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Titel
Mittelalter.


Autor(en)
Müller, Harald
Reihe
Akademie Studienbücher Geschichte
Erschienen
Berlin 2008: Akademie Verlag
Anzahl Seiten
249 S.
Preis
€ 19,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Bernd Schneidmüller, Zentrum für europäische Geschichts- und Kulturwissenschaften (ZEGK), Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

In rascher Folge erscheinen jetzt alle jene Einführungen, Arbeits- oder Studienbücher, die wir uns immer gewünscht haben. Das neue Grundlagenbuch von Harald Müller macht dem etablierten Proseminar Geschichte von Hans-Werner Goetz keine Konkurrenz1, wohl aber den vielen nützlichen Grundrissen, welche inzwischen die Brücken vom Schulunterricht zum Studium schlagen. Hier liegt aber nicht nur eine überaus gelungene Einführung für Erstsemester vor, sondern auch ein Lesebuch für alle, die sich für das Mittelalter interessieren und ebenso knappe wie kompetente Zugänge suchen. Diese Doppelung von Nutzen und Freude ("prodesse et delectare") zeichnet das Studienbuch von der ersten bis zur letzten Seite aus. Eine Benutzung in der aktuellen Anfängervorlesung an der Universität Heidelberg zeigt, wie geschickt der Autor seine Themen wählt. Am Anfang stehen Gedanken zum Vorwissen über das Mittelalter als eine Epoche zwischen schicker Fremdheit und böser Stigmatisierung. Kapitel über Weltbilder, Leben in überschaubaren Gemeinschaften, Kommunikation oder Selbst-Bewusstsein präsentieren die Andersartigkeit. Die Lebenswelten werden in Kapiteln über Familien, Verbände und Herrschaft, über Bauern, Herren, Adlige, Bürger, Herrscher, Kleriker und Gelehrte skizziert. Passagen über Aufstiege in die Welt des Verstands, über die Ausweitung des Wissens oder über die mittelalterliche Mobilität in alle Richtungen konturieren die Dynamik wie die unerwartete "Modernität" des Mittelalters.

Harald Müller räumt ein, dass er ein langes und vielfältiges Jahrtausend rigoros auf einige Seiten verknappt. Diese Komplexitätsreduktion mag im Einzelnen zu Widerspruch oder Ergänzung nötigen, ist aber geboten und insgesamt vorzüglich gelungen. Die knapp ausgewählten Literaturhinweise sind aktuell und führen immer weiter, selbst wenn man hier und da einmal andere Schwerpunkte setzen würde. Der Serviceteil bietet den angemessenen Überblick und berücksichtigt vor allem die neuen Medien. Allein die Fragen und Anregungen am Ende jedes Kapitels, gewiss zur Lernzielkontrolle notwendig und üblich, überfordern Anfänger allzu oft. In einer zweiten Auflage könnte die verwirrend erscheinende, sachlich durchaus berechtigte unterschiedliche Datierung des Scholarenprivilegs Friedrichs I. (1155/1158, S. 165, 200) eindeutiger gefasst werden.

Eine Ereignisgeschichte wird ebenso wenig angestrebt wie ein detailliertes Arbeitsprogramm, so dass Studienanfänger dieses Werk zusammen mit dem Grundkurs von Jörg Schwarz oder dem Proseminar von Hans-Werner Goetz nutzen sollten.2 Zu messen ist dieses Studienbuch an seinem Ziel, nämlich das Mittelalter als Welt und Epoche auf knappem Raum erstehen zu lassen. Das leistet Harald Müller in ganz vorzüglicher Weise. Er spart nicht mit anregenden Aktualitäten (Vergleich institutioneller Strukturprinzipien von mittelalterlicher Kirche, Bundesrepublik Deutschland und Vertriebsorganisationen von Staubsaugern oder Versicherungen, S. 119; deutsches Essen und Leben in einer spätmittelalterlichen Pilgerherberge in Venedig, wo nach Felix Fabri selbst der Herbergshund durch sein Schwanzwedeln zwischen Reisenden aus dem römisch-deutschen Reich und anderen zu unterscheiden wusste, S. 199). Auch wenn man heute dem Mittelalter mehr Alteritäten als Vorgeschichten und den Historikerinnen wie Historikern mehr Mut zum ethnographischen Blick auf die große Fremdheit wünschen möchte, weist dieses Studienbuch glücklich die ersten Wege in eine vergangene Welt.

Anmerkungen:
1 Hans-Werner Goetz, Proseminar Geschichte: Mittelalter, 3. Aufl., Stuttgart 2006.
2 Jörg Schwarz, Das europäische Mittelalter, 2 Bde., Bd. 1: Grundstrukturen - Völkerwanderung - Frankenreich; Bd. 2: Herrschaftsbildungen und Reiche 900-1500, Stuttgart 2006; hierzu Rezension zu ebd. von Harald Müller, in: H-Soz-u-Kult, 23.01.2008, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2008-1-060>.

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