M. Langensteiner: Christoph von Württemberg und Luthertum

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Titel
Für Land und Luthertum. Die Politik Herzog Christophs von Württemberg (1550-1568)


Autor(en)
Langensteiner, Matthias
Reihe
Stuttgarter Historische Forschungen 7
Erschienen
Köln 2008: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
XII, 479 S.
Preis
€ 59,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Gabriele Haug-Moritz, Karl-Franzens-Universität Graz

Mit seiner auf breiter archivalischer Quellengrundlage ruhenden Studie zur Politik Herzog Christophs, der wie nur wenige andere württembergische Herzöge für historisch gebildete Württemberger bis zum heutigen Tage ein „Erinnerungsort“ ist, schließt die von Albrecht P. Luttenberger angeregte und maßgeblich betreute Regensburger Dissertation von Matthias Langensteiner eine empfindliche Forschungslücke. Ziel Langensteiners ist es, wobei er heuristisch an die von seinem Doktorvater in die wissenschaftliche Diskussion eingeführte Kategorie „Handlungsraum“ anknüpft, die „Matrix von Grenzen und Möglichkeiten politischen Handelns“ (S. 10) Herzog Christophs während seiner 18-jährigen Regierungszeit zu bestimmen, „um damit ein Bild nicht nur dieses Fürsten, sondern auch der politischen Kultur […] in einem mittelgroßen Reichsterritorium des 16. Jahrhunderts zu gewinnen.“ (S. 12). Das Grundgerüst der Darstellung ist ein chronologisches, wobei Langensteiner die christophinische Politik in vier Phasen unterteilt – 1550-1553, 1553-1555, 1556-1565, 1563-1566 –, die er in den beiden letzten Lebensjahren des Herzogs (1567/68) in eine dementsprechend knapper skizzierte Phase der politischen Stagnation münden sieht. Innerhalb der einzelnen Phasen werden die Handlungsfelder Territorium, Kreis und Reich jeweils systematisch untersucht, um dergestalt den weitreichenden Wandel der christophinischen Politik zu erhellen.

Phase 1 – 1550-1553 (S. 13-119): Als der einzige Sohn Herzog Ulrichs am 6. November 1550 die Regierung antrat, übernahm der damals 35-jährige ein ausgesprochen schwieriges Erbe: Er hatte die Ansprüche des römischen Königs Ferdinand abzuwehren, der aufgrund der Teilnahme von Christophs Vater am Schmalkaldischen Krieg vor dem kaiserlichen Gericht Anklage wegen Felonie, also Lehensuntreue, erhoben hatte (eine Folge des Kaadener Vertrages von 1534) und mit Nachdruck das 1534 verlorene Land zurückzugewinnen versuchte. Des weiteren musste er sich mit den Folgen der Niederlage von 1547 arrangieren, die dem Land spanische Besatzungstruppen eingebracht und zur Unterwerfung unter die kaiserliche Kirchenordnung ebenso genötigt hatten wie die herzogliche Herrschaft dadurch bedrohten, dass der Kaiser Adel und Prälaten dem Herzog zu entziehen suchte. Christoph reagierte auf diese Situation mit einer auf Konsens im Inneren zielenden, fürstliche Kooperation (Bayern, Kurpfalz) und strikte Loyalität zu Kaiser Karl V. nach Außen wahrenden Politik, die jedoch den herzoglichen Handlungsspielraum gegenüber dem Haus Österreich und König Ferdinand erst in dem Moment signifikant erweiterte, als sich in Folge des „Fürstenaufstandes“ von 1552 die reichspolitischen Konstellationen grundlegend wandelten. Dank der Vermittlung Herzog Albrechts von Bayern gelang es nun, sich mit Ferdinand zu einigen, womit das Herzogtum „nicht länger von Teilung oder Zertrennung bedroht und der politische Spielraum der herrschenden Dynastie nicht länger durch den anhängigen Prozess eingeschränkt war, so dass nun neue Wege für die zukünftige Politik offenstanden“ (S. 114).

Phase 2 – 1553-1555 (S. 121-228): Die reichspolitisch offene Situation der Jahre 1553-1555 nutzte Christoph, der im Innern weiterhin auf Kompromiss mit der Landschaft setzte und es dergestalt verstand, nicht nur seinen äußeren, sondern auch seinen inneren, finanziellen Handlungsspielraum zu vergrößern, indem er alle reichspolitischen Register zog: Er beteiligte sich am Heidelberger Bund, dessen begrenzte politische Kapazität sich jedoch rasch erweisen sollte. Er betrieb eine aktive Kreispolitik, indem er den Kreis, was Langensteiner allerdings nicht erwähnt, nach dem Vorbild des Schwäbischen Bundes als ein auf den Landfrieden bezogenes ‚Verständnis’ der Kreisstände organisieren wollte, und er engagierte sich auch auf der obersten Ebene der Reichspolitik und besuchte den Augsburger Reichstag des Jahres 1555 persönlich. Dort musste er allerdings die Erfahrung machen, dass sein „Rang und Stand“ nicht hinreichten, um über weiterreichende politische Gestaltungsmöglichkeiten zu verfügen. Zu Recht verweist Langensteiner daher die Rede von Christoph als ‚Architekten des Religionsfriedens’ in den Bereich der Legende. Ob es tatsächlich die „zielgerichtete Realisierung der persönlichen Leitmotive“ (S. 227) war, aus der sich, wie Langensteiner argumentiert, die „offensive Stoßrichtung [seiner Politik], speziell auf konfessionspolitischem Feld“ (S. 228) im nächsten Dezennium seiner Regierungszeit erklärt, oder ob sich diese „persönlichen Leitmotive“ nicht auch, und vielleicht sogar vorrangig, als Ausdruck eines politischen Lernprozesses verstehen lassen, scheint mir weiteren Nachdenkens wert.

Phase 3 – 1556-1565 (S. 229-386): Doch auch wenn Christophs Rolle bei der Genese der Augsburger Ordnung nicht überschätzt werden sollte, so änderte sich doch durch den 1555 gefundenen konfessionellen wie politischen Kompromiss der Handlungsraum, in dem sich die württembergische Politik bewegte „grundlegend“ (S. 441). Zwar praktizierte Christoph auf den Handlungsfeldern „Territorium“ und „Kreis“ eine Politik, die konsequent – und vor allem: erfolgreich (1565 erneute Schuldenübernahme durch die Landschaft; 1556 Verabschiedung der Exekutionsordnung des Schwäbischen Kreises) – die seit 1553 verfolgte Linie fortsetzte, doch diese besetzte im christophinischen Handlungsraum nunmehr eine andere Position. Seine Rolle als Landesherr und Kreisoberster ordnete sich in seine offensive territoriale, innerprotestantische wie interkonfessionelle lutherische Konfessionspolitik ein. In kürzester Zeit wurden nunmehr die organisatorischen Grundlagen geschaffen, welche die württembergische Landeskirche für die kommenden Jahrhunderte prägen sollte (1559 Große Kirchenordnung). Vor allem aber entfaltete Christoph, stets gespeist von dem insbesondere den geistlichen Ständen gegenüber vorhandenen Misstrauen, dass sie für „päpstliche Praktiken“ anfällig seien, umfassende Aktivitäten, um die öffentlich ausgetragenen innerprotestantischen Differenzen zu bereinigen – mit dem erklärten Ziel, dass zukünftig die neugläubigen Stände „in religionssachen gegen der widerpart einhellig und bestendiglich in gutem vertrauen beisammen und für einen man stehen möchten.“ (S. 338) Zäh und variantenreich verfolgte er sein Ziel und vermochte, auch wenn die kursächsische Intervention in die Tagesordnung auch auf diesem Feld die begrenzten Handlungsspielräume des Herzogs offenkundig werden ließ, als Initiator des Naumburger Tages, als dieser tatsächlich zusammentrat (Januar 1561), zumindest einen partiellen Erfolg zu erringen. Auf den Reichstagen der Jahre 1556 und 1559 machte Christoph jedoch erneut eine Erfahrung, die ihm schon 1555 zuteil geworden war: Die von ihm und Kurfürst Ottheinrich von der Pfalz vorgetragene Forderung nach Abschaffung des geistlichen Vorbehalts fand kein Gehör. Umso aussichtloser musste ihm sein Unterfangen, im Handlungsfeld „Reich“ politisch aktiv zu werden, erscheinen, wenn sich, wie 1561 mit dem Regierungsantritt Kurfürst Friedrichs III. von der Pfalz geschehen, sein wichtigster (konfessions-)politischer Partner von ihm abwandte.

Phase 4 – 1563-1566 (S. 387-419) Der „Kampf gegen den kurpfälzischen Calvinismus“ (S. 443), dem in den Jahren 1563 bis 1566 alle anderen Politikziele untergeordnet wurden, ist denn auch das Charakteristikum der letzten Phase aktiver christophinischer Politik. Nachdem sich der Versuch einer inhaltlichen Verständigung (Maulbronner Kolloquium, 1564) als unmöglich und durch die Veröffentlichung der Akten als letztlich kontraproduktiv erwiesen hatte, und auch Bestrebungen, in der Kommunikation benachbarter Fürsten den Heidelberger umzustimmen, gescheitert waren, waren die Möglichkeiten einer regionalen Konfliktregulierung ausgeschöpft. Durch Intervention Kaiser Maximilians II., den Christoph seit 1563 gezielt mit Informationen über die Entwicklung in der Kurpfalz versorgt hatte, wurde der konfessionspolitische Kurs Friedrichs III. nunmehr zur Reichsangelegenheit. Auf dem Augsburger Reichstag 1566 vermochte sich der Kaiser allerdings nicht durchzusetzen – dank der überlegenen Regie Kursachsens verweigerten sich die protestantischen Stände dem kaiserlichen Ansinnen, den Pfälzer aus dem Religionsfrieden auszuschließen. Damit aber hatte der Reichstag die von Christoph betriebene innerprotestantische „Sammlungspolitik“ (S. 413) endgültig als ein unrealistisches (konfessions-)politisches Konzept erwiesen.

In seinen beiden letzten Regierungsjahren verzichtete Christoph daher auf weit ausgreifende Konfessionspolitik und beschränkte sich auf die beiden Handlungsfelder, auf denen er am kontinuierlichsten seine Handlungsziele zu erreichen vermocht hatte: Auf Kreisebene war er bestrebt, die in den vergangenen 15 Jahren systematisch auf- und ausgebaute württembergische Vormachtstellung zu behaupten und im Land die gestärkte Stellung des Herzogs und die (ungefährdete) Sukzession seiner Dynastie zu sichern.

Langensteiners quellengesättigte und detaillierte Studie veranschaulicht eindrücklich vor allem die Grenzen, die fürstlicher Politik auf Handlungsfeldern, die jenseits der territorialen und regionalen Ebene lagen, gezogen waren. Um seinem selbst gesteckten Ziel freilich gerecht zu werden, das Exemplarische und Besondere der württembergischen Politik herauszuarbeiten, und damit einen Beitrag zur Erhellung der politischen Kultur der Zeit zu liefern, hätte es, zumindest in der Zusammenfassung, der Einordnung seiner Ergebnisse in einen weiter ausgreifenden, stärker systematisierenden Rahmen bedurft. Dass den Autor selbst Zweifel geplagt haben dürften, dass er seine ambitionierten Ziele tatsächlich erreicht hat, davon kündet einer seiner Schlusssätze: „Dass es generell schwierig ist, den politischen Handlungsraum und die ihm inhärenten Spielräume detailliert zu umreißen, bezeugt die große Zahl an wechselnden Einflussfaktoren, deren Beschreibung zumeist nur unzulänglich gelingen kann und die ein unmissverständliches Zeichen der Komplexität politischen Handelns darstellen.“ (S. 445)

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