist von einfachen Mahlzeiten im Freien die Rede, gleichsam einer Vorliebe zu Picknicks, die der Pontifex in der Natur einnahm. Auch für das Aktenstudium zog er die Kastanienwälder des Monte Amiata den Arbeitsräumen im Vatikan vor, ganz zu schweigen von den sinnenden Betrachtungen der antiken Ruinen, die ein neues ästhetisches Grundempfinden spiegelten. Seit seiner Jugend und schon vor Erlangung der Tiara hatte Enea Silvio Piccolomini, immerhin ein Poeta laureatus und Spross einer Adels- und Kaufmannsfamilie aus Siena, Kirchenstaat und Toskana viel durchwandert. Aber als Papst schien er geradezu zum Wandersmann zu werden, hätte er nicht gichtgeplagt die Ausflüge und Landaufenthalte auf dem Tragsessel absolvieren müssen.

Viele dieser Details von der Liebe zur freien Natur des Papstes Pius II. versammelt Arnold Esch in seiner kleinen Studie ‚Auf Ausflug mit Pius II. Ein Papst erlebt die Landschaft der Frührenaissance‘, die eigentlich auch heißen könnte: Wege von Rom. Mustergültig wertet er dafür gleichsam Parallelbelege zu den Commentarii aus, vor allem Rechnungsbücher des päpstlichen Haushalts und Briefe von Teilnehmern an den Ausflügen. So entsteht ein kleines kulturgeschichtliches Gemälde, das den berühmten Papst mehr beim Bergsteigen und Meeresbetrachten zeigt, denn im politischen Alltag seines Amtes. Und gleichsam wie mit Bildern im Bild sind die Ausführungen mit Kunstwerken jener Zeit versehen, die die neue Sicht auf Natur und Landschaft repräsentieren: Pinturicchios Pius-Zyklus aus dem Dom von Siena, Baldovinettis Fernblick auf toskanische Landschaft in der Kirche SS Annunziata in Florenz, Mantegnas Caesarentriumph mit Römischen Ruinen aus einer Tafelbildserie oder sogar eine Schneeballschlacht aus dem Castello del Buonconsiglio in Trient, sie alle bezeugen, seit dieser Zeit erwacht das Interesse am Panoramablick und an klaren Seen, selbst am dunklen Wald.

Der zweite Essay des schönen Bändchens, ‚Das Erlebnis der griechischen Inselwelt in der Renaissance‘, bietet ebenfalls süßes reiseschriftstellerisches Konfekt. Seit dem 15. Jahrhundert befuhren vornehmlich italienische und deutsche Reisende als Jerusalempilger die griechische Inselwelt und begannen darüber zu berichteten. Solcherart Pilgerreisen wurden in jener Zeit immer gefährlicher, denn schnell konnte man sich auf der Ruderbank einer Türkengaleere wiederfinden, von der sich die heute vielbesuchten Reiseziele dann sicher anders ausnahmen. Doch einmal an Land, gab es viel Staunenswertes zu berichten: griechische Statuen und antike Stadtmauern in unwegsamem Gelände, Strandgelage, Trinkwassergewinnung aus Salzwasser, schwimmende Bimssteine: „Ich sammelte mir Bimssteinchen in meine Kutte und nahm sie mit nach Ulm, um mir im Bad die Fersen damit abzureiben“, vertraut der Dominikaner Felix Fabri seinen Papieren an. Zudem kolportieren die Reisenden jede Menge aufgeschnapptes Reiseführergerede, wie etwa die Geschichte, dass ganz Venedig aus den Steinen von Troja erbaut worden sei.

Neben den kulturgeschichtlichen Aspekten sind diese Beschreibungen auch methodisch interessant, weil sich mitunter mehrere Berichte aus ein und derselben Pilgergaleere überliefert haben, es also trotz absolut gleicher Bedingungen an Bord und äußerer Verhältnisse wie Wind oder Piratenangst, zu unterschiedlichen Berichten kommen konnte. Arnold Esch, der brillante Erzähler, vermag immer wieder besonders schöne Funken aus den Feuersteinen seiner Quellen zu schlagen. Eine davon ist die Geschichte des italienischen Pilgers Niccolò da Martoni, ein Notar aus einem Ort bei Capua. Ihn hatte es während seiner Fahrt ins Heiligen Land der Jahre 1394 und 1395 auf der Rückreise durch widrige Umstände bis nach Athen verschlagen. Alles was er sah, glaubte er für seine Leser nur in heimatlichen Vergleichen ausdrücken zu können. Rhodos sei so groß wie Capua, Famagusta hätte Plätze wie Capua, die Marienkirche, die zu seiner Zeit im Parthenontempel der Akropolis von Athen eingerichtet war, sei so groß wie die Kathedrale von Capua, und die Propyläen dort seien aus so schönen Marmorsteinen gefügt, wie jene des Brückentores von Kaiser Friedrich II. in Capua; nicht die Welt ist im Tropfen gefangen, sondern ausschließlich durch die Linse von Capua zu verstehen. Am des wunderbaren Bändchens Ende denkt man: Zu schade aber auch, dass schon Schluss ist.

Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension