A. Esposito u.a. (Hrsg.): Gli ordini ospedalieri

Titel
Gli ordini ospedalieri tra centro e periferia. Giornata di studio, Roma, Istituto Storico Germanico, 16 giugno 2005


Herausgeber
Esposito, Anna; Rehberg, Andreas
Reihe
Ricerche dell’Istituto Storico Germanico di Roma 3
Erschienen
Rom 2007: Viella
Anzahl Seiten
332 S.
Preis
€ 35,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Frank, Friedrich-Meinecke-Institut, FU Berlin

Die Frage nach dem Verhältnis von Zentrum und Peripherie in den Hospitalorden ist der rote Faden, der dem Band eine vergleichsweise hohe inhaltliche Geschlossenheit verleiht. Die beiden Leitbegriffe werden im Herausgebervorwort (S. 7–11) sehr konkret gefasst: Zentrum war das jeweilige Mutterhaus, die Peripherie wurde von den Filialen (domus, Hospitälern) und – sofern vorhanden – den regionalen Verwaltungsebenen (Ordensprovinzen) gebildet. Neben diese ‚vertikalen’ Beziehungen zwischen Mutterhaus und abhängigen Häusern traten ‚horizontale’ Interessen: Damit sind weniger Querverbindungen zwischen den Filialen gemeint, sondern deren nach außen reichende Netzwerke, die durch wirtschaftliche Aktivitäten, Gebetsverbrüderungen und Bruderschaften geknüpft wurden.

In einem langen Einleitungsaufsatz (Una categoria di ordini religiosi poco studiata: gli ordini ospedalieri. Prime osservazioni e piste di ricerca sul tema „Centro e periferia“, S. 15–70) führt Andreas Rehberg in die Sachprobleme ein, deren Erforschung der Band voranbringen soll. Natürlich können nicht sämtliche in Frage kommenden Ritter- und Hospitalorden, ja nicht einmal alle in die Übersichtskarte (S. 11) aufgenommenen Kommunitäten behandelt werden. Die Autoren mussten auswählen, und so stützt auch Rehberg seine Überlegungen vorwiegend, aber nicht ausschließlich, auf zwei Beispiele, den Antoniter- und den Heilig-Geist-Orden. Neben der Quellenlage erläutert er die spirituellen Grundlagen, die Institutionalisierung und die Leitungsstrukturen, die von den Mutterhäusern angewandten Verfahren zur Kontrolle der Peripherie und die Wirtschaftspolitik der Orden; er stellt die Techniken des Almosensammelns vor, in denen die Hospitalorden es zu einiger Virtuosität brachten, verweist auf ihre (eher bescheidenen) kulturellen wie auch (wichtigen) medizinischen Leistungen und gelangt im Hinblick auf das Verhältnis von Zentrum und Peripherie zu dem Schluss, dass die zentrifugalen Kräfte auf Dauer nur schwer in den Griff zu bekommen waren. Das alles ist instruktiv und mit großer Sachkenntnis vorgetragen. Zu wünschen wäre allenfalls eine engere Verzahnung der von Rehberg aufgeworfenen Fragen, insbesondere der zahlreichen aufgezeigten Forschungslücken, mit den im Rest des Bandes dann tatsächlich behandelten Themen. Über Desiderate wie die Rekrutierung der Mitglieder (S. 47), die weiblichen Ordensangehörigen oder Vergleiche mit anderen Hospitälern und Hospitalverbänden (S. 69) informiert das Buch nämlich kaum, und auch über das Innenleben der Mutterhäuser oder peripherer Hospitäler erfährt man wenig. Vielmehr konzentrieren sich die weiteren Beiträge im Wesentlichen auf zwei in der Einleitung erörterte Forschungsperspektiven: die institutionelle Struktur der Hospitalorden und die Geldbeschaffung durch professionalisierte Almosensammlung.

Doch gerade aus dieser begrenzten Perspektive heraus stoßen viele der Beiträge auf Neuland vor, was nicht zuletzt an der Beigabe bislang unedierter Quellentexte deutlich wird. Das Buch ist in drei Sektionen gegliedert: Von den Ritterorden mit Fürsorgefunktionen (I) wandert der Fokus zu den nicht-militarisierten Hospitalorden (II) und schließlich zum Fallbeispiel des römischen Heilig-Geist-Ordens (III). Dass sich hinter den Leitbegriffen ‚Zentrum’ und ‚Peripherie’ realiter verwickeltere Verhältnisse verbergen, als es die Definition im Vorwort nahe legt, zeigt sich gleich in der ersten Sektion: in der ausgewogenen Darstellung der Geschichte des Johanniterordens aus der Feder von Roberto Greci (L’ordine di S. Giovanni di Gerusalemme tra centro e periferia, S. 74–99) ebenso wie in dem von Giuliana Albini präsentierten Resümee der Besitz- und Wirtschaftsgeschichte der Johanniter (La ricchezza dell’ordine di S. Giovanni [secoli XII–XIV], S. 101–136). Während diese beiden Überblicke sich mit der Auswertung der Forschungsliteratur begnügen, steuert Marina Gazzini (L’ordine di S. Giovanni e la società locale tra religiosità e assistenza. Italia centrosettentrionale, secoli XII–XIV, S. 137–157) anhand von Quellen aus norditalienischen und toskanischen Johanniterhäusern neue Gesichtspunkte bei. Sie stellt zum einen fest, dass der Orden zumindest bis zum 14. Jahrhundert noch nicht auf den Adel fixiert war, sondern auch nennenswerte Verbindungen zum kommunalen Bürgertum unterhielt. Zum andern gelingt es ihr, die Klassifizierung der mit dem Orden verbundenen Personen zu hinterfragen: Das betrifft weniger die gängige Dreiteilung der Vollmitglieder (fratres) in Kleriker, Ritterbrüder und servientes, als vielmehr die Abgrenzung der confratres von den donati. Während die bisherige Forschung – auch Greci und Albini – eine Differenz von semireligiosen Oblaten (donati) und dem Orden lockerer assoziierten Verbrüderten (confratres) postuliert, kann Gazzini nachweisen, dass die Grenzen zwischen diesen beiden Kategorien oftmals unscharf waren.

Kay Peter Jankrift (Una rete a maglie larghe. Sull’organizzazione dell’ordine di S. Lazzaro di Gerusalemme nel XIII e XIV secolo, S. 159–166) bietet italienischen Lesern eine Zusammenfassung seiner Arbeiten über den Leprosen-Ritterorden von St. Lazarus und leitet mit seinen Hinweisen auf die chronische Finanznot der Lazariten zugleich zur nächsten Sektion über. Denn im zweiten Teil, der den nicht-militarisierten Hospitalorden gewidmet ist, geht es vor allem ums Geld. Robert N. Swanson (Marginal or mainstream? The hospitaller orders and their indulgences in late medieval England, S. 169–194) nähert sich der Ordens-Finanzgeschichte aus der Perspektive der Ablassforschung und ediert im Anhang vier Dokumente: zwei Verbrüderungsbriefe („confessional letters“) der Orden von Altopascio (1380) und S. Spirito (1520) sowie zwei Flugschriften aus der Zeit Papst Leos X., die für die von S. Spirito zu gewinnenden Ablässe werben. Mit Quelleneditionen warten auch die beiden nächsten Beiträge auf. Andreas Meyer (Altopascio, Lucca e la questua organizzata nel XIII secolo, S. 195–209) fasst seinen schon auf Deutsch vorliegenden Aufsatz1 über die Geldsammelpraxis des Hospitals von Altopascio in italienischer Sprache zusammen. Eine echte Trouvaille ist der Text, den Raffaela Villamena (I Cerretani come intermediari degli Antoniani [a proposito di due documenti del 1315 e del 1492], S. 211–230) in einem wenig bekannten römischen Archiv entdeckt hat. Es handelt sich um Statuten oder besser einen Vertrag zwischen dem Provinzialkapitel der zentralitalienischen Antoniterhäuser und ihren ‚Fundraisern’, den viel geschmähten Cerretani, aus dem Jahr 1492. Die Antoniter regelten eine Fülle von Konfliktpunkten und ließen das Ganze von den anwesenden Cerretani beeiden. Der Text und Villamenas Kommentar erhellt nicht nur, dass die Sammelgebiete gegen pauschale Zahlungen an Generalunternehmer verpachtet und von diesen an Subunternehmer weiterverpachtet wurden, sondern vor allem, dass die Cerretani auf ihren weiten Reisen auch die Ländereien des Ordens zu inventarisieren und die aus diesen Besitzungen geschuldeten Pachtzinsen einzutreiben hatten.

Diese Ergebnisse werden durch den ersten Beitrag zur dritten, dem Heilig-Geist-Orden gewidmeten Sektion bestätigt und ergänzt. Mario Sensi (L’espansione dell’ordine di S. Spirito in Umbria e nelle Marche, S. 233–250) überprüft mit Hilfe lokaler Archivalien den Forschungsstand zu den Niederlassungen des Ordens in Umbrien und den Marken und gewinnt daraus auch neue Aufschlüsse über die Arbeit der Cerretani – haben diese ihren Namen doch der Herkunft aus dem Kastell Cerreto und einigen Nachbarorten in der Diözese Spoleto zu verdanken. Die von ihm gefundenen Vertragsurkunden liefern zudem Indizien, die für eine Ehrenrettung dieses von den Zeitgenossen heftig kritisierten Berufsstands geltend gemacht werden könnten. Einen interessanten Fall ganz anders gearteter Mittelbeschaffung an der Peripherie untersucht Anna Esposito (L’ospedale di S. Spirito di Roma e la confraternita veneziana dello Spirito Santo alla fine del ’400, S. 251–272): Ein in Venedig 1483 unter dem Patrozinium des Heiligen Geistes gegründetes Augustinerinnenkloster verbrüderte sich mit dem römischen Mutterhaus des Heilig-Geist-Ordens und brachte zudem in seinen Räumen eine Laienbruderschaft unter, die ihrerseits mit dem römischen Hospital wie dem Frauenkloster verbrüdert war und auch Tote aufnahm.2 Diese erstaunliche Zirkulation von geistlichen Leistungen, deren Motor die Ablassprivilegien des Hospitals S. Spirito waren, wurde 1492 in einem – im Anhang gedruckten – Vertrag zwischen dem Kloster und der Bruderschaft geregelt und sukzessive den Interessen der römischen Zentrale angepasst: z.B. dadurch, dass die Mitglieder der Venezianer Bruderschaft in den Liber fraternitatis von S. Spirito eingetragen wurden, also an dem großen Gebetsbund partizipieren durften, den die Päpste seit der Mitte des 15. Jahrhunderts um ihr römisches Hospital errichtet hatten.

Zwei Darstellungen der Beziehungen des römischen Mutterhauses zu seinen peripheren Niederlassungen beschließen den mit Ordens-, Personen- und Ortsregister ausgestatteten Band. Françoise Durand (L’hôpital du Saint-Esprit in Saxia et ses filiales de Besançon et Dijon [XIIIe – XVe siècles], S. 273–288) behandelt zwei Hospitäler im burgundischen Raum, Gisela Drossbach (L’ordine di S. Spirito nei territori del Sacro Romano impero. Dagli inizi sino alla metà del XV secolo, S. 289–300) die nicht sehr zahlreichen Niederlassungen des Heilig-Geist-Ordens im Reich. Beide kommen zu dem Ergebnis, dass der Zugriff der Zentrale auf die Peripherie nicht unterschätzt werden sollte, was Drossbach zu Recht damit erklärt, dass hinter dem römischen Hospital die Päpste standen.

Dieser Befund passt nicht ganz zu der einleitend von Andreas Rehberg getroffenen Feststellung, die Hospitalorden hätten mit besonders starken zentrifugalen Kräften zu schaffen gehabt. Um zu beurteilen, ob dies ein kreativer Widerspruch ist oder ob hier bloß mit zweierlei Maß gemessen wurde, müsste man auf Forschungen zurückgreifen, die die Institutionsgeschichte der Hospitalorden in die vergleichende Ordensforschung einzuordnen erlauben; Forschungen dieser Art gibt es jedoch noch zu wenige. Ein Punkt, der bei derlei vergleichenden Untersuchungen besondere Beachtung verdienen würde, ist die Tendenz aller religiösen Orden, sich Teile der Außenwelt zu verpflichten und zu assoziieren. Solche Verbindungen wurden, wie auch der besprochene Band demonstriert, in den Hospitalorden oft unter dem Etikett fraternitas organisiert. Das sollte freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich hinter dieser Bezeichnung sehr verschiedene sozial- und frömmigkeitsgeschichtliche Realitäten verbergen. Das Spektrum reicht von der – per litteras fraternitatis zu erwerbenden – Verbrüderung von Individuen oder kirchlichen Institutionen mit den Orden (Beispiele in den Beiträgen von M. Gazzini, R. N. Swanson und A. Esposito) über geografisch weit ausgedehnte Gebetsbünde (z.B. die von S. Spirito im 15. Jahrhundert neu instituierte fraternitas) bis zu lokalen Bruderschaften, die den Orden Unterstützer heranführten (wie die Venezianer Bruderschaft bei A. Esposito). Es ist eines der wesentlichen Verdienste des Bandes, diese Phänomene in ihrer ganzen Breite vorgeführt zu haben. Allerdings verwenden die Autoren den Terminus fraternitas nicht einheitlich. Das ist zugegebenermaßen eine lässliche Sünde, über die man hinwegsehen kann. Noch besser aber wäre es, sie produktiv zu machen: Zu wünschen wäre ein Zugang, der das Problem der vielfältigen um die Hospitalorden kreisenden fraternitates weder in anachronistische Typologien presst noch durch undifferenzierten Gebrauch der modernen Entsprechungen confraternita, confraternity oder confrérie überdeckt.

Anmerkungen:
1 Meyer, Andreas, Organisierter Bettel und andere Finanzgeschäfte des Hospitals von Altopascio im 13. Jahrhundert, in: Drossbach, Gisela (Hrsg.), Hospitäler in Mittelalter und Früher Neuzeit. Frankreich, Deutschland und Italien. Eine vergleichende Geschichte, München 2007, S. 55–105, mit Edition von 42 Luccheser Notarsurkunden, von denen fünf auch der italienischen Version angehängt sind.
2 Auf den italienischen Vergleichsfall der Bruderschaft von Orsanmichele sei hingewiesen: Henderson, John, Piety and Charity in Late Medieval Florence, Oxford 1994, S. 198.

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