Cover
Titel
Das Gesicht der Bundeswehr. Kommunikationsstrategien in der Freiwilligenwerbung der Bundeswehr 1956 bis 1989


Autor(en)
Loch, Thorsten
Reihe
Sicherheitspolitik und Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland 8
Erschienen
München 2008: Oldenbourg Verlag
Anzahl Seiten
XIV, 380 S.
Preis
€ 29,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Th. Müller, Arbeitsbereich Theorie und Geschichte der Gewalt, Hamburger Institut für Sozialforschung

Um das öffentliche Ansehen des Soldatenberufes stand es in beiden deutschen Staaten nach den traumatischen Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges und der Reeducation durch die Alliierten nicht zum Besten. Anders als zwischen 1871 und 1945 waren weite Teile der deutschen Bevölkerung der Institution Militär und dem Soldatensein kritisch oder gar dezidiert ablehnend gegenüber eingestellt. Doch während das SED-Regime in der DDR jegliche öffentliche Kritik am Aufbau von KVP und NVA bereits in den Anfängen erstickt hatte, wurde die gegen den Aufbau der Bundeswehr gerichtete „Ohne mich“-Bewegung in der Bundesrepublik zu einem die öffentliche Debatte um den westdeutschen Verteidigungsbeitrag maßgeblich mitprägenden Faktor.

Unter diesen Umständen oblag es der Öffentlichkeitsarbeit von Bundespresseamt und Verteidigungsministerium Akzeptanz für die Wiederbewaffnung zu schaffen und die Integration der Streitkräfte in die Gesellschaft voranzutreiben. Welche Argumente und Kommunikationsstrategien dabei zur Anwendung kamen, hat Thorsten Loch in seiner an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg entstandenen und von Bernd Wegner betreuten Dissertation am Beispiel der Werbung von Berufs- und Zeitsoldaten für die Bundeswehr anschaulich untersucht.

Loch setzt sich dabei das Ziel, Militärgeschichte, Werbegeschichte und historische Bildkunde miteinander zu verbinden, um so einen Beitrag zum besseren Verständnis der Quellengattung Bild und dessen Implikationen im Hinblick auf gesellschaftliche Mentalitäten, den Alltag in der Bundeswehr sowie das Verhältnis von Militär und Gesellschaft zu leisten (S. 4).

Die Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel. Zunächst widmet der Autor sich in einer mit 64 Seiten sehr umfangreichen Einleitung neben den üblichen Quellen- und Methodenfragen auch allgemeinen Fragen der Kommunikation und der Mediensemiotik. Mehr Mut zur Lücke hätte der Lesbarkeit der Arbeit an dieser Stelle gut getan. Das folgende Kapitel über die historischen Entwicklungslinien von Soldatenwerbung, Wirtschaftswerbung und propagiertem Soldatenbild liefert hingegen eine nützliche Kontrastfolie für die in den folgenden vier Kapiteln geschilderten Nachwuchsprobleme und Werbestrategien der Bundeswehr.

Die Personalwerbung der Bundeswehr selbst wird im dritten bis sechsten Kapitel über die 1950er-, 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahre chronologisch abgehandelt. Die Freiwilligenwerbung der Jahre 1956-1960 stand dabei ganz im Zeichen der „Armee ohne Pathos“ einer postheroischen Gesellschaft, die sich bewusst vom markigen Soldatenbild der Wehrmacht absetzen wollte. Befördert wurde dies durch die Ergebnisse demoskopischer Umfragen zu möglichen Verpflichtungsmotiven und das neue Soldatenbild der Inneren Führung. Nachdem Werbeauftritte von Bundeswehroffizieren vor bayerischen Abiturienten nur auf wenig Interesse – von 7.500 Abiturienten ließen sich gerade einmal 54 Werbematerial aushändigen – und zum Teil offenen Unmut bei Schülern und Lehrern gestoßen waren (S. 142), wurde primär auf die Arbeit professioneller Werbeagenturen gesetzt. Loch analysiert gerade deren „Werbelinien“ im Zusammenspiel von Bild und Text detailliert.

Dabei werden aber auch die Tücken der historischen Bildanalyse deutlich; so bei Lochs Interpretation der Anzeigenreihe „Der junge Leutnant“ von 1957. Deren Bildsprache grenze sich unter anderem durch die folgenden Aspekte deutlich von der Wehrmachtpropaganda ab: „Hier findet sich erneut das Prinzip, Gefechtsfahrzeuge von rechts nach links kommend darzustellen, sie also nicht in „Richtung“ des Gebiets des Warschauer Pakts fahren zu lassen. Unterstützt wird diese Bildachse durch die Blickachse der drei Leutnants, die betont nach „Westen“ schauen.“ (S. 168) Abgesehen davon, dass die Fahrzeuge genau genommen auf den Betrachter zurollen und zwei der drei Leutnants geradeaus gucken, muss es höchst fraglich erscheinen, dass die zeitgenössischen Betrachter zu ähnlichen Assoziationen gelangt sind. Entscheidend ist jedoch, dass Loch diese Intention selbst für die Auftraggeber und Werbegrafiker nicht mit schriftlichen Quellen belegt.

Die 1960er-Jahre sieht Loch als das „Scharnierjahrzehnt“, an dessen Ende der Übergang zu einer professionellen Werbung basierend auf der systematischen Auswertung demoskopischer Umfragen zu den Präferenzen der westdeutschen Jugendlichen steht. Damit geht die Erkenntnis einher, dass ethische und sicherheitspolitische Argumente nur bei etwa einem Drittel der angesprochenen Zielgruppe auf fruchtbaren Boden fielen, während die mehrheitlich bildungs- und wohlstandsorientierte Jugend vor allem über materielle Anreize und zivilberuflich verwertbare Qualifikationen für eine längere Dienstzeit in der Bundeswehr interessiert werden konnte. Die Werbebotschaften lösten sich damit ab Mitte der 1960er-Jahre zunehmend von der Vorstellung vom Soldatsein als einem Beruf sui generis. Dazu kam die Betonung der „Bewährung als Mann zwischen sportlich-körperlicher Herausforderung und einem romantischem Abenteuer“ (S. 237) sowie außerdem erste Ansätze einer bewussten Anknüpfung an die Jugendkultur.

Die 1970er-Jahre standen ganz im Zeichen der institutionellen Umstrukturierung der Nachwuchswerbung als Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Informations- und Pressestabes (IPStab) des Bundsministeriums der Verteidigung sowie der weiteren Professionalisierung und Systematisierung der Werbung. Dazu gehörte die mehrstufige Nachfasswerbung mit Zusendung von Informationsprospekten und der Einladung zu Truppenbesuchen ebenso wie die Einführung von Kontrollen, mit denen die Wirkung einzelner Werbeelemente bei den Jugendlichen überprüft wurde. Dabei wurde nun verstärkt an Elemente der Jugendkultur und die vermuteten Präferenzen der Jugendlichen für die Berufswahl angeknüpft. Ersteres fand seinen Ausdruck etwa in der Gründung der Big Band der Bundeswehr 1971, der Einführung der „infopost“ mit der interessierte Jugendliche kontinuierlich über die Bundeswehr informiert wurden sowie schließlich der Gründung von „Bundeswehrfanclubs“ in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre. Letztgenannte erwiesen sich jedoch für die Freiwilligenwerbung als wenig effektiv. So dienten im Herbst 1981 von allen 888 bis dato gegründeten Fanclubs ganze 96 Mitglieder als Zeitsoldaten (S. 288).

Die Betonung der beruflichen Qualifikationsmöglichkeiten oder die explizite Werbung mit dem „Top Job: Offizier“ und das damit propagierte Jobdenken stießen jedoch auch auf Kritik. Während der Wehrbeauftragte Bedenken gegen die Gleichmacherei von Militärdienst und zivilem Jobdenken äußerte, da diese in der Konsequenz zu Unverständnis gegenüber dem Grundprinzip von Befehl und Gehorsam führen würde, polemisierte Bundespräsident Walter Scheel gegen die Bewerbung der Bundeswehr als „sportliches Freizeitunternehmen“ oder „staatliche Ausbildungsstätte für hochqualifizierte technische Berufe“ (S. 290).

In der Folge oszillierten die Werbebotschaften zwischen den Polen Zivilberuf und Soldatsein, wobei in den 1980er-Jahren noch einmal verstärkt Werbeträger der Jugendkultur wie Aufkleber und Buttons mit fröhlichen Tiermotiven und Slogans wie „Bundeswehr – ganz schön auf Zack“ (Igel) eingesetzt wurden. Ab 1986 kam außerdem die Fernseh- und Kinowerbung hinzu, die der 1988 anlaufenden Werbelinie „Bundeswehr – Eine starke Truppe“ eine bis dahin nie gekannte Reichweite verschaffte (S. 310f).

Loch gibt in seinem Buch einen guten Einblick in Strukturen und Methoden von Personalwerbung und Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr bis zum Ende des Kalten Krieges. Besonders hervorzuheben ist dabei die mit zahlreichen farbigen Abbildungen aufwändige Gestaltung des Bandes. Gleichzeitig wird hier aber auch die enge Rahmung seiner Arbeit deutlich. So beschränkt er sich weitgehend auf Werbeplakate und Anzeigen in Zeitschriften, während er keine näheren Angaben zu Machart und Inhalt zum Beispiel der Fernseh- und Kinowerbung oder der „infopost“ bietet. Auch die praktische Arbeit der Bundeswehrfanclubs oder der Ablauf eines Truppenbesuches werden nicht weiter thematisiert. Dazu kommt das auch durch die Quellenlage bedingte grundsätzliche Problem, dass es in der vorliegenden Arbeit vor allem um die „Botschaften“ geht, während deren Genese allenfalls bruchstückhaft nachvollziehbar ist. Weitaus gravierender ist jedoch der Umstand, dass ihre Wirkung bei der Zielgruppe jenseits des gedeckten oder nicht gedeckten Personalbedarfs beinahe völlig im Dunkeln bleibt. So halten sich denn auch die eingangs von Loch aus der Analyse der Werbung erhofften Einblicke in gesellschaftliche Mentalitäten, das Verhältnis von Militär und Gesellschaft und erst Recht hinsichtlich des tatsächlichen Bundeswehralltages in überschaubaren Grenzen.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension