Cover
Titel
Joseph II. Volume 2, Against the World, 1780-1790


Autor(en)
Beales, Derek
Erschienen
Anzahl Seiten
754 S.
Preis
€ 96,33
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Helmut Reinalter, Geschichte der Neuzeit, Universität Innsbruck

Der erste Band dieser umfangreichen Biographie über Joseph II. umfasst die Jahre von 1741 – 1780, der vorliegende zweite Band die zehn Jahre der Alleinregierung des Kaisers 1780 – 1790. Joseph II. ging in seinem Reformprogramm noch weiter als seine Mutter Maria Theresia. Ihm galt der Staat als oberster Zweck, dem sich alles unterzuordnen hatte und dem jedes historische Recht zum Opfer fallen musste. Hinter dieses Gesamtinteresse mussten alle Sonderinteressen der einzelnen Fürsten und Stände zurücktreten, denn Fürst und Volk hatten in gleicher Weise dem Staat zu dienen. Daraus leitete der Kaiser die Pflicht ab, sein Können und Wissen ganz dem Wohl der Gesamtheit zu widmen, wobei ihm ein für alle Landesteile adäquat organisierter, zentralistisch-absolutistisch regierter Beamtenstaat vorschwebte.

Joseph II. versuchte, sein Reformwerk radikal von oben her durchzusetzen. In einer nahezu unübersehbaren Fülle von politischen Reformen und sozialen Verbesserungen, die in zahlreichen Edikten und Verordnungen erlassen wurden, versuchte er, den vorwiegend agrarfeudalen und in zahlreiche Nationalitäten zersplitterten Staat in eine politische Einheit mit rechtlich weitgehend gleichgestellten Untertanen umzuformen. Sein Reformwerk umfasste die Zentralisierung der Bürokratie, Gebiets- und Verwaltungsänderungen unter Ausschaltung städtischer und ständischer Selbstverwaltungsorgane, die Einführung der allgemeinen Schulpflicht und eines staatlichen Schulwesens, die Vereinheitlichung der Rechtsordnung, die Aufhebung (Lockerung) der Leibeigenschaft, die religiöse Toleranz, die staatliche Wohlfahrt, die Neuregelung des Verhältnisses von Staat und Kirche, eine merkantilistische Wirtschaftspolitik mit starken physiokratischen Zügen und die Lockerung der Zensur, mit der er die politische Funktion der Literatur dem Aufgeklärten Absolutismus dienstbar machen wollte.

Die Ziele der josephinischen Politik traten schon in den ersten Regierungsjahren des Kaisers deutlich hervor. 1781 führte er Pensionen ein und erließ im selben Jahr das Toleranzedikt, das den Bekennern der Augsburgischen und Helvetischen Konfessionen sowie den Griechisch-Orthodoxen die vollen Bürgerrechte und im beschränktem Maße auch die Kultusfreiheit gab. Kurze Zeit darauf folgte das Judenpatent mit der Absicht, eine Assimilierung der durch die Erwerbung Galiziens stark vermehrten jüdischen Untertanen herbeizuführen. In Böhmen kam es durch die Gewährung eines gewissen Freiraumes zu einer raschen Industrialisierung, die sich im Gebiet um die Hauptstadt konzentrierte, während das Toleranzpatent die Grundlage zur vermehrten Heranziehung ausländischer Facharbeiter, Unternehmer und Techniker bildete. Mit der Aufhebung der Todesstrafe und Gerichtsprivilegien für den Adel und Klerus wurde die Gleichheit der Untertanen vor dem Gesetz angestrebt, doch konnte sich der Kaiser vom Prinzip der Abschreckung und Vergeltung durch entehrende Strafen noch nicht trennen. Schwerwiegend für den Adel erwies sich der Plan einer allgemeinen physiokratischen Grundsteuer, der eine Abschaffung aller bäuerlichen Dienste und eine gleiche Besteuerung des Herrenlandes vorsah. Die Grundherren hätten dabei bis zu 60 Prozent ihrer Einkünfte verloren. Dass Joseph II. ernsthaft an die Realisierung dieses Vorhabens dachte, beweist die Tatsache, dass die Vorbereitungen zu dieser Steuer im Jahre 1785 voll einsetzten. Lediglich die dafür notwendigen Vermessungen für einen Kataster und vielfältige bürokratische Probleme verzögerten die Durchführung dieses Gesetzes.

Starke Reaktionen rief vor allem beim einfachen Volk die Kirchenpolitik des Kaisers hervor, die die Nachwirkungen der Gegenreformation endgültig beseitigen und eine vom Staat abhängige Kirche schaffen wollte. Wichtig war Joseph II. auch die Förderung des Volksunterrichts durch den weiteren Ausbau des Schulwesens. Die Universitäten waren für ihn keine wissenschaftlichen Bildungseinrichtungen, sondern einfache Vorbereitungsanstalten für künftige Beamte. Auf dem Gebiet der Rechtsreformen vertrat er die Prinzipien der Utilität und Humanität, so ersetzte sein Allgemeines Strafgesetzbuch von 1787 die Todesstrafe durch lebenslange Verurteilung zu schwerer Arbeit. Die landwirtschaftliche Politik des Kaisers war eine notwendige Fortsetzung der Maßnahmen Maria Theresias. Mit dem Untertanenpatent 1781 und der Gesetzgebung im selben Jahr wurde in den böhmischen Ländern die Leibeigenschaft formell abgeschafft. Aus heutiger Forschungsperspektive wird deutlich, dass der Kaiser bei diesen Reformen zu rasch und zu autoritär vorgegangen war, sodass trotz vorteilhafter Erneuerungen das Reformwerk bei breiteren Bevölkerungsschichten auf Kritik und Ablehnung stieß.

Die meisten hier erwähnten Reformkomplexe werden von Beales in seinem zweiten Band beschrieben und beurteilt. Dazu kommen noch Überlegungen zu Joseph II. als Kaiser und Alleinregent, zu seinen Ministern, zum Hof und zur Außenpolitik. In der Einleitung referiert und bewertet der Autor unter anderem auch die Forschungssituation und die vorliegende Literatur. Joseph II. wird nicht nur mit dem Josephinismus in engste Verbindung gebracht, sondern auch mit der Aufklärung und dem Aufgeklärten Absolutismus. Zweifelsohne sah er in diesem keine sich durch die Aufklärung abschwächende Form der Monarchie, sondern eine Steigerung des Herrschaftssystems, das durch Rationalität und Effizienz gekennzeichnet war und die staatlichen Einrichtungen nicht nur reformierte, sondern seiner aufgeklärten Konzeption unterwarf. Sein Bekenntnis zur Aufklärung war stark geprägt von einer herrschaftsstabilisierenden Ideologie zur Machterhaltung. Einige neuere Untersuchungen zum Josephinismus und zur Persönlichkeit Josephs II. fehlen allerdings in der vorliegenden Biographie, insbesondere auch zum Verhältnis von Josephinismus und Aufgeklärtem Absolutismus. Auch zur josephinischen Aufklärung wäre mehr zu sagen gewesen, zumal es auch dazu neuere Forschungsarbeiten und Lexika gibt. Die Gliederung der Biographie erfolgt weitgehend chronologisch, eine nach thematischen, inhaltlichen Schwerpunkten strukturierte Arbeit wäre vielleicht überzeugender gewesen. Der Autor hat aber sehr viel Quellen- und Literaturmaterial benutzt und in seine Darstellung eingearbeitet. Die Persönlichkeit Josephs II. und seine Politik werden von Beales mit den Zeitströmungen des Kaisers eng verwoben, sodass mit der Biographie ein überzeugendes Gesamtbild entsteht.

Obwohl Joseph II. schon Mitte der achtziger Jahre mit dem Abbau des Aufgeklärten Absolutismus begann (dazu äußert sich der Verfasser nicht) und kurz vor seinem Tod einen Teil seiner Reformen widerrufen musste, hinterließ er sein Erbe jener Bürokratie, die das gesellschaftlich komplex strukturierte multinationale Reich bis zu dessen Untergang noch zusammenhielt. So wurde der Josephinismus zu Recht mit der Ausbildung des modernen bürokratischen Staates in Verbindung gebracht und nicht nur als Sonderform der Aufklärung gedeutet. Der Josephinismus hat bis zu einem gewissen Grad eine „defensive Modernisierung“ (Hans-Ulrich Wehler) in Österreich eingeleitet, die bis weit in das 19. Jahrhundert hineinwirkte. Darin ist sich die Forschung heute trotz unterschiedlicher Akzentsetzungen weitgehend einig.

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