V. Rosenberg: Soviet-American Relations, 1953-1960

Cover
Titel
Soviet-American Relations, 1953-1960. Diplomacy and Cultural Exchange During the Eisenhower Presidency


Autor(en)
Rosenberg, Victor
Erschienen
Jefferson 2005: McFarland Publishers
Anzahl Seiten
334 S.
Preis
€ 35,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Tobias Rupprecht, Tübingen

Als Stalin im März 1953 starb, hatten die USA keinen Botschafter in Moskau, und die sowjetische Presse schürte wie nie zuvor den Hass auf den amerikanischen Imperialismus. Während die aktuelle Forschung zur sowjetischen Innenpolitik Liberalisierungstendenzen bereits im Spätstalinismus erkannte, muss in Bezug auf das Verhältnis der Sowjetunion zu ihrer Außenwelt weiterhin von einem klaren Bruch erst ab 1953 ausgegangen werden. Den grundlegenden Wandel der sowjetischen Außenpolitik in den folgenden Jahren beschreibt Victor Rosenberg in seiner Diplomatiegeschichte der 1950er-Jahre. Streng chronologisch und mit viel Liebe zum Detail rekonstruiert der US-amerikanische Publizist darin Kontakte und Entscheidungsprozesse im Kontext nationaler und internationaler Öffentlichkeit. Großzügig paraphrasiert Rosenberg dabei aus den einschlägigen Memoiren Beteiligter, stützt sich aber auch traditionell auf diplomatische Unterlagen und Augenzeugenberichte von Journalisten und Touristen.

Ausgerechnet dem stramm antikommunistischen US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower und seinem missionarisch-religiösen Außenminister John Foster Dulles kam die Aufgabe zu, auf sowjetische Initiativen zum Ausbau der diplomatischen und kulturellen Beziehungen zu reagieren. Immerhin konnten aber Nikita Chruschtschow, Verteidigungsminister Marschall Giorgi Schukow und Eisenhower auf gemeinsame Erfahrungen im Krieg gegen das Dritte Reich aufbauen. Auf persönlicher Ebene verstand man sich phasenweise sehr gut, was half, Feindbilder zu relativieren, und zumindest zur Einsicht führte, dass beide Seiten prinzipiell am Frieden interessiert waren. Zu konkreten Sachfragen freilich wurden meist keine Einigungen gefunden, Berlin blieb bis zum Bau der Mauer ein Streitpunkt, ebenso die gewaltsame Unterdrückung von Aufständen in Osteuropa. Zur atomaren Abrüstung wurden zahlreiche Vorschläge gemacht, die von der jeweils anderen Seite wieder verworfen wurden. Chruschtschows regelmäßige Ausfälle zur Überlegenheit des Sowjetkommunismus und der Dekadenz der Amerikaner taten ein Übriges.

Rosenberg hangelt sich nun von Jahr zu Jahr, von Datum zu Datum, von Krise über Aussöhnung zur nächsten Krise. Fein säuberlich werden Vorbereitungen und Vorbesprechungen von Konferenzen und natürlich die Gespräche auf den Konferenzen selbst, vorweg in Berlin und Genf, rekonstruiert. Diese Fleißarbeit mag in dieser Genauigkeit noch keiner geleistet haben, sie bringt aber kaum substanziell neue Erkenntnisse. Auch die gelegentlich eingestreuten aufgewärmten Anekdoten verbessern nur unwesentlich die Lesbarkeit dieses diplomatischen Klein-Kleins.

Bekanntermaßen herrschte auf der Genfer Konferenz von 1955 zwar ein guter Geist zwischen den Vertretern der USA und der UdSSR, und endlich sah man auch einmal Sowjets auf Fotografien lächeln. Unterm Strich blieb aber nur die gemeinsame Einsicht, dass man verschiedene Ansichten habe. Dennoch hatte das Treffen nachhaltige Auswirkungen: Amerikaner und Sowjets vereinbarten einen deutlichen Ausbau des Kulturaustauschs. Mit der Untersuchung dieser Beziehungen im längsten und besten Kapitel des Buches leistet Rosenberg einen wertvollen Beitrag zur aktuellen Forschung zu Kulturdiplomatie und Kulturtransfers im Kalten Krieg.

Das Beispiel des texanischen Pianisten Van Cliburn, der auf mehreren Tourneen durch die Sowjetunion frenetisch gefeiert wurde, zeigt anschaulich, was sich ab Mitte der 1950er-Jahre änderte. In der Stalinzeit undenkbar, wurden Leistungen der anderen Seite nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch offiziell in der Presse anerkannt. Dieser kulturelle Austausch, auf persönlicher Ebene in freundschaftlicher Atmosphäre, hielt auch in den periodisch wiederkehrenden Zeiten politischer Spannung an. Zu dieser Zeit war die Sowjetunion sogar liberaler in der Erteilung von Visa für Kulturrepräsentanten der anderen Seite als die USA. Zu Hochzeiten des „Red Scare“ weigerte sich etwa die US-amerikanische Post das sowjetische Magazin „U.S.S.R.“ auszuliefern, das im Gegenzug zum nach Moskau geschickten russischsprachigen „Amerika“ US-Amerikaner mit dem Leben in der Sowjetunion vertraut machen sollte. Zudem waren fast genauso viele US-Territorien für Sowjetbürger völlig gesperrt wie umgekehrt (S. 129).

Dass der nun dennoch einsetzende Austausch von Wissenschaftlern, Studenten, Sportlern, Künstlern und Touristen sich langfristig zugunsten der USA und ihres attraktiveren Lebensstandards auswirkte, liegt aus heutiger Sicht auf der Hand. Die anfängliche Skepsis der amerikanischen Verantwortlichen zeigt, wie unsicher diese damals sogar gegenüber den eigenen Landsleuten waren. Erst unter John F. Kennedy fanden diese Restriktionen und Vorbehalte (etwa gegenüber der Entsendung jüngerer Studenten) ein Ende. Diese Kontakte machten Wissenstransfers möglich. Nicht nur übernahmen die sowjetische Industrie und Landwirtschaft Fertigungstechniken aus den USA. Die Furcht vor dem sowjetischen Gegenentwurf, verstärkt durch den Sputnik-Schock 1957, führte auch zu einer Reihe von Maßnahmen innerhalb der USA. Als schönen Beleg stellt Rosenberg die Broschüre „What Ivan Knows That Johnny Doesn’t“ vor, die eine Reform des amerikanischen Bildungssystems unter Berücksichtigung gewisser Vorzüge des sowjetischen Modells forderte (S. 148). Das schnelle und forciert durchgesetzte Ende der Rassentrennung in den Südstaaten hatte auch mit einer Sorge um das Bild der USA in der Weltöffentlichkeit, und besonders mit dem gefundenen Fressen für sowjetische Propaganda in der Dritten Welt, zu tun. Dennoch hatte diese erste vorsichtige Öffnung des Eisernen Vorhangs natürlich größere Auswirkung auf den Osten. Rosenberg zeigt dies anschaulich und griffig formuliert an vielen Beispielen aus den Bereichen Mode, Kosmetik und Unterhaltung. Die Verwestlichung der sowjetischen Jugend, so sehr sie der älteren Generation missfiel, blieb aber lange Zeit auf Stilfragen begrenzt und war weitestgehend unpolitisch.

Damit kehrt Rosenberg wieder zu seiner Chronologie der Eisenhower-Jahre zurück, rekapituliert die Krisen um den Suezkanal, im Libanon, um Taiwan und Berlin aus Sicht der Diplomaten. Die amerikanische Ausstellung in Moskau 1959 und Chruschtschows USA-Reise im gleichen Jahr werden ebenfalls breit thematisiert. Eisenhowers geplanter Besuch in der UdSSR 1960, kurz vor Ende seiner Amtszeit, kam jedoch nicht mehr zustande. Der Abschuss eines U2-Spionageflugzeugs über Russland beendete abrupt alle Vorbereitungen – im Gegensatz zu den kulturellen Verbindungen erwiesen sich die politischen nach wie vor als fragil. Trotz aller Schwierigkeiten und Rückschläge gelang es, mit den ab Mitte der 1950er-Jahre geschaffenen Kontakten, die Grundlagen für die beiden détentes der 1970er- und der späten 1980er-Jahre zu legen. Der Austausch mit dem Westen zerstörte schließlich den sowjetischen Glauben an die Überlegenheit des eigenen Systems.

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