Cover
Titel
Belisarius. The Last Roman General


Autor(en)
Hughes, Ian
Erschienen
Yardley 2009: Westholme
Anzahl Seiten
XVI, 272 S.
Preis
$ 26,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dariusz Brodka, Instytut Filologii Klasycznej, Uniwersytet Jagielloński, Kraków

Flavius Belisarius (um 505–565) gehört zu den bekanntesten Feldherren Ostroms. Seine Siege über die Vandalen und die Ostgoten und deren lobende Darstellung in der Kriegsgeschichte des Prokopios von Kaisareia haben dazu beigetragen, dass dieser General in Byzanz über Jahrhunderte einen guten Ruf genoss. In der Forschung wird die Karriere Belisars meistens im Rahmen der Herrschaft Justinians berücksichtigt. Obwohl einige Studien wertvolle Einblicke in seine Karriere bieten, fehlt bislang eine moderne, detaillierte Biographie dieses Generals.1 Mit Sicherheit darf man feststellen, dass das vorliegende Buch von Ian Hughes zu Belisar diese deutliche Lücke in der Forschung nicht füllt: Seine Arbeit bleibt auf dem Niveau einer populärwissenschaftlichen Darstellung, wissenschaftliche Kontroversen werden hier daher nicht erörtert und auch nicht durch neue Positionierungen oder Erkenntnisse vorangebracht.

In der Einführung hebt Hughes deutlich hervor, dass er sich in seiner Darstellung auf die Person Belisars beschränkt. Ein breiteres Bild der Ereignisse wird daher nur in der Betrachtung der Hintergründe der einzelnen Kriege entworfen. Zudem stellt Hughes fest, dass er keinen eigenständigen Beitrag in der wissenschaftlichen Diskussion zur Epoche leisten möchte und dementsprechend alle Kontroversen, die sich auf die Hauptprotagonisten oder die Zuverlässigkeit der Quellen beziehen, außer Acht lasse (S. XII). Eine Ausnahme bildeten hingegen nur diejenigen Fragen, die für das Thema des Buches wichtig seien. In diesen Fällen möchte Hughes kurz den Standpunkt der modernen Forschung darstellen und auf die Hauptprobleme verweisen (S. XII). Aber auch diesem Anspruch wird er meist nicht gerecht: In seiner Literaturgrundlage zeigen sich deutliche und zuweilen überraschende Lücken, zahlreiche moderne Arbeiten, die die Herrschaft Justinians und dessen Epoche sowie die einzelnen Quellen behandeln, wurden nicht herangezogen. Die „Select Bibliography“ ist in ihrer Zusammenstellung weniger selektiv als vielmehr einfach zufällig.

Das Buch besteht aus 14 Kapiteln, die chronologisch das Leben und die militärische Karriere Belisars darstellen. Die ersten drei Kapitel bieten eine allgemeine Einführung zur Epoche, zur Verwaltung des byzantinischen Reiches und zum Militärwesen im 6. Jahrhundert. Zu letzterem liefert Hughes zwar ein sehr vereinfachtes Bild, zu Recht wird aber auf die wichtige Rolle der berittenen Bogenschützen verwiesen, die Belisar in den Kämpfen gegen Vandalen und Ostgoten sehr effektiv zum Einsatz brachte. Im zweiten Kapitel werden auch kurz die Anfänge der politischen und militärischen Laufbahn Belisars behandelt. Mit dem vierten Kapitel beginnt Hughes’ ausführliche Darlegung der einzelnen Kriege und Kampagnen, an denen Belisar teilnahm. Das Schema der jeweiligen Teile seiner Erörterungen ist stets ähnlich: Zuerst präsentiert Hughes den historischen Hintergrund des Krieges und seine Ursachen. Daraufhin charakterisiert er das Militärwesen der jeweiligen Gegner der Byzantiner, die Struktur des Heeres, seine Zahlenstärke, Ausrüstung und Taktik: Vorgestellt werden dabei Perser (S. 39ff.), Vandalen (S. 81ff.) und Ostgoten (S. 126ff.). Der Bericht über den Verlauf der Kämpfe ist klar und ausführlich, wobei Hughes stets versucht, auf die strategischen und taktischen Bedingungen der Entscheidungen und Handlungen der kämpfenden Seiten hinzuweisen. Der Darstellung der einzelnen Phasen der Kriege folgt eine allgemeine Bewertung der Taktik und Strategie Belisars und seiner Gegner.

Hughes’ Schilderungen zu den Kriegen gegen Perser, Vandalen und Ostgoten stützen sich weitgehend auf die Kriegsgeschichte des Prokopios von Kaisareia und gehen im Prinzip nicht über diesen Quellentext hinaus. Abgesehen vom häufigen, aber recht vagen Urteil, Prokopios sei parteilich, übt Hughes faktisch keine Quellenkritik. Parallelquellen werden nur selten herangezogen. Eine Ausnahme bildet die Schilderung der Schlacht bei Callinicum, in der Hughes sowohl auf Prokopios als auch auf Malalas zurückgreift. Lesenswert sind jedoch die Rekonstruktionen der größten Schlachten Belisars. Zwar greift Hughes fast ausschließlich auf Prokopios zurück, ist aber durchaus imstande, aus dessen Bericht wichtige geschehensbestimmende Faktoren abzulesen, die von dem antiken Geschichtsschreiber nicht berücksichtigt wurden. Insgesamt bietet Hughes trotz einiger Vereinfachungen einen guten Einblick in Belisars Taktik und den Verlauf der Schlachten bei Dara 530 (S. 53ff.), Callinicum 531 (S. 59ff.) und Ad Decimum 533 (S. 90ff.). Wenig Interesse zeigt Hughes für alles, was nicht unmittelbar im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen steht. Nur oberflächlich werden daher die Anfänge der Karriere Belisars (S. 19–21), seine Haltung während des Nika-Aufstands (S. 68f.), seine Stellung in Konstantinopel nach 545 und seine politische Rolle während des fünften Ökumenischen Konzils (S. 231–235) behandelt.

Neben den zahlreichen inhaltlichen Vereinfachungen überrascht die mangelnde Kenntnis der einschlägigen Literatur und der Quellen: Hughes stützt sich beispielsweise in der Darstellung der letzten Schlacht Belisars, also des Kampfes gegen die hunnischen Kotriguren im Jahr 559, nur auf den umfangreichen Bericht des Agathias. Unberücksichtigt bleibt dagegen die kürzere Parallelüberlieferung bei Theophanes.2 Der Vergleich beider Texte zeigt allerdings, dass die lobpreisende Darstellung des Agathias sehr vorsichtig betrachtet werden muss. Auf die wichtigsten Unstimmigkeiten wies bereits vor vielen Jahren Averil Cameron in ihrer Arbeit zu Agathias hin.3 Hughes zieht jedoch diese einzige Monographie zu Agathias nicht heran. Der Autor lenkt seine Aufmerksamkeit auf die Persönlichkeit und den Charakter Belisars: Zu Recht betont er, dass Belisar versuchte, die römische Bevölkerung in Italien und Africa gut zu behandeln. Es sollte aber auch daran erinnert werden, dass die Situation ihn zuweilen zu ganz anderem Verhalten zwang. In den Anekdota klagt Prokopios ihn etwa der Habgier an: Während des zweiten Italienfeldzuges habe Belisar unter den Römer geplündert.4 Es ist nicht auszuschließen, dass solche Vorkommnisse stattfanden, besonders wenn man die Belisar damals zur Verfügung stehenden geringen finanziellen Mittel in Betracht zieht. Solche Nuancen, die ein ausgewogenes Bild Belisars zeichnen würden, sind in diesem Buch jedoch nicht zu finden. Hughes betrachtet Belisar vor allem als einen großen General (vgl. bes. S. 246ff.) – Belisar interessiert ihn nicht so sehr als Politiker oder Staatsmann, sondern fast ausschließlich als Feldherr; und nur in dieser Hinsicht kann Hughes ein facettenreiches Bild Belisars entwerfen, indem er sowohl seine Erfolge als auch seine Misserfolge und Fehler betrachtet und sinnvoll erklärt.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Hughes eine interessante Darstellung der militärischen Leistungen Belisars bietet. Seine Stärke liegt in der Rekonstruktion des Verlaufs der größten Schlachten und in der Analyse der Taktik Belisars. Allerdings stellt die Arbeit keine analytisch tiefgreifende Studie für Kenner der Epoche, sondern eher eine leicht fassliche, gut lesbare Schilderung der Kriege der Byzantiner gegen Perser, Vandalen und Ostgoten im 6. Jahrhundert dar. Hughes erhebt durchaus wissenschaftliche Ansprüche, es mangelt ihm aber an der Kenntnis des aktuellen Forschungsstandes und der Breite der Quellen. Nach wie vor bleibt somit eine moderne, wissenschaftliche Monographie über Belisar ein Desiderat.

Anmerkungen:
1 Vgl. insbesondere die umfangreiche Darstellung in der PLRE: Fl. Belisarius I, in: John R. Martindale (Hrsg.), The Prosopography of the Later Roman Empire, Bd. 3: A.D. 527–641, Cambridge 1992, S. 181–225. Veraltet hingegen Lionel M. Chassin, Bélisaire, généralissime byzantin (504–565), Paris 1957.
2 Theoph. 233–234.
3 Averil Cameron, Agathias, Oxford 1970, S. 49f.
4 Proc. anec. 5,4.

Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension