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Titel
Sextus Propertius. The Augustan Elegist


Autor(en)
Cairns, Francis
Erschienen
Cambridge u.a. 2006: Cambridge University Press
Anzahl Seiten
XVI, 492 S.
Preis
£ 59.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Peter Habermehl, Die griechischen christlichen Schriftsteller, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

Bekannt gemacht hat ihn sein Klassiker „Generic Composition in Greek and Roman Poetry“ (1972); später folgten Monographien über Tibull (1979) und Vergil (1989). In einer langen Serie von Aufsätzen hat Francis Cairns sich aber auch als Experte für das Oeuvre des Properz ausgewiesen. So ist es nur konsequent, dass er diesem augusteischen Autor nun ein Buch widmet. Er knüpft dabei an eigene Vorarbeiten an, und beschreitet doch neues Terrain. Cairns sucht zu klären, woher der Ausnahmecharakter von Properz’ Werk rührt – von der barocken Sprache hin zur thematischen Vielfalt –, und findet Antworten in seiner Biographie und den verschiedenen Patronen, denen Properz im Laufe seiner dichterischen Karriere verpflichtet war: „This monograph relates the background and evolving career of Sextus Propertius to the nature, development and character of his writings“ (S. IX).

Das erste der zwölf Kapitel sammelt eine unverhoffte Fülle biographischer Indizien und Daten zum Clan der Propertii aus dem umbrischen Asis(ium), der die von Properz besungenen Stadtmauern mitbaute und in der domus Musae eine prächtige Residenz voll esoterischer mythischer Fresken besaß (sie liegt unter S. Maria Maggiore und dem Bischofspalast von Assisi und harrt weiterer Grabungen; S. 29–31). Von Umbrien aus fasste die Familie in den afrikanischen Kolonien und vor allem in Rom Fuß. Wie viel neues Licht Cairns auch auf altbekannte Testimonia fallen lässt, zeigt eine Passage wie Cic. dom. 49, wo von einem Sextus Propertius die Rede ist – möglicherweise dem Vater des Dichters (S. 14–16). Diese mit detektivischem Eifer betriebene Archäologie (im wahrsten Sinne des Wortes) der Propertii dürfte Schule machen. Dem Dichter der Monobiblos nähert sich Kapitel 2. Vor dem Hintergrund einer konzisen Skizze des römischen (literarischen) Patronats liefert es ein Soziogramm von Properz’ erstem Patron, Volcacius Tullus (mit dessen Familie, so Cairns, womöglich die Mutter des Dichters verwandt war). Es postuliert zudem einen Nachhall der zeitgenössischen rhetorischen Ausbildung im Werk des jungen Elegikers (S. 63ff.; ein Verweis auf Ovid und die declamatio hätte das Argument abgerundet).

Den zentralen Part des Bandes machen die Kapitel zu Gallus aus (vor allem Kapitel 3–6). Im Gefolge von Franz Skutsch identifiziert Cairns den „Gallus“ der Monobiblos (den zweiten Patron des Buchs) mit C. Cornelius Gallus, dem Wegbereiter der zeitgenössischen Elegie (die Schwierigkeiten, die das Distichon 1,5,23–24 dieser Identifikation bereitet, räumt er S. 78f. elegant aus dem Weg). Er sucht nachzuweisen, dass Gallus über die Monobiblos hinaus auf Properz einen prägenden Einfluss ausübte. Als exquisiter Textphilologe zeigt Cairns sich in jenen Passagen, in denen er mit Hilfe des Papyrus von Qasr Ibrîm 1 und der mageren anderen Fragmente des ägyptischen Statthalters typische ‚Gallische‘ Junkturen und Wendungen isoliert (die Spielregeln – beispielsweise die exakte Position einer solchen Wendung im Vers – definiert er S. 84; besonderen metrischen Merkmalen wie insbesondere vielsilbigen Pentameterschlüssen sind die eher technischen Kapitel 5 und 6 gewidmet). Auch wenn man Cairns hier nicht in jeden Winkel des Wörterbuchs folgen mag – er liefert überzeugende Beispiele genug, um sein Argument zu stützen, so etwa historia (am Versende; S. 84f.), nequitia (vor allem am Versanfang oder -ende; S. 94f.), nota (am Versende; S. 99f.), medicina (vor allem als vorletztes Wort des Verses; S. 100f.) oder die Junkturen vincit Amor und cedere Amori (S. 107f.). Ein großer catalogue raisonné sammelt (vor allem mit Hilfe hermeneutischer Rückschlüsse aus der Monobiblos und Verg. ecl. 6 und 10) typische Themen und Motive der Elegie des Gallus: die Dichterweihe, Höhlen–Lichtungen–Haine, die Wildnis, die Jagd (Kapitel 4). Das 12. und letzte Kapitel des Werks, ein exegetisches Glanzstück, schließt aus den beiden Propemptika Prop. 3,4 und Ovid ars 1,177–228 auf ein verlorenes Modell des Gallus (S. 404–440).

Philologen werden speziell jene Abschnitte und Kapitel konsultieren, die einzelne Elegien mit besonderem Bezug zu Gallus (neu) deuten, etwa Prop. 2,1 (S. 261–267), 2,10 (S. 326–336), 2,13 (S. 274–279), 4,2 (S. 281–287) oder 4,10 (S. 287–292). Ein Leckerbissen ist Kapitel 7 (S. 219–249), ein close reading von Prop. 1,20 zum Hylas-Mythos, das neben den Einflüssen des Gallus auch die hellenistische ‚Quelle‘ beider Autoren identifiziert: Parthenios von Nikaia, den berühmten Lehrer Vergils und des Gallus (dem er seine Erotika Pathemata widmete) – und womöglich des Properz. Gleiches gilt für Kapitel 9 (S. 295–319), eine penible Exegese von 2,34. Cairns liest das Schlussgedicht des 2. Buchs als subtile Eulogie auf Maecenas. Und auf den Spuren von J.-P. Boucher klärt er wohl ein für alle Mal die Identität jenes ominösen ‚Lynceus‘: ‚Luchs‘ war das poetische Pseudonym des Vergilfreundes und -herausgebers L. Varius Rufus im epikureischen Zirkel des Philodem zu Neapel.

Pflichtlektüre ist Kapitel 8 zu Maecenas, dem späteren Patron des Properz. Treffend charakterisiert Cairns etwa dessen Schwäche für erotische Sujets (mit der Monobiblos hatte Properz sich Maecenas also wärmstens empfohlen) oder barocke Manierismen. Die ab Buch II zu beobachtende Ausweitung von Properz’ Katalog auf öffentliche und politische Themen führt er auf Maecenas’ wachsenden Einfluss auf den Dichter zurück – wobei er ihn einleuchtend als diskreten Stichwortgeber im Hintergrund sieht. Als Indiz für das gute Einvernehmen zwischen den beiden wertet Cairns Steckenpferde des Maecenas, für die Properz sich empfänglich zeigt: Epikureismus, Tod, vor allem aber Etrurien, dem sich beide verbunden fühlten (S. 271–293). In späteren Jahren wohnte Properz (wie übrigens auch Horaz und Vergil) auf dem Esquilin in Maecenas’ Nähe, wahrscheinlich in einem von diesem zur Verfügung gestellten Haus. Auch dieser pragmatische Umstand, den Cairns zu Recht herausstreicht, dürfte der Verbindung der beiden kaum geschadet haben. Wie seit seinem Eintritt in den Maecenaskreis Properz auch zunehmend in den Bannkreis des Kaisers gerät, bis Augustus offiziell im 4. Buch als Patron in Erscheinung tritt, umkreist Kapitel 10 (samt einigen Spitzen gegen moderne Exegeten, die Properz als subversiven Oppositionellen vereinnahmen wollen). Ein Gedicht wie 4,11 mit seiner idealtypischen augusteischen matrona liest Cairns exempli gratia als implizite Verbeugung vor der Moralpolitik des Kaisers (S. 358–361). Subtilere Formen der Panegyrik macht er in dem Bacchushymnus 3,17 (S. 364–369) und vor allem in dem anachronistischen Spartalied 3,14 aus – ein interpretatorischer Parforce-Ritt (S. 369–403).

Zweierlei gelingt Cairns in seiner Studie: Jenseits der alten, aus den Elegien extrahierten biographischen Phantasien, frei aber auch vom modischen Agnostizismus, der den Autor hinter dem Werk verschwinden lässt, fördert er ein dichtes Geflecht neuer Verbindungen und Erkenntnisse zutage, die es erlauben, Properz sozial wie historisch teilweise erstaunlich präzise in die Epoche des frühen Prinzipats einzubetten. Mit Fug und Recht darf man von einer mustergültigen biographischen Annäherung an Properz sprechen. Und dank einer über weite Strecken überzeugenden, sich ihrer Risiken wohl bewussten mikroskopischen Analyse der Metrik, der Sprache, der Sujets schärft er unser Ohr für die Echos des elegischen Ahnherrn Gallus in den Versen der Augusteer – allen voran des Properz. Schwer zu sagen, welcher Leistung mehr Lob gebührt.

Anmerkung:
1 Jetzt neu ediert von Hollis, Adrian S. (Hrsg.), Fragments of Roman Poetry, Oxford 2007, 219–252.

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