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Titel
Stätten deutscher Kaiser und Könige im Mittelalter.


Autor(en)
Knapp, Ulrich
Erschienen
Stuttgart 2008: Theiss Verlag
Anzahl Seiten
160 S.
Preis
€ 34,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Elisabeth Heil, Ahrensfelde

Das Mittelalter hat allerorts Hochkonjunktur. Entsprechend zahlreich bringen Verlage Publikationen heraus, die sich üppig bebildert an ein breites Publikum wenden. Hier bieten sich durchaus Möglichkeiten, Erkenntnisse vieler Einzelstudien beherzt zu Gesamtdarstellungen zu verarbeiten.

Der Kunsthistoriker und Bauforscher Ulrich Knapp hat ein reich illustriertes Buch zu den „Stätten deutscher Kaiser und Könige im Mittelalter“ vorgelegt. Der Titel suggeriert eine Gesamtschau auf Sakral- und Profanbauten, die gemeinhin gesondert abgehandelt werden. Zudem spannt Knapp den Bogen von der Karolingerzeit bis zu den Luxemburgern ungewöhnlich weit und überschreitet dabei kunsthistorische Epochengrenzen. Dies lässt erwarten, dass Knapp wenigstens einen Leitgedanken zum Zusammenhang von Herrschaftsverständnis und Baukunst hat und diesen durch die Jahrhunderte verfolgt, dass er Kontinuität und Wandel herausarbeitet.

Doch schon die Lektüre des Vorwortes macht klar, dass kein Leitthema die folgenden Kapitel durchziehen wird. Unvermittelt wird der Leser mit der Geschichte des Königsstuhls konfrontiert, gefolgt von einer Darstellung der Doppelwahl des Jahres 1198 und losen Gedanken über Sinn und Zweck von Bezeichnungen wie Kaiserdom und Stilepochen nach Herrscherfamilien. Rechenschaft darüber, was unter „Stätten“ verstanden werden soll und welche Kriterien die getroffene Auswahl bestimmten, legt die Einleitung nicht ab, wie überhaupt Grundsätzliches stets ausgeblendet wird. Die Frage, „ob sich die Einbindung in die Herrschaftsausübung in der Architektur äußert“, wird lediglich gestellt (S. 10). So schreibt Knapp keine Geschichte der Bauformen oder Bauaufgaben, sondern handelt die Stätten chronologisch ab, wohl geordnet nach Dynastien: I. Karl der Große und seine Erben; II. Das sächsische Kaisertum; III. Die Salier; IV. Die Staufer; V. Die frühen Habsburger; VI. Die Luxemburger. Das Kapitel VII ist mit „Ausblick“ überschrieben, erweist sich aber eher als Zusammenfassung und Ergänzung zu VI., denn unter den Luxemburgern tritt nur Karl IV. auf. Jedem der Kapitel und jedem Bauwerk geht eine Schilderung geschichtlicher Ereignisse voran, mitunter ermüdend lang. Denn Knapp vermag es nicht, seine Texte zielgerichtet aufzubauen und griffige Kernaussagen zu formulieren. Dies gilt leider auch für die Darstellung der Stätten selbst.

Auf den ersten Blick erfreuen die vom Autor aufgenommenen Fotografien. Allerdings handelt es sich überwiegend um Außenansichten, denen manchmal Grundrisse, Aufrisse oder Baualterspläne beigegeben sind. Für Texte, die von Krönungsorten und Grablegen und damit von Innenräumen, ihrer Ausstattung und von Grabdenkmälern handeln, reicht dies aber nicht aus. Wurde am Erwerb von Fotorechten für Innenaufnahmen gespart? Ein Lektor scheint den Text nicht gegengelesen zu haben, wie etliche Fehler nahe legen. Auch lateinische Zitate lassen die erforderliche Sorgfalt vermissen („christianissimus regnum nostrum“, S. 125). Die Umschrift einer auf S. 121 behandelten Bulle lautet nicht „LVDOVIGVS QUARTOR“, sondern „LVDOVICVS QVARTVS“. Wortwiederholungen in aufeinander folgenden Sätzen sowie das nochmalige Aufgreifen eines Gedankens im selben Textabschnitt – bis hin zur gleichen Wortwahl! – erwecken den Eindruck, Knapp habe den Überblick über seinen eigenen Text verloren. Verwunderlich sind manche Unstimmigkeiten zwischen dem Text und den Abbildungserläuterungen, zum Beispiel: Die Frankfurter Kirche heißt unter Abbildung 120, 121 und 130 „Dom“, sonst aber „Bartholomäusstift“. Abbildung 84 macht ein Relieffragment zum Tympanon der Hagenauer Pfalzkapelle, obwohl der ursprüngliche Anbringungsort unbekannt ist. Unter Abbildung 89 wird das Kreuz im Gelnhäuser Bogenfeld zum Reichsapfel.

Schwerer wiegen fehlerhafte Wiedergaben der Ereignisgeschichte: Nicht während einer Verbannung des Erzbischofs Arnold von Mainz, wie Knapp schreibt, sondern erst während derjenigen seines Nachfolgers Konrad wurde die Hälfte der Burg Gelnhausen dem Kaiser zu Lehen gegeben (S. 86). 1355 habe Papst Clemens VI. (gestorben 1352!) Karl IV. zum Kaiser gekrönt. Die Maiestas Carolina sei ein Gesetzeswerk für das Reich, das in reduzierter Form als Goldene Bulle von 1356 verabschiedet wurde (S. 125f.; sie war ein Landrechtsbuch für Böhmen).

Einerseits überfordert Knapp eine breite Leserschaft mit Begriffen wie Couronnement, Mansionarkapitel oder Revindikationspolitik, andererseits ist er unsicher im Umgang mit kunsthistorischen Begriffen und erschwert damit das Verständnis seiner Beschreibungen (z.B. S. 25: „Säulengitter“ für eine einfache Säulenstellung im Aachener Atrium; S. 61: „kapitellartige Konsolen“ statt Kämpferschmuck; S. 138: „Mittelfiguren“ für Fensterbahnen). Bisweilen offenbart die bedenkliche Unsicherheit, dass eine tiefere Einsicht in die architektonische Gliederung fehlt. Zum Beispiel sind die „korbartig auskragenden Wirtel“, mit denen nach 1088 die „neuen, deutlich breiteren Runddienste“ des Speyrer Domes versehen wurden (S. 61ff.), vielmehr Kapitelle mit Halsring, Blattkranz und Deckplatte. Sie bekrönen dicke Runddienste unten und tragen schmale Runddienste mit antikisierenden Kapitellen. Hier erscheinen sozusagen zwei Säulenordnungen übereinander – ein Gliederungsmotiv, das sich vielleicht als kaiserliches Markenzeichen von Rom über Aachen nach Speyer und darüber hinaus hätte verfolgen lassen. Hätte Knapp die herausragenden und zukunftsweisenden Innovationen in Wandgliederung und Wölbung erfasst, er hätte nicht auf eine Innenaufnahme des Speyrer Doms verzichten können. Die geläufige Herleitung der Aachener Marienkirche aus der Kenntnis von San Vitale in Ravenna wird von Knapp unter Hinweis auf unterschiedliche Konstruktionsweisen zurückgedrängt (S. 25f.). Doch für die Vorbildwahl des Bauherrn wird eher die Erscheinung und nicht die Konstruktion ausschlaggebend gewesen sein. Rombezüge werden öfters postuliert, mitunter in kaum verständlicher Weise ausgewertet (z.B. Königslutter, S. 69f.). Wo sie überaus anschaulich sind, wie im Fall der Ingelheimer Exedra (S. 17), äußert sich Knapp nur vage. Der Begriff Karolingische Renaissance, der die Wiedergeburt der Antike als weit gespanntes Programm erfasst, wird nicht verwendet.

Die Auswahl der Stätten erscheint oft willkürlich. Die Harzburg wird kaum einmal erwähnt. Während sich Knapp im süddeutschen Raum gut auskennt, ist ihm die Wetterau nicht vertraut. Der Büdinger Reichsforst mit Münzenberg und Büdingen bleibt unerwähnt, während der Stadt und Pfalz Wimpfen und den umliegenden Burgen unverhältnismäßig viel Platz eingeräumt wird. Weder die außergewöhnliche Aufrissgliederung des Palas noch die exquisiten Kapitelle der Gelnhäuser Pfalz erfahren eine Würdigung (S. 87f.). Dagegen werden für Wimpfen sogar Vergleichsbeispiele für Ornamentdetails genannt (S. 93f.). Aufgrund eigener Bauforschungen behandelt Knapp die schmucklose Klosterkirche Lorch als herzogliche Grablege ungemein ausführlich (S. 73ff.), während ihm Tod und Bestattung König Konrads III. 1152 im Bamberger Dom nur fünf Zeilen wert sind, gefolgt von sieben Zeilen Mutmaßungen über Friedrichs I. Bestattungswünsche im Speyrer Dom (S. 76).

Fazit: Es ist ein schönes Buch zum Durchblättern, Schnupperlesen und geselligen Bildbetrachten. Farbige Layoutspielereien können inhaltliche Schwächen jedoch nicht übertünchen. Die Massenproduktion von Bildbänden mit schnell erstellten, gedanklich nicht ausgereiften Texten nimmt leider auch bei Verlagen zu, die sich einst als Fachverlage Ansehen erworben haben. Der Theiss-Verlag, die Wissenschaftliche Buchgesellschaft, über die dieses Buch ebenfalls zu beziehen ist, und der Autor haben sich damit keinen Gefallen getan. Schade!

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