D. Alvermann u.a. (Hrsg.): Greifswalder Universitätsgeschichte

Cover
Titel
Bausteine zur Greifswalder Universitätsgeschichte. Vorträge anlässlich des Jubiläums "550 Jahre Universität Greifswald"


Herausgeber
Alvermann, Dirk; Spiess, Karl-Heinz
Reihe
Beiträge zur Geschichte der Universität Greifswald 8
Erschienen
Stuttgart 2008: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
208 S.
Preis
€ 38,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Marko A. Pluns, Hamburg

Auch wenn sich Universitätsgeschichte vielfach aus dem Bann der Festschriften gelöst hat, bieten Hochschuljubiläen nach wie vor einen wichtigen Anlass zu Veröffentlichungen. Der vorliegende Band bildet hier keine Ausnahme. Es handelt sich gewissermaßen um einen Nachzügler des 550-jährigen Greifswalder Universitätsjubiläums von 2006, der die Beiträge aus der Vortragsreihe "550 Jahre Universität Greifswald" vereinigt, die keinen Platz mehr in der 2006 erschienenen Festschrift "Universität und Gesellschaft" fanden.1 Der Band umfasst neun, vom untersuchten Zeitraum und Thema her recht unterschiedliche Beiträge, die – da ein inhaltlicher roter Faden aufgrund ihres Zustandekommens fehlen muss – hier der Einfachheit halber nacheinander vorgestellt werden. Nach Auskunft der Herausgeber handelt es sich dabei um "einen Aufriss aktueller Forschungsarbeit". Daneben soll auch "die Bilanz jahrzehntelanger Forschungsarbeit zur Gründungsgeschichte der Universität" und "der von persönlichen Eindrücken bereicherte Überblick" Raum finden (S. 7).

Mit letzterem ist der Beitrag des Rechtshistorikers Kjell Åke Modéer von der schwedischen Universität Lund gemeint, der die vielfältigen personellen Verbindungen zwischen Greifswald und schwedischen Universitäten nachzeichnet; besonders interessant sind dabei Schilderungen aus den Jahren nach 1945, zu denen der Autor eigene Erlebnisse beisteuern kann.

Die genannte Bilanz jahrzehntelanger Forschungsarbeit zur Gründungsgeschichte der Universität Greifwald zieht Roderich Schmidt; sein Beitrag steht in einer Reihe von Aufsätzen des Autors zur Gründung des Greifswalder Generalstudiums. Hier widmet er sich dem Gründungsvorgang, besonders den Rollen, die Bürgermeister Heinrich Rubenow und Herzog Wartislav IX. von Pommern-Wolgast spielten.

Anhand grundlegender Fragen nach dem Aufbau, dem Lehrstoff, den Lehrkräften der Hochschule sowie ihrer Umwelt und ihren Konflikten skizziert Hans-Georg Thümmel ein Panorama der Greifswalder Universitätsgeschichte von 1456 bis etwa 1545. Dabei behandelt er auch den Greifswalder Streit zwischen den Anhängern der via moderna und denen der via antiqua, Ulrich von Huttens kurzen, konfliktträchtigen Besuch, den Kollaps der Hochschule während der Reformation und die Neubegründung ab 1539. Gerade die allgemeineren Erläuterungen zu den Verhältnissen an den Universitäten des 15. und 16. Jahrhunderts vermitteln dem Nichtfachmann einen interessanten Überblick.

Die kaum zu unterschätzende, aber vergleichsweise nur beiläufig behandelte Bedeutung von Kirchen und Klöstern und deren Vermögen für die materielle Ausstattung des Greifswalder Generalstudiums stellt Doris Bulach in ihrem Aufsatz höchst überzeugend dar.

Auch der Gegenstand von Christine Magins Beitrag wurde bisher kaum untersucht: Die Autorin befasst sich mit der Selbstrepräsentation Greifswalder Gelehrter in Inschriften. Hierzu zieht sie die Grabplatten und Epitaphien aber auch die Silberbeschläge auf den Universitätsszeptern von 1456 und den Rektorenmantel von 1619 heran, die ebenfalls mit Inschriften versehen sind.

Eckart Oberdörfer widmet sich dem Greifswalder Studentenleben im 19. Jahrhundert. Neben den Lebensverhältnissen stehen die studentischen Zusammenschlüsse und deren Ausrichtung vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung in Deutschland im Mittelpunkt.

Ralf Scheibe schildert in seinem Beitrag das Verhältnis der Universität Greifswald zum Militär in der Zeit der Weimarer Republik, im Nationalsozialismus, in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und in der DDR bis 1956. Dabei konstatiert der Autor, dass der "Versuch, die nach dem Ersten Weltkrieg einsetzende Technisierung der Gesellschaft in Form von Flugzeugproduktion und daran orientierter Grundlagenforschung positiv in Wert zu setzen, an den schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen scheiterte" (S. 169). Die weitere – oftmals erzwungene – Zusammenarbeit der Hochschule mit der Wehrmacht war unter der NS-Diktatur, besonders natürlich im Zweiten Weltkrieg, mit tiefsten Einschnitten in den Universitätsbetrieb verbunden. Aber auch in der sowjetisch besetzten Zone und der neu gegründeten DDR musste die Hochschule abermals schwere Beeinträchtigungen hinnehmen und vor allem Gebäude abtreten.

Ingrid Miethe widmet sich einer besonderen Institution der SBZ/DDR in den Jahren 1946 bis 1962: der Vorstudienschule, später Arbeiter-und-Bauern-Fakultät (ABF), an der Universität Greifswald. Die der Universität angegliederte Anstalt sollte offiziell Arbeiter und Bauern auf ein Universitätsstudium vorbereiten. Dagegen kann die Autorin zeigen, dass diese Fakultäten für die SED ein Mittel waren, mithilfe der FDJ in die bürgerlich geprägten Universitäten einzudringen, der "Sturm auf die Festung Wissenschaft". Eine Aufgabe, die diese Institution schließlich auch erfüllte, wenn auch nicht in dem Ausmaß, wie es sich die Parteiführung zunächst erhofft hatte.
Dafür, dass es sich bei der Aufsatzsammlung eigentlich um eine "editorische Resteverwertung" handelt, liegt hier ein gelungener Band vor. Die in der Universitätsgeschichte immer wieder geforderten Vergleiche zwischen den Verhältnissen verschiedener Universitäten stellen die Autoren nur punktuell an. Weil aber die Aufsätze aus einer Greifswalder Vortragsreihe hervorgegangen sind, kann man diese Messlatte hier nicht anlegen. Gerade die aus laufenden Forschungsprojekten entstandenen Beiträge stechen positiv hervor; sie verfolgen vielfach neue oder selten gewählte Forschungsansätze und verwenden unveröffentlichtes Archivmaterial. Überdies ist der Band reichlich mit Tabellen, Diagrammen, Karten und Fotos illustriert. Besonders die Beiträge von Magin und Scheibe sind reich bebildert. Das Personenregister erhöht den Nutzen des Bandes beträchtlich. Jedem regional- oder universitätsgeschichtlich interessierten Leser sei dieses Buch unbedingt empfohlen.

Anmerkung:
1 Dirk Alvermann / Karl-Heinz Spieß (Hrsg.), Universität und Gesellschaft: Festschrift zur 550-Jahrfeier der Universität Greifswald 1456 -2006, 2 Bde., Rostock 2006.