P. Keller: Neokonservatismus und amerikanische Außenpolitik

Titel
Neokonservatismus und amerikanische Außenpolitik. Ideen, Krieg und Strategie von Ronald Reagan bis George W. Bush


Autor(en)
Keller, Patrick
Erschienen
Paderborn 2008: Ferdinand Schöningh
Anzahl Seiten
344 S.
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Rüdiger von Dehn, FB A (Neuere und Neueste Geschichte), Bergische Universität Wuppertal

„Um dem Leser ein hintergründiges Bild von der Idee des Neokonservatismus zu vermitteln, bedient sich die Studie der Kulturwissenschaft ebenso wie der Geschichtswissenschaft und der Politischen Philosophie“ (S. 17) – mit diesem Instrumentarium in der Hand entwirft Keller ein geschlossenes und überaus stimmiges Bild des Neokonservatismus in den USA. Mit der nunmehr veröffentlichten Dissertationsschrift unterstreicht er als Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politik und Zeitgeschichte in Bonn, inwieweit Geschichtswissenschaft und Politikwissenschaft aufeinander angewiesen sind, wenn die Tiefgründigkeit der neokonservativen Strömungen in den USA analysiert und bewertet werden sollte. Damit ist auch der Hauptleserkreis der Studie genannt, den die Lehrenden und Forschenden von Policy, Politics und Politie bilden. Dennoch: Keller liefert einen Einblick in die Entstehung der „Neocons“, der in der Historiker-Zunft bei der Aufarbeitung der Präsidentschaft Reagans sehr hilfreich sein wird. Ansonsten sind die Jahre von 1981 bis 2007 eher die Schiene, auf der der politikwissenschaftliche Zug rollt. Die Historiographie wirkt als Hilfswissenschaft. Was bietet der Band nun aber inhaltlich?

In seiner in sechs Teile gegliederten Schrift gelingt es Keller, das Werden der neuen Konservativen in den USA in all seinen Facetten zu reflektieren. Leitend ist dabei die Orientierung an drei Spannungsfeldern im Bereich der Ideologie zwischen den innen- und außenpolitischen Banden sowie einer sich immer wieder wandelnden Wertordnung, die gegen strategische Theorien steht. Begonnen wird dies mit der Beschreibung der 1950er- bis 1970er-Jahre, die als Genese und Zeitalter der Entfremdung vom Liberalismus gelten. Dabei werden auch die Repräsentanten und Vorbilder des Konservatismus’ vorgestellt, die Keller bisweilen selbst interviewt hat. Die Hauptphase der Entwicklung machen die Jahre der Reagan-Administration aus, die schließlich zu der Frage führt, ob es nicht gerade neokonservative Bestrebungen gewesen seien, mit denen der „Kalte Krieg“ gewonnen werden konnte. Daran schließen sich Betrachtungen zur neokonservativen Außenpolitik in den 1990er-Jahren an, in denen sich Kernelemente der Denkschule änderten und transferiert werden mussten. Es war damit der Grundstein für die Politik George W. Bushs gelegt worden, mit der sich Keller im fünften Teil seiner Analyse auseinandersetzt und dabei die Politik vor dem 11. September 2001, die so genannte Bush-Doktrin und den Krieg im Irak abhandelt. Es ist keine leichte Kost, die Keller präsentiert und im sechsten Teil seiner Arbeit in einigen weiterführenden Thesen zusammenfasst.

Keller führt aus, dass der Neokonservatismus in seinem Kern aus der Abwendung enttäuschter Liberaler von den Grundannahmen der Demokratischen Partei herrührte, wie sie einst von Franklin D. Roosevelt verkörpert worden waren. Wie ein Riss durch die Geschichte wirkt dabei die zwangsläufig notwendig gewordene Neuorientierung nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes. Dies soll nicht heißen – so Keller –, dass sich der Neokonservatismus endgültig und fest als neue Denkschule internationaler Politik etabliert habe. In zugespitzter Form heißt dies für Keller: „Der Neokonservatismus fungiert als oppositionelles Korrektiv zur vom Realismus geprägten Außenpolitik Nixons und George H. W. Bushs und zur vom Idealismus geprägten Außenpolitik Carters und Clintons“ (S. 252f.). Damit steht der von Keller diskutierte Konservatismus quer zu den Theoriedebatten der internationalen Politik. Gewagt ist sicherlich der Ausblick, der die Überlegung präsentiert, dass mit dem Ende der Regierung George W. Bushs 2009 der Einfluss der „Neocons“ mit großer Wahrscheinlichkeit immer geringer werden wird. Ihm fehlt nunmehr die antikommunistische Klammer des Kalten Krieges, mit der die Kräfte der internationalen Politik gebündelt werden konnten. Von der Weltbühne der Politik werden sie damit aber nicht verdrängt werden. Viel zu hoch bleibt die Bedeutung der Korrektivfunktion im Pendelschlag zwischen Realismus und den bekannten Formen des Idealismus. Keller entlässt den Leser, indem er sich dennoch insgesamt für eine Zukunft des Neokonservatismus ausspricht. Ohne diesen könnten die Stärken der amerikanischen Ordnungsmacht in der Welt kaum ausgespielt werden, wenngleich die Vorstellungen der „Neocons“ wohl nicht endgültig in den Stand einer etablierten außenpolitischen Denkschule gehoben werden sollten (S. 253). Es wird prognostiziert und in die Zukunft geschaut, was letztendlich der Arbeit eine eigene politische Aussage gibt. Dennoch: der über fünfzig Seiten reichende Endnotenapparat unterstreicht die Transparenz in Kellers Argumentation.

Ein klares Fazit lässt sich somit durchaus ziehen. Der Band lebt durch seinen Aktualitätsbezug, wobei die Entwicklung des Neokonservatismus’ und die ihn repräsentierenden Akteure der amerikanischen Politik klar herausgearbeitet und gedeutet werden. In einer politikwissenschaftlichen Bibliothek wird die Schrift mit Sicherheit ihren dauerhaften Platz finden.

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