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Titel
Pompeius Magnus. Machtgrundlagen eines spätrepublikanischen Politikers


Autor(en)
Dingmann, Matthias
Reihe
Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption 12
Erschienen
Rahden/Westf. 2007: Verlag Marie Leidorf
Anzahl Seiten
445 S.
Preis
€ 71,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Nicole Schemmel, Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin

Ziel des vorliegenden Bandes von Matthias Dingmann, der publizierten Fassung seiner 2004 in Osnabrück eingereichten Dissertation, ist die Analyse der Machtgrundlagen eines spätrepublikanischen Politikers am Beispiel des Pompeius Magnus. Hierzu wird untersucht, inwiefern es Pompeius gelang, soziale Beziehungen zu etablieren und Gefolgschaften zu erwerben, sowie ob diese Anhängerschaften de facto als Machtgrundlage dienten (S. 12). Die potentiellen Gefolgschaften werden dabei getrennt voneinander auf Exklusivität, Dauerhaftigkeit, Aktivierbarkeit und Wirksamkeit in den Blick genommen.

Im ersten Hauptkapitel setzt sich Dingmann kritisch mit der so genannten Hausmacht des Pompeius auseinander, wobei er zwischen Sklaven (S. 26-32), Freigelassenen (S. 32-39), Vertrauensleuten und Ratgebern (S. 39-47) sowie der Heimatregion des Pompeius, Picenum (S. 48-73), und dem gesamten Gebiet Italiens (S. 73-79) unterscheidet. Er zeigt dabei auf, dass keiner dieser Faktoren eine bedeutsame Machtgrundlage darstellte. Einerseits brachte das Stützen auf Sklaven neben der im Extremfall instabilen Bindung langfristig negative gesellschaftliche Auswirkungen mit sich (S. 32), andererseits boten Freigelassene zwar vielseitige Einsatzmöglichkeiten, konnten jedoch aufgrund ihres Status nur in einem eingeschränkten Rahmen agieren (S. 39). Auch Vertrauensleute und Ratgeber hatten zwar innerhalb der Hausmacht eine große Bedeutung, stellten jedoch aufgrund ihrer offensichtlichen Abhängigkeit, aufgrund derer sie nicht mehr glaubhaft für ihren Patron werben konnten, auf dem politischen Terrain Roms kein Fundament seiner Macht dar (S. 47). Picenum und Italien können wegen eigener Interessen, die ihnen als Handlungsmaxime dienen, ebenfalls nicht als Machtgrundlage des Pompeius charakterisiert werden, aber auch aufgrund mangelnder beneficia von Seiten des Pompeius (S. 60, 79).

Im Anschluss untersucht Dingmann die Beziehung des Senatorenstandes zu Pompeius getrennt nach adfinitas (S. 80-88) und amicitia (S. 88-108). Erstere offenbare zwar nach außen die politische Zugehörigkeit der nächsten Angehörigen, hatte langfristig jedoch für keine Seite eine bindende Kraft (S. 82). Dennoch sei die Relevanz einer ehelichen Verbindung nicht zu unterschätzen, da über sie zwar Bindungen nicht garantiert, aber der Öffentlichkeit demonstriert werden konnten (S. 88). Bezüglich der amicitia trennt Dingmann amici inferiores (S. 89-98) von amici pares et superiores (S. 98-108). Unter ersterer versteht er Tribune und Legaten, mit denen der Norm nach zwar Bindungen bestanden, die jedoch, sobald sie mit eigenen und sachlichen Interessen kollidierten, nicht mehr als verpflichtend angesehen wurden (S. 98). Pompeius konnte demnach zwar von der Institution des Tribunats profitieren (S. 91), doch weder die Tribune noch die Legaten stellten für ihn eine verlässliche Machtgrundlage dar. Anhand der relevantesten Momente in der Karriere des Pompeius erörtert Dingmann in der Folge dessen Beziehungen zum Senat.1 Nach anfänglichen Versuchen, Pompeius in die Ordnung zu integrieren, ging der Senat nur noch aus sachlichen Erwägungen zugunsten Roms auf Pompeius zu (S. 101), stand ansonsten aber in ständiger Opposition zu ihm (S. 104). Das Phänomen fehlender Amicitia-Bindungen betraf hierbei nicht nur Pompeius, sondern den gesamten Senat, der sich lediglich dann zusammenschloss, wenn er sich einem Einzelnen gegenübersah, der die libertas des Senats bedrohte (S. 107). Da gerade Pompeius das Misstrauen und die invidia des Senats weckte, konnte er ihn nicht nachhaltig über die sozialen Bindungen beeinflussen, geschweige denn kontrollieren. Die Institution der amicitia war ihm damit keine verlässliche Machtgrundlage (S. 108).

In eine ganz andere Richtung führen die Ergebnisse für die equites Romani (S. 109-119). Zwar muss Dingmann auch hier konstatieren, dass die Ritter mit Pompeius lediglich eine neutrale Koexistenz ohne verpflichtenden Leistungsaustausch innehatten (S. 113) und demnach ebenfalls nicht als echtes Fundament seiner Macht gelten können (S. 119). Das Fehlen der Beziehungen ist jedoch auf Pompeius selbst zurückzuführen, der durch bewusstes Setzen von Prioritäten offensichtlich auf das Wohlwollen der Ritter verzichtete (S. 118), weil ihre Hauptvertreter, die publicani, strukturell in keinem Einvernehmen mit der außeritalischen Bevölkerung standen, um die es Pompeius in erster Linie ging (S. 119). Die plebs urbana (S. 120-138) dagegen muss grundsätzlich als politischer Machtfaktor bewertet werden, da sich die römische Nobilität über sie legitimierte (S. 120). Trotz reichlich erbrachter beneficia von Seiten des Pompeius fühlte sich die plebs jedoch nicht exklusiv an ihn gebunden, sondern sah in ihm lediglich die geeignete Führungspersönlichkeit in Krisensituationen (S. 122). Die Gründe hierfür lokalisiert Dingmann einerseits in der fehlenden Klassensolidarität und den begrenzten Partizipationsmöglichkeiten der plebs, andererseits aber auch in Aspekten der Aktivierbarkeit (S. 129-138). Weder Pompeius noch ein anderer Politiker waren in der Lage, die Stadtbevölkerung dauerhaft und exklusiv an sich zu binden, wodurch diese in der konkreten Alltagspolitik eine instabile Machtgrundlage darstellte. Eine Eigendarstellung als Gönner der plebs ermöglichte dennoch eine Reklamation propagandistischer Bindungen, die der eigenen Legitimation zuträglich waren (S. 138).

Eine sehr ausführliche Erörterung widmet Dingmann den Soldaten und Veteranen (S. 139-221) und stellt dabei in Frage, dass die Beziehung zwischen Soldat und Feldherr einem engen und festen Loyalitätsverhältnis entsprach (S. 140). Bereits während der Zeit des politischen Aufstieges sei das Heer für Pompeius zwar identitätsstiftend, jedoch keine Machtgrundlage gewesen (S. 141-156), da er politisch von seinen militärischen Maßnahmen profitierte, das Heer jedoch zu keiner Zeit als Druckmittel gebrauchte.2 Ähnliches gilt für die Zeit nach dem ersten Konsulat (S. 156-221). Pompeius’ aus den militärischen Leistungen mittelbar und indirekt gewonnenes Prestige als vir militaris war für die Gewinnung aller sozialen Gruppen von Vorteil (S. 157). Direkt und unmittelbar ließen sich die Veteranen jedoch trotz der über donativa und die Landversorgung3 erbrachten Leistungen des Pompeius nicht für dessen Interessen, sondern ausschließlich aufgrund eigener Motivation aktivieren, wodurch sich die postulierten Bindungen als kurzfristig, instabil und unwirksam erwiesen (S. 219). Dingmann stellt klar heraus, dass die mangelnde Verfügbarkeit der Veteranen in keinem Fall mit der Person des Pompeius begründet werden kann (S. 204), sondern stattdessen mit dem Selbstverständnis der Soldaten erklärt werden muss, das verbunden mit einem neuen Selbstbewusstsein zu deren materiellen Forderungen führte. Hieraus resultiert die überzeugende These, dass die donativa und die Landversorgung von den Soldaten gar nicht als beneficium des Pompeius wahrgenommen wurde, sondern als ein ihnen zustehendes officium für die bereits erbrachten Leistungen während der Feldzüge (S. 204-206). Zudem trug eine gewisse Parzellengebundenheit (S. 207-209) dazu bei, dass sich die Soldaten in der Folge kaum mehr an ihren Feldherrn gebunden fühlten. Darüber hinaus stellen der Politisierungsgrad der Soldaten (S. 209-214) und die schwache, begrenzte Wirkung des militärischen Eides (S. 214-217) das Loyalitätsverhältnis zwischen Feldherr und Heer in Frage.

Eine ebenso ausführliche Analyse erfahren die auswärtigen Beziehungen des Pompeius (S. 222-333), der diesbezüglich durch sein fürsorgliches Verhalten als Schutzherr, sein gewissenhaftes Wahrnehmen der Aufgaben als Statthalter und über die Verleihung von Bürgerrechten den einzelnen Regionen beneficia in großem Umfang leistete. Die Qualität dieser Bindungen stellt Dingmann jedoch in Frage, da keine Region sich exklusiv an Pompeius gebunden gefühlt, sondern plurale Beziehungen zu den nobiles Roms unterhalten habe (so S. 230, 249), zumal auch dann, wenn die Bindungen sich als stabil und langfristig, also im Extremfall als wirksam erwiesen, die Eigeninteressen der jeweiligen Personen, Städte oder Regionen gegenüber den sozialen Bindungen zu Pompeius Priorität gehabt hätten (S. 246). Vor allem bezüglich des Bürgerkrieges zwischen Pompeius und Caesar stellt Dingmann heraus, dass für das Verhalten der Bündnispartner nicht die sozialen Bindungen, sondern die militärische Ebene und der Kriegsverlauf maßgeblich gewesen seien (S. 272). Obwohl er konstatieren muss, dass im akuten Bedarfsfall vor allem die Gefolgschaften des Ostens für Pompeius verfügbar waren, sieht er hierin nicht die Bereitschaft, dem Patron, sondern vielmehr dem im Vergleich zu Caesar als stärker wahrgenommenen Feldherrn zu folgen (S. 323). Somit profitierte Pompeius zwar in finanzieller und prestigeträchtiger Hinsicht indirekt von seinen postulierten Anhängerschaften, welche jedoch insgesamt zu unsicher und für die Politik in Rom zu wenig ausschlaggebend waren, als dass sie Pompeius eine verlässliche und wirkungsvolle Machtgrundlage hätten sein können (S. 333).

In der nachfolgenden Auswertung (S. 334-363) betont Dingmann, dass der machtpolitische Wert der potentiellen Anhängerschaften infrage gestellt werden muss (S. 334), da sich die reklamierten pompeianischen Gefolgschaften nicht nach Pompeius, sondern nach ihren eigenen Zielen richteten (S. 337) und somit kein Automatismus zwischen politischer Macht und Loyalitätsverhältnissen als direkter Machtgrundlage bestehe (S. 338).4 Da die antiken Autoren dennoch die unbedingte Einhaltung und Gültigkeit der sozialen Konvention als Teil des mos maiorum reklamierten (S. 349), avancierten die Gefolgschaften über die politische Propaganda zu einem sekundären Machtfaktor (S. 351). Dies zeige sich vor allem an Pompeius, der trotz seiner de facto schwerwiegenden Probleme, sich im Senat und in der Politik Roms durchzusetzen, auf der propagandistischen Ebene den Ruf hatte, der princeps civitatis zu sein (S. 352). Im Ausblick verweist Dingmann dann auf die Interdependenzen potentieller Anhängerschaften und deren Bedeutung für den spätrepublikanischen Politiker (S. 353-363). Anhand der Ereignisse der Jahre 59 und 52 v.Chr. zeigt er auf, wie komplex sich ein singuläres Ereignis gestaltete und betont die Gleichzeitigkeit des römischen Bindungswesens. Nach einem knappen Resümee (S. 365-366), in dem Dingmann darauf hinweist, dass die hier erzielten Ergebnisse erst durch vergleichende Analysen der Machtgrundlagen weiterer spätrepublikanischer Politiker verallgemeinert werden dürften (S. 366), folgt ein Anhang mit Quellenverzeichnis, Siglen, ausführlichem Literaturverzeichnis und Indices (S. 370-445).

Die Arbeit bietet eine sehr detailreiche und gewinnbringende Analyse der singulären Beziehungen des Pompeius zu allen greifbaren potentiellen Anhängerschaften, die in zahlreichen Einzelaspekten neue Gedanken, Thesen aber auch Fragen zur Diskussion stellt, welche der Forschung neue Arbeitsfelder eröffnet. Im Hinblick auf die Frage nach den Machtgrundlagen eines spätrepublikanischen Politikers erscheint die Herangehensweise jedoch verfehlt. Die gebündelten Anforderungen von Exklusivität, Dauerhaftigkeit und Aktivierbarkeit an die Machtgrundlagen eines spätrepublikanischen Politikers unterhöhlen die Prinzipien der res publica. Vor allem die Forderung nach faktischer Exklusivität der Bindungen zu sämtlichen auswärtigen Bündnispartnern Roms ist im Rahmen der res publica kaum statthaft. Auch die gänzliche Verneinung der politischen amicitia als direkte Machtgrundlage aufgrund fehlender Stabilität und Dauerhaftigkeit muss hinterfragt werden. Insbesondere im Falle des Dreibundes, den Dingmann eindeutig unter die Amicitia-Bindungen des Pompeius zählt (S. 103), ist kaum zu behaupten, dass er während seiner Dauer kein faktisches Fundament der Macht des Pompeius darstellte.

Es gilt demnach vor allem die Definition für Machtgrundlagen zu hinterfragen, denn letztlich basierte die Macht des Pompeius auf seiner Fähigkeit, die Interessen der unterschiedlichen potentiellen Gefolgschaften zu erkennen und die Mobilisierungsmöglichkeiten richtig beurteilen zu können. Er war derjenige, der in den entscheidenden Situationen die verschiedenen Interessen bündeln und die jeweils nötigen Gefolgschaften mobilisieren konnte. Die Bedeutung dieser Leistung des Politikers verbunden mit den Querverbindungen zwischen den verschiedenen potentiellen Gefolgschaften erkennt Dingmann zwar in seinen Auswertungskapitel an, setzt sie jedoch kaum mit einer faktischen Machtgrundlage gleich. Dies schmälert jedoch nicht die dennoch fundierte Analyse Dingmanns, die für die weiterführende Erforschung der Bindungs- und Klientelverhältnisse in der späten Phase der römischen Republik eine sehr gute Ausgangsbasis darstellt.

Anmerkungen:
1 Problematisch erscheint hierbei, dass Dingmann nicht nur sein Vorgehen ändert, da er nicht mehr über einzelne Personen deren Verbindung zu Pompeius untersucht, sondern dass er zudem die amici pares et superiores mit dem gesamten Senat gleichsetzt. Dies führt dazu, dass Caesar und Cicero bereits in ihren Handlungen der 70er und 60er Jahre als amici pares et superiores gezählt werden, was sie faktisch – trotz ihrer späteren Bedeutung – zu dieser Zeit keineswegs waren.
2 Pompeius behielt sein Heer – nach Dingmann – nicht, um den Senat oder Sulla unter Druck zu setzen, sondern hoffte auf diesem Weg, ein neues Amt zu erhalten, welches ihm in der Regel aus Dankbarkeit auch gewährt worden sei. Bei dieser Interpretation erscheint problematisch, dass der Senat es 71/70 v.Chr. zwar für nötig erachtet haben soll, Pompeius aus Dankbarkeit zu fördern, sich jedoch 62 v.Chr. – nachdem Pompeius auch in den Augen der Zeitgenossen Größeres geleistet hatte als in den Jahren zuvor – in einhelliger Opposition gegen diesen befand. Die Gründe, wieso Pompeius das einzige Mal, als er sein Heer vorzeitig entlässt, die ganze Gegenwehr des Senats zu spüren bekommt, können auf diesem Weg kaum geklärt werden.
3 Für die Landversorgung der Veteranen bietet Dingmann eine detailreiche und ausführliche Analyse der einzelnen von Pompeius unternommenen Maßnahmen (S. 161-184).
4 Dingmann erörtert hier am Beispiel der Senatorenschicht die Motivationen politischen Handelns, bei der sich neben dem Staatswohl und den sozialen Bindungen die eigenen Ziele als Handlungsmaxime herausstellten (S. 339-348).

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