C. Hackel (Hrsg.): Johann Gustav Droysen

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Titel
Johann Gustav Droysen 1808-1884. Philologe - Historiker - Politiker


Herausgeber
Hackel, Christiane
Erschienen
Anzahl Seiten
126 S.
Preis
€ 19,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefan Jordan, Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Redaktion Neue Deutsche Biographie, München

Neben Jacob Burckhardt und Leopold Ranke hat kein deutschsprachiger Historiker eine so umfangreiche und kontinuierliche Rezeption erfahren wie Johann Gustav Droysen. Dabei bezog sich das Gros der zahlreichen Publikationen auf Droysens Werk – vornehmlich auf seine Geschichtstheorie, die er in seinen unter dem Titel „Historik“ bekannten Vorlesungen über „Methodologie und Enzyklopädie der historischen Wissenschaften“ seit 1857 vorgetragen hatte. Mit Droysens Person beschäftigten sich diese Untersuchungen nur am Rande. Lediglich im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Abgeordneter zur Nationalversammlung 1848/49 und seiner Freundschaft zu Felix Mendelssohn-Bartholdy erschienen gelegentliche Studien.

Diese Situation hat sich seit dem Jahr 2008 grundlegend geändert: Der 200. Geburtstag Droysens gab den Anlass, sich dem Berliner Historiker intensiv zuzuwenden. So legte Stephan Paetrow einen Band vor, der Droysens Leben und Werk in seiner Jenaer Phase näher beleuchtet 1, und Wolfgang Eric Wagner stellte ein kommentiertes Verzeichnis der Bibliothek der von Droysen gegründeten „Historischen Gesellschaft“ zusammen.2 Die ausführlichste Biographie stammt aus der Feder Wilfried Nippels, der seinen Protagonisten in erster Linie mit Blick auf dessen politisches Handeln und seine Universitätskarriere, weniger aber in Hinsicht auf dessen Person und dessen Denken darstellte.3 Zudem flossen zahlreiche biographische Informationen in die Kommentare Horst Walter Blankes ein, der die im Jahr 1977 begonnene historisch-kritische Edition der „Historik“ 2007/08 fortsetzte.4

Der vorliegende Band erschien als Katalog zu einer Ausstellung, mit der die Humboldt-Universität zu Berlin im Sommer 2008 ihren einstigen Professor würdigte. Seine Gliederung folgt den zwölf Kompartments der Ausstellung und behandelt in chronologischer Reihe Droysens Lebensstationen von dessen Geburt als protestantischer Pfarrerssohn im pommerschen Treptow an der Rega bis zu seinem Tod als renommierter Historiker in Berlin. Die einzelnen Kapitel enthalten jeweils eine kurze Einführung in den dargestellten Lebensabschnitt sowie Abbildungen der Exponate mit ausführlicher Beschreibung. In einem Anhang sind ein tabellarischer Lebenslauf, eine Auswahlbibliographie, ein Stammbaum der Familie sowie ein Verzeichnis der von Droysen im Schuldienst und als Professor gehaltenen Lehrveranstaltungen zu finden.

An dem Band zu monieren sind lediglich Kleinigkeiten. So wird Leopold (von) Ranke in der Übersicht über die von Droysen besuchten Lehrveranstaltungen mit seinem Adelsprädikat aufgeführt, das er erst 1865 erhielt, also 38 Jahre nachdem Droysen seine Vorlesung über die „Litteraturgeschichte des 18t und 19t Jahrhunderts“ besucht hatte. Zudem wird das notorisch falsch wiedergegebene Zitat Rankes, bloß zeigen zu wollen, „wie es eigentlich gewesen“ auch in diesem Band nicht korrekt genannt. Schließlich mag man bezweifeln, dass sich Droysens „demokratische Gesinnung“ pauschal in Abrede stellen lässt, da sein Ideal einer konstitutionellen Monarchie durchaus demokratische Züge trug. Treffender und in diesem Zusammenhang vermutlich auch gemeint wäre die Feststellung gewesen, dass er keine republikanische Gesinnung hatte.

Diese Petitessen können aber den insgesamt sehr positiven Eindruck nicht trüben, den die Lektüre des Katalogs hinterlässt: So enthält er die Abbildungen vieler bislang kaum bekannter Porträts Droysens, seiner Familienangehörigen sowie seiner Freunde und Lehrer. Zudem finden sich unter anderem Bilder von Handschriften, Droysens Studienbuch, dem Hörerverzeichnis seiner „Historik“-Vorlesung von 1858 (9 Hörer!), seiner Bestallungsurkunde zum Professor in Berlin und den Orten seines Wirkens. Die Texte zu den einzelnen Exponaten gehen dabei weit über eine formale Objektbeschreibung hinaus und bieten detaillierte Informationen über Droysens Bezug zu den Gegenständen beziehungsweise deren historischen Kontext. Neben den Tabellen aus dem Anhang und der Übersicht über die besuchten Vorlesungen ist vor allem eine Grafik von besonderem Nutzen, in der die philosophischen, philologischen und historischen Traditionen, auf denen Droysens „Historik“ fußt, veranschaulicht sind.

Der von Christiane Hackel sorgfältig herausgegebene Band lässt die Mühen erahnen, mit der sie und ihre Mitarbeiter die Exponate aus unterschiedlichsten Archiven zusammengetragen haben. Doch diese Mühen haben sich gelohnt: Denn anders als die übrige genannte neue Literatur verfolgt der Ausstellungskatalog kein spezielles Interesse an Droysen und seinem Werk, sondern bietet einen anschaulichen Überblick über die gesamte Persönlichkeit und ihr Schaffen.

Anmerkungen:
1 Stephan Paetrow, Johann Gustav Droysen in Jena. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte von Droysens «Historik» und «Geschichte der preußischen Politik», Saarbrücken 2008.
2 Wolfgang Eric Wagner (Hrsg.), Die Bibliothek der Historischen Gesellschaft von Johann Gustav Droysen 1860-1884, Berlin 2008.
3 Wilfried Nippel, Johann Gustav Droysen. Ein Leben zwischen Wissenschaft und Politik, München 2008.
4 Peter Leyh / Horst Walter Blanke (Hrsg.), Johann Gustav Droysen, Historik. Historisch-kritische Ausgabe, Bd. 2, Stuttgart-Bad Cannstatt 2007 u. Supplement-Bd., Stuttgart-Bad Cannstatt 2008.

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